[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.Dritter Gesang. Sipha, sein Engel, nahm itzo das Wort: du irrest nicht, Seraph, Dieser ist Simons Bruder, Andreas. Sie wuchsen zugleich auf, Und Orion, und ich, wir erzogen der Jünglinge Seelen Neben einander mit Sorgsamkeit auf. Oft hab ich ihn damals, Wenn mit Zärtlichkeit beyde die brünstige Mutter umarmte, Unvermerkt zu jener vollkommnern Liebe gebildet, Die er dereinst dem großen Meßias heiligen sollte. Als ihm Jesus am Jordane rief, da war er noch einer Von den Jüngern Johannes. Noch klang ihm die Rede Johannes Von dem kommenden Mittler in seinem aufmerksamen Ohre; Als ihn mit einem durchdringenden Blick, voll segnender Liebe, Jesus berief. Jch hab ihn gesehn, ein göttliches Feuer Drang gewaltig in ihn, er flog dem Meßias entgegen! Jtzo sprach, Philippus Schutzgeist, Libaniel, also: Den du dort unten um beyde gesellig und friedsam erblickest, Dieser ist Philippus. Ein menschenfreundliches Lächeln Bildet die Züge des stillen Gesichts. Ein treues Bestreben Alle, die Gott zum Bilde sich schuf, wie Brüder zu lieben, Jst der geliebteste Trieb in seinem göttlichen Herzen. Auch hat sein Schöpfer in ihn der süßen Beredsamkeit Gaben Reichlich gelegt. Wie von Hermon der Thau, wenn der Morgen erwacht ist, Treufelt, und wie wohlriechende Lüfte dem Oelbaum entfliessen, Also fliesset die liebliche Rede vom Munde Philippus. Selia sprach weiter: der dort mit langsamen Schritten Unter den Cedern heraufgeht, wer ist der? Auf seinem Gesichte Glüth
Dritter Geſang. Sipha, ſein Engel, nahm itzo das Wort: du irreſt nicht, Seraph, Dieſer iſt Simons Bruder, Andreas. Sie wuchſen zugleich auf, Und Orion, und ich, wir erzogen der Juͤnglinge Seelen Neben einander mit Sorgſamkeit auf. Oft hab ich ihn damals, Wenn mit Zaͤrtlichkeit beyde die bruͤnſtige Mutter umarmte, Unvermerkt zu jener vollkommnern Liebe gebildet, Die er dereinſt dem großen Meßias heiligen ſollte. Als ihm Jeſus am Jordane rief, da war er noch einer Von den Juͤngern Johannes. Noch klang ihm die Rede Johannes Von dem kommenden Mittler in ſeinem aufmerkſamen Ohre; Als ihn mit einem durchdringenden Blick, voll ſegnender Liebe, Jeſus berief. Jch hab ihn geſehn, ein goͤttliches Feuer Drang gewaltig in ihn, er flog dem Meßias entgegen! Jtzo ſprach, Philippus Schutzgeiſt, Libaniel, alſo: Den du dort unten um beyde geſellig und friedſam erblickeſt, Dieſer iſt Philippus. Ein menſchenfreundliches Laͤcheln Bildet die Zuͤge des ſtillen Geſichts. Ein treues Beſtreben Alle, die Gott zum Bilde ſich ſchuf, wie Bruͤder zu lieben, Jſt der geliebteſte Trieb in ſeinem goͤttlichen Herzen. Auch hat ſein Schoͤpfer in ihn der ſuͤßen Beredſamkeit Gaben Reichlich gelegt. Wie von Hermon der Thau, wenn der Morgen erwacht iſt, Treufelt, und wie wohlriechende Luͤfte dem Oelbaum entflieſſen, Alſo flieſſet die liebliche Rede vom Munde Philippus. Selia ſprach weiter: der dort mit langſamen Schritten Unter den Cedern heraufgeht, wer iſt der? Auf ſeinem Geſichte Gluͤth
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0091" n="79"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Dritter Geſang.</hi> </fw><lb/> <lg n="13"> <l>Sipha, ſein Engel, nahm itzo das Wort: du irreſt nicht, Seraph,</l><lb/> <l>Dieſer iſt Simons Bruder, Andreas. Sie wuchſen zugleich auf,</l><lb/> <l>Und Orion, und ich, wir erzogen der Juͤnglinge Seelen</l><lb/> <l>Neben einander mit Sorgſamkeit auf. Oft hab ich ihn damals,</l><lb/> <l>Wenn mit Zaͤrtlichkeit beyde die bruͤnſtige Mutter umarmte,</l><lb/> <l>Unvermerkt zu jener vollkommnern Liebe gebildet,</l><lb/> <l>Die er dereinſt dem großen Meßias heiligen ſollte.</l><lb/> <l>Als ihm Jeſus am Jordane rief, da war er noch einer</l><lb/> <l>Von den Juͤngern Johannes. Noch klang ihm die Rede Johannes</l><lb/> <l>Von dem kommenden Mittler in ſeinem aufmerkſamen Ohre;</l><lb/> <l>Als ihn mit einem durchdringenden Blick, voll ſegnender Liebe,</l><lb/> <l>Jeſus berief. Jch hab ihn geſehn, ein goͤttliches Feuer</l><lb/> <l>Drang gewaltig in ihn, er flog dem Meßias entgegen!</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Jtzo ſprach, Philippus Schutzgeiſt, Libaniel, alſo:</l><lb/> <l>Den du dort unten um beyde geſellig und friedſam erblickeſt,</l><lb/> <l>Dieſer iſt Philippus. Ein menſchenfreundliches Laͤcheln</l><lb/> <l>Bildet die Zuͤge des ſtillen Geſichts. Ein treues Beſtreben</l><lb/> <l>Alle, die Gott zum Bilde ſich ſchuf, wie Bruͤder zu lieben,</l><lb/> <l>Jſt der geliebteſte Trieb in ſeinem goͤttlichen Herzen.</l><lb/> <l>Auch hat ſein Schoͤpfer in ihn der ſuͤßen Beredſamkeit Gaben</l><lb/> <l>Reichlich gelegt. Wie von Hermon der Thau, wenn der Morgen erwacht iſt,</l><lb/> <l>Treufelt, und wie wohlriechende Luͤfte dem Oelbaum entflieſſen,</l><lb/> <l>Alſo flieſſet die liebliche Rede vom Munde Philippus.</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>Selia ſprach weiter: der dort mit langſamen Schritten</l><lb/> <l>Unter den Cedern heraufgeht, wer iſt der? Auf ſeinem Geſichte</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Gluͤth</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0091]
Dritter Geſang.
Sipha, ſein Engel, nahm itzo das Wort: du irreſt nicht, Seraph,
Dieſer iſt Simons Bruder, Andreas. Sie wuchſen zugleich auf,
Und Orion, und ich, wir erzogen der Juͤnglinge Seelen
Neben einander mit Sorgſamkeit auf. Oft hab ich ihn damals,
Wenn mit Zaͤrtlichkeit beyde die bruͤnſtige Mutter umarmte,
Unvermerkt zu jener vollkommnern Liebe gebildet,
Die er dereinſt dem großen Meßias heiligen ſollte.
Als ihm Jeſus am Jordane rief, da war er noch einer
Von den Juͤngern Johannes. Noch klang ihm die Rede Johannes
Von dem kommenden Mittler in ſeinem aufmerkſamen Ohre;
Als ihn mit einem durchdringenden Blick, voll ſegnender Liebe,
Jeſus berief. Jch hab ihn geſehn, ein goͤttliches Feuer
Drang gewaltig in ihn, er flog dem Meßias entgegen!
Jtzo ſprach, Philippus Schutzgeiſt, Libaniel, alſo:
Den du dort unten um beyde geſellig und friedſam erblickeſt,
Dieſer iſt Philippus. Ein menſchenfreundliches Laͤcheln
Bildet die Zuͤge des ſtillen Geſichts. Ein treues Beſtreben
Alle, die Gott zum Bilde ſich ſchuf, wie Bruͤder zu lieben,
Jſt der geliebteſte Trieb in ſeinem goͤttlichen Herzen.
Auch hat ſein Schoͤpfer in ihn der ſuͤßen Beredſamkeit Gaben
Reichlich gelegt. Wie von Hermon der Thau, wenn der Morgen erwacht iſt,
Treufelt, und wie wohlriechende Luͤfte dem Oelbaum entflieſſen,
Alſo flieſſet die liebliche Rede vom Munde Philippus.
Selia ſprach weiter: der dort mit langſamen Schritten
Unter den Cedern heraufgeht, wer iſt der? Auf ſeinem Geſichte
Gluͤth
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |