[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Aber die übrigen Eilfe, die Jesum schon lange nicht sahen, Giengen im Dunkeln am Fuße des Oelbergs, und suchten ihn traurig. Außer einem, der Jesum, wie sie, nicht mehr zärtlich verehrte, Waren sie Männer voll Unschuld. Die Göttlichkeit ihrer Herzen Kannten sie nicht. Gott kannte sie besser. Er schuf sie zu Seelen, Welche dereinst des Ewigen Offenbarungen schauten. Doch nicht jener zugleich, der, der himmlischen Jüngerschaft unwerth, Jesum verrieth. Er konnte sie schaun, verrieth er nicht Jesum. Jhnen wurden schon, eh sie der Leib der Sterblichkeit einschloß, Neben den Stülen der vier und zwanzig Aeltsten im Himmel Goldene Stüle gesetzt; doch einer der goldenen Stüle Ward E 5
Aber die uͤbrigen Eilfe, die Jeſum ſchon lange nicht ſahen, Giengen im Dunkeln am Fuße des Oelbergs, und ſuchten ihn traurig. Außer einem, der Jeſum, wie ſie, nicht mehr zaͤrtlich verehrte, Waren ſie Maͤnner voll Unſchuld. Die Goͤttlichkeit ihrer Herzen Kannten ſie nicht. Gott kannte ſie beſſer. Er ſchuf ſie zu Seelen, Welche dereinſt des Ewigen Offenbarungen ſchauten. Doch nicht jener zugleich, der, der himmliſchen Juͤngerſchaft unwerth, Jeſum verrieth. Er konnte ſie ſchaun, verrieth er nicht Jeſum. Jhnen wurden ſchon, eh ſie der Leib der Sterblichkeit einſchloß, Neben den Stuͤlen der vier und zwanzig Aeltſten im Himmel Goldene Stuͤle geſetzt; doch einer der goldenen Stuͤle Ward E 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <l> <pb facs="#f0085" n="73"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Dritter Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Damals habe der ewige Vater die andere Thraͤne</l><lb/> <l>Stille geweint. Er weinte die erſte, da Adam verflucht ward.</l><lb/> <l>Alſo ſahn ſie ſich an. Jn feyrender Sabbathſtille</l><lb/> <l>Neigt ſich vor ihnen die ganze Natur. Voll Ehrfurcht und wartend</l><lb/> <l>Bleiben die Welten ſtehn, und, auf beyder Anſchaun gerichtet,</l><lb/> <l>Geht der betrachtende Cherub in ſtillen Wolken voruͤber.</l><lb/> <l>Auch kam Seraph Eloa, von himmliſchen Wolken umgeben,</l><lb/> <l>Zu der Erden herunter, und ſah von Antlitz zu Antlitz</l><lb/> <l>Den Meßias, und zaͤhlte die menſchenfreundlichen Thraͤnen,</l><lb/> <l>Alle Thraͤnen, die Jeſus weinte. Drauf ſtieg er gen Himmel.</l><lb/> <l>Als er hinaufſtieg, erblickt ihn Johannes. Jhm oͤffnete Jeſus,</l><lb/> <l>Daß er den Seraph erblickte, die Augen. Er ſah ihn, und ſtaunte,</l><lb/> <l>Und umarmte voll Jnbrunſt den Mittler, und nannt ihn mit Seufzern</l><lb/> <l>Seinen Erloͤſer und Gott, mit unausſprechlichen Seufzern</l><lb/> <l>Nannt er ihn ſo, und blieb bey ihm in ſuͤßer Umarmung.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Aber die uͤbrigen Eilfe, die Jeſum ſchon lange nicht ſahen,</l><lb/> <l>Giengen im Dunkeln am Fuße des Oelbergs, und ſuchten ihn traurig.</l><lb/> <l>Außer einem, der Jeſum, wie ſie, nicht mehr zaͤrtlich verehrte,</l><lb/> <l>Waren ſie Maͤnner voll Unſchuld. Die Goͤttlichkeit ihrer Herzen</l><lb/> <l>Kannten ſie nicht. Gott kannte ſie beſſer. Er ſchuf ſie zu Seelen,</l><lb/> <l>Welche dereinſt des Ewigen Offenbarungen ſchauten.</l><lb/> <l>Doch nicht jener zugleich, der, der himmliſchen Juͤngerſchaft unwerth,</l><lb/> <l>Jeſum verrieth. Er konnte ſie ſchaun, verrieth er nicht Jeſum.</l><lb/> <l>Jhnen wurden ſchon, eh ſie der Leib der Sterblichkeit einſchloß,</l><lb/> <l>Neben den Stuͤlen der vier und zwanzig Aeltſten im Himmel</l><lb/> <l>Goldene Stuͤle geſetzt; doch einer der goldenen Stuͤle<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Ward</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [73/0085]
Dritter Geſang.
Damals habe der ewige Vater die andere Thraͤne
Stille geweint. Er weinte die erſte, da Adam verflucht ward.
Alſo ſahn ſie ſich an. Jn feyrender Sabbathſtille
Neigt ſich vor ihnen die ganze Natur. Voll Ehrfurcht und wartend
Bleiben die Welten ſtehn, und, auf beyder Anſchaun gerichtet,
Geht der betrachtende Cherub in ſtillen Wolken voruͤber.
Auch kam Seraph Eloa, von himmliſchen Wolken umgeben,
Zu der Erden herunter, und ſah von Antlitz zu Antlitz
Den Meßias, und zaͤhlte die menſchenfreundlichen Thraͤnen,
Alle Thraͤnen, die Jeſus weinte. Drauf ſtieg er gen Himmel.
Als er hinaufſtieg, erblickt ihn Johannes. Jhm oͤffnete Jeſus,
Daß er den Seraph erblickte, die Augen. Er ſah ihn, und ſtaunte,
Und umarmte voll Jnbrunſt den Mittler, und nannt ihn mit Seufzern
Seinen Erloͤſer und Gott, mit unausſprechlichen Seufzern
Nannt er ihn ſo, und blieb bey ihm in ſuͤßer Umarmung.
Aber die uͤbrigen Eilfe, die Jeſum ſchon lange nicht ſahen,
Giengen im Dunkeln am Fuße des Oelbergs, und ſuchten ihn traurig.
Außer einem, der Jeſum, wie ſie, nicht mehr zaͤrtlich verehrte,
Waren ſie Maͤnner voll Unſchuld. Die Goͤttlichkeit ihrer Herzen
Kannten ſie nicht. Gott kannte ſie beſſer. Er ſchuf ſie zu Seelen,
Welche dereinſt des Ewigen Offenbarungen ſchauten.
Doch nicht jener zugleich, der, der himmliſchen Juͤngerſchaft unwerth,
Jeſum verrieth. Er konnte ſie ſchaun, verrieth er nicht Jeſum.
Jhnen wurden ſchon, eh ſie der Leib der Sterblichkeit einſchloß,
Neben den Stuͤlen der vier und zwanzig Aeltſten im Himmel
Goldene Stuͤle geſetzt; doch einer der goldenen Stuͤle
Ward
E 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |