Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.

Daß er dem Himmel auf ewig den Gottgeopferten bilde!
Jsak sprach: Jch sah in deinem Antliz, o Vater,
Deine Gedanken von fern. Ach, unsre Kinder, sie tödten
Den, so für sie sich heiligt, ihn tödten sie! Ewiger Richter,
Du erbarmst dich noch ihrer, und trägst sie auf Adlersflügeln,
Wie du aus Aegypten sie trugst, zu ihrem Erretter!
Seligkeit gießt mir diese Betrachtung, Entzückungen gießt sie
Mir in die Seele! Noch Eine durchströmt mich mit heiligem Schauer.
Ach du weist es noch wohl, als du auf jenem Gebirge,
Heilig, auf immer heilig ist mir die Stäte des Opfers!
Als du dort zum Altare mich führtest. Dein freudiger Sohn ging
Neben dir her, und wollte mit dir dem Ewigen opfern!
Aber, da ich nunmehr auf dem Opferholze gebunden
Lag, und der heilige Brand bey mir aufflammte; mein Auge
Thränend gen Himmel hinaufsah; du mich das leztemal küßtest;
Dann dich wandtest, und nun den blinkenden Dolch, den Verderber,
Ueber deinem Geliebten emporhieltst: ... doch das Trauern
Dieser Stunde verschweig ich! Jahrhunderte Freuden bekrönen
Sie mit Seligkeit! Ach, dein Jsak wurde gewürdigt,
Gottes Opfer, das Opfer, das nun auf Golgatha blutet,
Vorzubilden! Entzückung, und sanfte Traurigkeit rinnen
Durch mein unsterbliches Leben! Er sprachs und Abrahams Stimme
Hauchte mit leisem Lispeln ihn an. So sprach sie zum Sohne:

Laß uns zu dem Geopferten beten! Dann knieten sie beyde
Dicht an einander. Ein Arm war um den andern geschlungen,
Jhre Hände, nach Golgatha hin, gefalten, und Abram
Betet':

Der Meſſias.

Daß er dem Himmel auf ewig den Gottgeopferten bilde!
Jſak ſprach: Jch ſah in deinem Antliz, o Vater,
Deine Gedanken von fern. Ach, unſre Kinder, ſie toͤdten
Den, ſo fuͤr ſie ſich heiligt, ihn toͤdten ſie! Ewiger Richter,
Du erbarmſt dich noch ihrer, und traͤgſt ſie auf Adlersfluͤgeln,
Wie du aus Aegypten ſie trugſt, zu ihrem Erretter!
Seligkeit gießt mir dieſe Betrachtung, Entzuͤckungen gießt ſie
Mir in die Seele! Noch Eine durchſtroͤmt mich mit heiligem Schauer.
Ach du weiſt es noch wohl, als du auf jenem Gebirge,
Heilig, auf immer heilig iſt mir die Staͤte des Opfers!
Als du dort zum Altare mich fuͤhrteſt. Dein freudiger Sohn ging
Neben dir her, und wollte mit dir dem Ewigen opfern!
Aber, da ich nunmehr auf dem Opferholze gebunden
Lag, und der heilige Brand bey mir aufflammte; mein Auge
Thraͤnend gen Himmel hinaufſah; du mich das leztemal kuͤßteſt;
Dann dich wandteſt, und nun den blinkenden Dolch, den Verderber,
Ueber deinem Geliebten emporhieltſt: … doch das Trauern
Dieſer Stunde verſchweig ich! Jahrhunderte Freuden bekroͤnen
Sie mit Seligkeit! Ach, dein Jſak wurde gewuͤrdigt,
Gottes Opfer, das Opfer, das nun auf Golgatha blutet,
Vorzubilden! Entzuͤckung, und ſanfte Traurigkeit rinnen
Durch mein unſterbliches Leben! Er ſprachs und Abrahams Stimme
Hauchte mit leiſem Liſpeln ihn an. So ſprach ſie zum Sohne:

Laß uns zu dem Geopferten beten! Dann knieten ſie beyde
Dicht an einander. Ein Arm war um den andern geſchlungen,
Jhre Haͤnde, nach Golgatha hin, gefalten, und Abram
Betet’:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="18">
              <l>
                <pb facs="#f0130" n="102"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Daß er dem Himmel auf ewig den Gottgeopferten bilde!</l><lb/>
              <l>J&#x017F;ak &#x017F;prach: Jch &#x017F;ah in deinem Antliz, o Vater,</l><lb/>
              <l>Deine Gedanken von fern. Ach, un&#x017F;re Kinder, &#x017F;ie to&#x0364;dten</l><lb/>
              <l>Den, &#x017F;o fu&#x0364;r &#x017F;ie &#x017F;ich heiligt, ihn to&#x0364;dten &#x017F;ie! Ewiger Richter,</l><lb/>
              <l>Du erbarm&#x017F;t dich noch ihrer, und tra&#x0364;g&#x017F;t &#x017F;ie auf Adlersflu&#x0364;geln,</l><lb/>
              <l>Wie du aus Aegypten &#x017F;ie trug&#x017F;t, zu ihrem Erretter!</l><lb/>
              <l>Seligkeit gießt mir die&#x017F;e Betrachtung, Entzu&#x0364;ckungen gießt &#x017F;ie</l><lb/>
              <l>Mir in die Seele! Noch Eine durch&#x017F;tro&#x0364;mt mich mit heiligem Schauer.</l><lb/>
              <l>Ach du wei&#x017F;t es noch wohl, als du auf jenem Gebirge,</l><lb/>
              <l>Heilig, auf immer heilig i&#x017F;t mir die Sta&#x0364;te des Opfers!</l><lb/>
              <l>Als du dort zum Altare mich fu&#x0364;hrte&#x017F;t. Dein freudiger Sohn ging</l><lb/>
              <l>Neben dir her, und wollte mit dir dem Ewigen opfern!</l><lb/>
              <l>Aber, da ich nunmehr auf dem Opferholze gebunden</l><lb/>
              <l>Lag, und der heilige Brand bey mir aufflammte; mein Auge</l><lb/>
              <l>Thra&#x0364;nend gen Himmel hinauf&#x017F;ah; du mich das leztemal ku&#x0364;ßte&#x017F;t;</l><lb/>
              <l>Dann dich wandte&#x017F;t, und nun den blinkenden Dolch, den Verderber,</l><lb/>
              <l>Ueber deinem Geliebten emporhielt&#x017F;t: &#x2026; doch das Trauern</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;er Stunde ver&#x017F;chweig ich! Jahrhunderte Freuden bekro&#x0364;nen</l><lb/>
              <l>Sie mit Seligkeit! Ach, dein J&#x017F;ak wurde gewu&#x0364;rdigt,</l><lb/>
              <l>Gottes Opfer, das Opfer, das nun auf Golgatha blutet,</l><lb/>
              <l>Vorzubilden! Entzu&#x0364;ckung, und &#x017F;anfte Traurigkeit rinnen</l><lb/>
              <l>Durch mein un&#x017F;terbliches Leben! Er &#x017F;prachs und Abrahams Stimme</l><lb/>
              <l>Hauchte mit lei&#x017F;em Li&#x017F;peln ihn an. So &#x017F;prach &#x017F;ie zum Sohne:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="19">
              <l>Laß uns zu dem Geopferten beten! Dann knieten &#x017F;ie beyde</l><lb/>
              <l>Dicht an einander. Ein Arm war um den andern ge&#x017F;chlungen,</l><lb/>
              <l>Jhre Ha&#x0364;nde, nach Golgatha hin, gefalten, und Abram<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Betet&#x2019;:</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0130] Der Meſſias. Daß er dem Himmel auf ewig den Gottgeopferten bilde! Jſak ſprach: Jch ſah in deinem Antliz, o Vater, Deine Gedanken von fern. Ach, unſre Kinder, ſie toͤdten Den, ſo fuͤr ſie ſich heiligt, ihn toͤdten ſie! Ewiger Richter, Du erbarmſt dich noch ihrer, und traͤgſt ſie auf Adlersfluͤgeln, Wie du aus Aegypten ſie trugſt, zu ihrem Erretter! Seligkeit gießt mir dieſe Betrachtung, Entzuͤckungen gießt ſie Mir in die Seele! Noch Eine durchſtroͤmt mich mit heiligem Schauer. Ach du weiſt es noch wohl, als du auf jenem Gebirge, Heilig, auf immer heilig iſt mir die Staͤte des Opfers! Als du dort zum Altare mich fuͤhrteſt. Dein freudiger Sohn ging Neben dir her, und wollte mit dir dem Ewigen opfern! Aber, da ich nunmehr auf dem Opferholze gebunden Lag, und der heilige Brand bey mir aufflammte; mein Auge Thraͤnend gen Himmel hinaufſah; du mich das leztemal kuͤßteſt; Dann dich wandteſt, und nun den blinkenden Dolch, den Verderber, Ueber deinem Geliebten emporhieltſt: … doch das Trauern Dieſer Stunde verſchweig ich! Jahrhunderte Freuden bekroͤnen Sie mit Seligkeit! Ach, dein Jſak wurde gewuͤrdigt, Gottes Opfer, das Opfer, das nun auf Golgatha blutet, Vorzubilden! Entzuͤckung, und ſanfte Traurigkeit rinnen Durch mein unſterbliches Leben! Er ſprachs und Abrahams Stimme Hauchte mit leiſem Liſpeln ihn an. So ſprach ſie zum Sohne: Laß uns zu dem Geopferten beten! Dann knieten ſie beyde Dicht an einander. Ein Arm war um den andern geſchlungen, Jhre Haͤnde, nach Golgatha hin, gefalten, und Abram Betet’:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/130
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/130>, abgerufen am 27.11.2024.