[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Also verlor sich die Stimme des seliggepriesenen Seraphs. Uriel aber, der Engel der Sonne, hatte schon lange Fortzueilen bereit, auf seinen Gebirgen gestanden. Jtzo war sie gekommen die Zeit, den Befehl, so er hatte, Zu vollführen. Er machte sich auf, er allein durch die Himmel. Lichthell schwebt er empor, den Stern, zu welchem ihn Gott schickt, Vor die Sonne zu führen, damit dein Leben, Versöner, Unter fürchterlicheren Hüllen, als Hüllen der Nacht sind, Blute. Schon stand über dem Pole des Sterns der Seraph. Auf dem Sterne schweben die Seelen, eh die Geburt sie, Jn das grosse, doch sterbliche Leben der Prüfung, versendet. Uriel blickt' auf die Seelen der künftigen Menschengeschlechte Nieder, und nannte den Stern bey seinem unsterblichen Namen. Adamida, der dich in dieses Unendliche streute, Sieh, er gebeuts! erheb aus deinem Kreise dich seitwärts Gegen die Sonne! dann fleug, und werde der Sonne zur Hülle. Und die Himmlischen hörten umher die gebietende Stimme. Da sie in den Gebirgen des Adamida verhallt war, Wandt' herüberschauernd der Stern die donnernden Pole. Und die stehende Schöpfung erscholl, da, mit schreckendem Eilen Adamida, mit stürzenden Stürmen, mit rufenden Wolken, Fallenden Bergen, gethürmten Meeren, gesendet von Gott, flog! Uriel stand auf dem Pole des Sterns, und hörte den Stern nicht, So in Tiefsinn verloren betrachtet er Golgatha. Donnernd Eilte
Alſo verlor ſich die Stimme des ſeliggeprieſenen Seraphs. Uriel aber, der Engel der Sonne, hatte ſchon lange Fortzueilen bereit, auf ſeinen Gebirgen geſtanden. Jtzo war ſie gekommen die Zeit, den Befehl, ſo er hatte, Zu vollfuͤhren. Er machte ſich auf, er allein durch die Himmel. Lichthell ſchwebt er empor, den Stern, zu welchem ihn Gott ſchickt, Vor die Sonne zu fuͤhren, damit dein Leben, Verſoͤner, Unter fuͤrchterlicheren Huͤllen, als Huͤllen der Nacht ſind, Blute. Schon ſtand uͤber dem Pole des Sterns der Seraph. Auf dem Sterne ſchweben die Seelen, eh die Geburt ſie, Jn das groſſe, doch ſterbliche Leben der Pruͤfung, verſendet. Uriel blickt’ auf die Seelen der kuͤnftigen Menſchengeſchlechte Nieder, und nannte den Stern bey ſeinem unſterblichen Namen. Adamida, der dich in dieſes Unendliche ſtreute, Sieh, er gebeuts! erheb aus deinem Kreiſe dich ſeitwaͤrts Gegen die Sonne! dann fleug, und werde der Sonne zur Huͤlle. Und die Himmliſchen hoͤrten umher die gebietende Stimme. Da ſie in den Gebirgen des Adamida verhallt war, Wandt’ heruͤberſchauernd der Stern die donnernden Pole. Und die ſtehende Schoͤpfung erſcholl, da, mit ſchreckendem Eilen Adamida, mit ſtuͤrzenden Stuͤrmen, mit rufenden Wolken, Fallenden Bergen, gethuͤrmten Meeren, geſendet von Gott, flog! Uriel ſtand auf dem Pole des Sterns, und hoͤrte den Stern nicht, So in Tiefſinn verloren betrachtet er Golgatha. Donnernd Eilte
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="29"> <l> <pb facs="#f0105" n="79"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Achter Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Dieſe Seele, ſo rein nun, ſo hell im Blute gewaſchen,</l><lb/> <l>Dieſe dem Ewigen wiedergegebne, zu ihrem Verſoͤner</l><lb/> <l>Hinzufuͤhren. O ſegnet zu dieſer Wonne mich, Engel!</l> </lg><lb/> <lg n="30"> <l>Alſo verlor ſich die Stimme des ſeliggeprieſenen Seraphs.</l><lb/> <l>Uriel aber, der Engel der Sonne, hatte ſchon lange</l><lb/> <l>Fortzueilen bereit, auf ſeinen Gebirgen geſtanden.</l><lb/> <l>Jtzo war ſie gekommen die Zeit, den Befehl, ſo er hatte,</l><lb/> <l>Zu vollfuͤhren. Er machte ſich auf, er allein durch die Himmel.</l><lb/> <l>Lichthell ſchwebt er empor, den Stern, zu welchem ihn Gott ſchickt,</l><lb/> <l>Vor die Sonne zu fuͤhren, damit dein Leben, Verſoͤner,</l><lb/> <l>Unter fuͤrchterlicheren Huͤllen, als Huͤllen der Nacht ſind,</l><lb/> <l>Blute. Schon ſtand uͤber dem Pole des Sterns der Seraph.</l><lb/> <l>Auf dem Sterne ſchweben die Seelen, eh die Geburt ſie,</l><lb/> <l>Jn das groſſe, doch ſterbliche Leben der Pruͤfung, verſendet.</l><lb/> <l>Uriel blickt’ auf die Seelen der kuͤnftigen Menſchengeſchlechte</l><lb/> <l>Nieder, und nannte den Stern bey ſeinem unſterblichen Namen.</l> </lg><lb/> <lg n="31"> <l>Adamida, der dich in dieſes Unendliche ſtreute,</l><lb/> <l>Sieh, er gebeuts! erheb aus deinem Kreiſe dich ſeitwaͤrts</l><lb/> <l>Gegen die Sonne! dann fleug, und werde der Sonne zur Huͤlle.</l> </lg><lb/> <lg n="32"> <l>Und die Himmliſchen hoͤrten umher die gebietende Stimme.</l><lb/> <l>Da ſie in den Gebirgen des Adamida verhallt war,</l><lb/> <l>Wandt’ heruͤberſchauernd der Stern die donnernden Pole.</l><lb/> <l>Und die ſtehende Schoͤpfung erſcholl, da, mit ſchreckendem Eilen</l><lb/> <l>Adamida, mit ſtuͤrzenden Stuͤrmen, mit rufenden Wolken,</l><lb/> <l>Fallenden Bergen, gethuͤrmten Meeren, geſendet von Gott, flog!</l><lb/> <l>Uriel ſtand auf dem Pole des Sterns, und hoͤrte den Stern nicht,</l><lb/> <l>So in Tiefſinn verloren betrachtet er Golgatha. Donnernd<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Eilte</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0105]
Achter Geſang.
Dieſe Seele, ſo rein nun, ſo hell im Blute gewaſchen,
Dieſe dem Ewigen wiedergegebne, zu ihrem Verſoͤner
Hinzufuͤhren. O ſegnet zu dieſer Wonne mich, Engel!
Alſo verlor ſich die Stimme des ſeliggeprieſenen Seraphs.
Uriel aber, der Engel der Sonne, hatte ſchon lange
Fortzueilen bereit, auf ſeinen Gebirgen geſtanden.
Jtzo war ſie gekommen die Zeit, den Befehl, ſo er hatte,
Zu vollfuͤhren. Er machte ſich auf, er allein durch die Himmel.
Lichthell ſchwebt er empor, den Stern, zu welchem ihn Gott ſchickt,
Vor die Sonne zu fuͤhren, damit dein Leben, Verſoͤner,
Unter fuͤrchterlicheren Huͤllen, als Huͤllen der Nacht ſind,
Blute. Schon ſtand uͤber dem Pole des Sterns der Seraph.
Auf dem Sterne ſchweben die Seelen, eh die Geburt ſie,
Jn das groſſe, doch ſterbliche Leben der Pruͤfung, verſendet.
Uriel blickt’ auf die Seelen der kuͤnftigen Menſchengeſchlechte
Nieder, und nannte den Stern bey ſeinem unſterblichen Namen.
Adamida, der dich in dieſes Unendliche ſtreute,
Sieh, er gebeuts! erheb aus deinem Kreiſe dich ſeitwaͤrts
Gegen die Sonne! dann fleug, und werde der Sonne zur Huͤlle.
Und die Himmliſchen hoͤrten umher die gebietende Stimme.
Da ſie in den Gebirgen des Adamida verhallt war,
Wandt’ heruͤberſchauernd der Stern die donnernden Pole.
Und die ſtehende Schoͤpfung erſcholl, da, mit ſchreckendem Eilen
Adamida, mit ſtuͤrzenden Stuͤrmen, mit rufenden Wolken,
Fallenden Bergen, gethuͤrmten Meeren, geſendet von Gott, flog!
Uriel ſtand auf dem Pole des Sterns, und hoͤrte den Stern nicht,
So in Tiefſinn verloren betrachtet er Golgatha. Donnernd
Eilte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |