[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.Achter Gesang. Und auch du, dem Tode so nah, so nah der Verdammniß, (Denn das sind wir!) du fürchtest auch itzo Gott nicht! Wir leiden Zwar mit Recht was wir leiden, den Lohn von dem, so wir thaten! Aber dieser (er winkt auf Jesum) er hat nichts verbrochen. Und nun kehrt er sich ganz zum Gottversöner, bestrebt sich Gegen ihn tief sich hin zu neigen. Jhm fliessen die Wunden Heftiger, als er es thut; allein er achtet des Bluts nicht; Nicht der ofneren Wunden! Er neigt zum Versöner sich nieder, Ruft: Ach, Herr wenn du zu deiner Herrlichkeit eingehst, Dann erinnre dich meiner! Mit göttlichstrahlendem Lächeln Sah dem erschütterten Sünder der sterbende Mittler ins Antliz: Heut, ich sag es dir, wirst du im Paradiese mit mir seyn! Und er vernahm mit heiligem Schauer die Worte des Lebens. Ganz empfand er sie, ganz war seine Seele durchdrungen; Und vor Seligkeit zittert er laut. Er wendet sein Auge Nun nicht mehr von dem Göttlichen weg. Nach ihm hin, nun immer Nach dem Menschenfreund ists, mit thränendem Blicke, gerichtet! Und so brach es zulezt. Jzt, da sein Leben noch athmet, Spricht er in sich gebrochne Worte, des ewigen Lebens Dunkles Gefühl, er denkt: Wer war ich? wer bin ich geworden? Dieses Elend zuvor, und nun die Wonne! dieß Beben! Dieser Seligkeit süsses Gefühl! Wer bin ich geworden? Wer ist der am Kreuze bey mir? Ein frommer, gerechter, Heiliger Mensch? Vielmehr, vielmehr! des ewigen Vaters Sohn! der gottgesandte Meßias? Sein Reich ist erhabner, Herrlicher, weit von der Erde weg, weit! Das ist er, ihr Engel! Aber wie tief erniedrigt er sich! zu diesem Tode! Und
Achter Geſang. Und auch du, dem Tode ſo nah, ſo nah der Verdammniß, (Denn das ſind wir!) du fuͤrchteſt auch itzo Gott nicht! Wir leiden Zwar mit Recht was wir leiden, den Lohn von dem, ſo wir thaten! Aber dieſer (er winkt auf Jeſum) er hat nichts verbrochen. Und nun kehrt er ſich ganz zum Gottverſoͤner, beſtrebt ſich Gegen ihn tief ſich hin zu neigen. Jhm flieſſen die Wunden Heftiger, als er es thut; allein er achtet des Bluts nicht; Nicht der ofneren Wunden! Er neigt zum Verſoͤner ſich nieder, Ruft: Ach, Herr wenn du zu deiner Herrlichkeit eingehſt, Dann erinnre dich meiner! Mit goͤttlichſtrahlendem Laͤcheln Sah dem erſchuͤtterten Suͤnder der ſterbende Mittler ins Antliz: Heut, ich ſag es dir, wirſt du im Paradieſe mit mir ſeyn! Und er vernahm mit heiligem Schauer die Worte des Lebens. Ganz empfand er ſie, ganz war ſeine Seele durchdrungen; Und vor Seligkeit zittert er laut. Er wendet ſein Auge Nun nicht mehr von dem Goͤttlichen weg. Nach ihm hin, nun immer Nach dem Menſchenfreund iſts, mit thraͤnendem Blicke, gerichtet! Und ſo brach es zulezt. Jzt, da ſein Leben noch athmet, Spricht er in ſich gebrochne Worte, des ewigen Lebens Dunkles Gefuͤhl, er denkt: Wer war ich? wer bin ich geworden? Dieſes Elend zuvor, und nun die Wonne! dieß Beben! Dieſer Seligkeit ſuͤſſes Gefuͤhl! Wer bin ich geworden? Wer iſt der am Kreuze bey mir? Ein frommer, gerechter, Heiliger Menſch? Vielmehr, vielmehr! des ewigen Vaters Sohn! der gottgeſandte Meßias? Sein Reich iſt erhabner, Herrlicher, weit von der Erde weg, weit! Das iſt er, ihr Engel! Aber wie tief erniedrigt er ſich! zu dieſem Tode! Und
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Achter Geſang.
Und auch du, dem Tode ſo nah, ſo nah der Verdammniß,
(Denn das ſind wir!) du fuͤrchteſt auch itzo Gott nicht! Wir leiden
Zwar mit Recht was wir leiden, den Lohn von dem, ſo wir thaten!
Aber dieſer (er winkt auf Jeſum) er hat nichts verbrochen.
Und nun kehrt er ſich ganz zum Gottverſoͤner, beſtrebt ſich
Gegen ihn tief ſich hin zu neigen. Jhm flieſſen die Wunden
Heftiger, als er es thut; allein er achtet des Bluts nicht;
Nicht der ofneren Wunden! Er neigt zum Verſoͤner ſich nieder,
Ruft: Ach, Herr wenn du zu deiner Herrlichkeit eingehſt,
Dann erinnre dich meiner! Mit goͤttlichſtrahlendem Laͤcheln
Sah dem erſchuͤtterten Suͤnder der ſterbende Mittler ins Antliz:
Heut, ich ſag es dir, wirſt du im Paradieſe mit mir ſeyn!
Und er vernahm mit heiligem Schauer die Worte des Lebens.
Ganz empfand er ſie, ganz war ſeine Seele durchdrungen;
Und vor Seligkeit zittert er laut. Er wendet ſein Auge
Nun nicht mehr von dem Goͤttlichen weg. Nach ihm hin, nun immer
Nach dem Menſchenfreund iſts, mit thraͤnendem Blicke, gerichtet!
Und ſo brach es zulezt. Jzt, da ſein Leben noch athmet,
Spricht er in ſich gebrochne Worte, des ewigen Lebens
Dunkles Gefuͤhl, er denkt: Wer war ich? wer bin ich geworden?
Dieſes Elend zuvor, und nun die Wonne! dieß Beben!
Dieſer Seligkeit ſuͤſſes Gefuͤhl! Wer bin ich geworden?
Wer iſt der am Kreuze bey mir? Ein frommer, gerechter,
Heiliger Menſch? Vielmehr, vielmehr! des ewigen Vaters
Sohn! der gottgeſandte Meßias? Sein Reich iſt erhabner,
Herrlicher, weit von der Erde weg, weit! Das iſt er, ihr Engel!
Aber wie tief erniedrigt er ſich! zu dieſem Tode!
Und
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