Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.

Und noch tiefer, zu mir! Zwar dieß erforschet mein Geist nicht!
Aber er hat mich von neuem erschaffen. Jzt, da ich dem Tode
Unterliege, da schuf er mich neu. So sey dann auf ewig
Angebetet von mir, ob ich dich gleich nicht begreife!
Du bist göttlich, und mehr, mehr, als der Erste der Engel!
Denn ein Engel konnte mich so von neuem nicht schaffen!
Konnte meine Seele zu Gott so hoch nicht erheben!
Göttlich, ja das bist du, und dein, dein bin ich auf ewig!

Also dacht' er, und sank in entzücktes Staunen. Wohin er
Blickt, vom Himmel herab, herauf von der liegenden Erde,
Lächelt ihm alles. Auf ihn war Gottes Ruhe gekommen.
Und ein Wink des Versöners beschied der Seraphim einen.
Dieser verließ mit Eile den Kreis, der um Golgatha glänzte,
Stand dann unten am Kreuze. Des göttlichen Winkes Befehl war:
Seraph, bring du diesen Erlösten zu mir, wann er todt ist!
Und er eilte zurück, und kam zum Kreise der Engel.
Abdiel wars, der Unüberwundne. Die Pforte der Hölle
Hütet itzo, auf Gottes Befehl, ein Engel des Todes.
Schnell umgeben ihn Schaaren der andern Engel, und fragen;
Abdiel sprach: Mit Entzückung empfing ich die hohen Befehle,
Jenen erlösten Sünder nach seinem Tode dem Mittler
Zuzuführen. Der süsse Gedanke durchströmt mich. Je mehr ich
Jhn entfalte, je mehr werd ich von Seligkeit trunken.
Einen geretteten Sünder, und selbst in den Stunden gerettet,
Da das Opfer für das Geschlecht der Sterblichen blutet,
Diese

Der Meſſias.

Und noch tiefer, zu mir! Zwar dieß erforſchet mein Geiſt nicht!
Aber er hat mich von neuem erſchaffen. Jzt, da ich dem Tode
Unterliege, da ſchuf er mich neu. So ſey dann auf ewig
Angebetet von mir, ob ich dich gleich nicht begreife!
Du biſt goͤttlich, und mehr, mehr, als der Erſte der Engel!
Denn ein Engel konnte mich ſo von neuem nicht ſchaffen!
Konnte meine Seele zu Gott ſo hoch nicht erheben!
Goͤttlich, ja das biſt du, und dein, dein bin ich auf ewig!

Alſo dacht’ er, und ſank in entzuͤcktes Staunen. Wohin er
Blickt, vom Himmel herab, herauf von der liegenden Erde,
Laͤchelt ihm alles. Auf ihn war Gottes Ruhe gekommen.
Und ein Wink des Verſoͤners beſchied der Seraphim einen.
Dieſer verließ mit Eile den Kreis, der um Golgatha glaͤnzte,
Stand dann unten am Kreuze. Des goͤttlichen Winkes Befehl war:
Seraph, bring du dieſen Erloͤſten zu mir, wann er todt iſt!
Und er eilte zuruͤck, und kam zum Kreiſe der Engel.
Abdiel wars, der Unuͤberwundne. Die Pforte der Hoͤlle
Huͤtet itzo, auf Gottes Befehl, ein Engel des Todes.
Schnell umgeben ihn Schaaren der andern Engel, und fragen;
Abdiel ſprach: Mit Entzuͤckung empfing ich die hohen Befehle,
Jenen erloͤſten Suͤnder nach ſeinem Tode dem Mittler
Zuzufuͤhren. Der ſuͤſſe Gedanke durchſtroͤmt mich. Je mehr ich
Jhn entfalte, je mehr werd ich von Seligkeit trunken.
Einen geretteten Suͤnder, und ſelbſt in den Stunden gerettet,
Da das Opfer fuͤr das Geſchlecht der Sterblichen blutet,
Dieſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="27">
              <l>
                <pb facs="#f0104" n="78"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Und noch tiefer, zu mir! Zwar dieß erfor&#x017F;chet mein Gei&#x017F;t nicht!</l><lb/>
              <l>Aber er hat mich von neuem er&#x017F;chaffen. Jzt, da ich dem Tode</l><lb/>
              <l>Unterliege, da &#x017F;chuf er mich neu. So &#x017F;ey dann auf ewig</l><lb/>
              <l>Angebetet von mir, ob ich dich gleich nicht begreife!</l><lb/>
              <l>Du bi&#x017F;t go&#x0364;ttlich, und mehr, mehr, als der Er&#x017F;te der Engel!</l><lb/>
              <l>Denn ein Engel konnte mich &#x017F;o von neuem nicht &#x017F;chaffen!</l><lb/>
              <l>Konnte meine Seele zu Gott &#x017F;o hoch nicht erheben!</l><lb/>
              <l>Go&#x0364;ttlich, ja das bi&#x017F;t du, und dein, dein bin ich auf ewig!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="28">
              <l>Al&#x017F;o dacht&#x2019; er, und &#x017F;ank in entzu&#x0364;cktes Staunen. Wohin er</l><lb/>
              <l>Blickt, vom Himmel herab, herauf von der liegenden Erde,</l><lb/>
              <l>La&#x0364;chelt ihm alles. Auf ihn war Gottes Ruhe gekommen.</l><lb/>
              <l>Und ein Wink des Ver&#x017F;o&#x0364;ners be&#x017F;chied der Seraphim einen.</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;er verließ mit Eile den Kreis, der um Golgatha gla&#x0364;nzte,</l><lb/>
              <l>Stand dann unten am Kreuze. Des go&#x0364;ttlichen Winkes Befehl war:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="29">
              <l>Seraph, bring du die&#x017F;en Erlo&#x0364;&#x017F;ten zu mir, wann er todt i&#x017F;t!</l><lb/>
              <l>Und er eilte zuru&#x0364;ck, und kam zum Krei&#x017F;e der Engel.</l><lb/>
              <l>Abdiel wars, der Unu&#x0364;berwundne. Die Pforte der Ho&#x0364;lle</l><lb/>
              <l>Hu&#x0364;tet itzo, auf Gottes Befehl, ein Engel des Todes.</l><lb/>
              <l>Schnell umgeben ihn Schaaren der andern Engel, und fragen;</l><lb/>
              <l>Abdiel &#x017F;prach: Mit Entzu&#x0364;ckung empfing ich die hohen Befehle,</l><lb/>
              <l>Jenen erlo&#x0364;&#x017F;ten Su&#x0364;nder nach &#x017F;einem Tode dem Mittler</l><lb/>
              <l>Zuzufu&#x0364;hren. Der &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Gedanke durch&#x017F;tro&#x0364;mt mich. Je mehr ich</l><lb/>
              <l>Jhn entfalte, je mehr werd ich von Seligkeit trunken.</l><lb/>
              <l>Einen geretteten Su&#x0364;nder, und &#x017F;elb&#x017F;t in den Stunden gerettet,</l><lb/>
              <l>Da das Opfer fu&#x0364;r das Ge&#x017F;chlecht der Sterblichen blutet,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die&#x017F;e</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0104] Der Meſſias. Und noch tiefer, zu mir! Zwar dieß erforſchet mein Geiſt nicht! Aber er hat mich von neuem erſchaffen. Jzt, da ich dem Tode Unterliege, da ſchuf er mich neu. So ſey dann auf ewig Angebetet von mir, ob ich dich gleich nicht begreife! Du biſt goͤttlich, und mehr, mehr, als der Erſte der Engel! Denn ein Engel konnte mich ſo von neuem nicht ſchaffen! Konnte meine Seele zu Gott ſo hoch nicht erheben! Goͤttlich, ja das biſt du, und dein, dein bin ich auf ewig! Alſo dacht’ er, und ſank in entzuͤcktes Staunen. Wohin er Blickt, vom Himmel herab, herauf von der liegenden Erde, Laͤchelt ihm alles. Auf ihn war Gottes Ruhe gekommen. Und ein Wink des Verſoͤners beſchied der Seraphim einen. Dieſer verließ mit Eile den Kreis, der um Golgatha glaͤnzte, Stand dann unten am Kreuze. Des goͤttlichen Winkes Befehl war: Seraph, bring du dieſen Erloͤſten zu mir, wann er todt iſt! Und er eilte zuruͤck, und kam zum Kreiſe der Engel. Abdiel wars, der Unuͤberwundne. Die Pforte der Hoͤlle Huͤtet itzo, auf Gottes Befehl, ein Engel des Todes. Schnell umgeben ihn Schaaren der andern Engel, und fragen; Abdiel ſprach: Mit Entzuͤckung empfing ich die hohen Befehle, Jenen erloͤſten Suͤnder nach ſeinem Tode dem Mittler Zuzufuͤhren. Der ſuͤſſe Gedanke durchſtroͤmt mich. Je mehr ich Jhn entfalte, je mehr werd ich von Seligkeit trunken. Einen geretteten Suͤnder, und ſelbſt in den Stunden gerettet, Da das Opfer fuͤr das Geſchlecht der Sterblichen blutet, Dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/104
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/104>, abgerufen am 05.05.2024.