[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.Der Messias. Jmmer empfind ich es mehr, daß er des Unendlichen Sohn ist! Denn, wie die Sonnen des Sternengefilds, von welchem wir kommen, So unzählbar, so mächtig, doch mit viel milderem Einfluß, Strahlen aus seinem Gesicht die unerforschten Gedanken! Aber er ist noch anders, als unsre Freunde, die Engel, Ach, er ist wie die Menschen, die ihn umgeben, gestaltet! Doch die gleichen ihm auch an Gestalt nur. Jn ihrem Gesicht ist So was Trübes, und Niedriges! etwas wider den Schöpfer! Ach, wer müssen sie seyn, die Menschen? Wir sollen zu Menschen Kommen, wie sie, in Leiber, die sterben müssen, gekleidet, Wenige Zeit so leben, dann näher zum Ewigen kommen! Sind noch andre Menschen, zu denen der Schöpfer uns sendet? Oder sind diese die Kinder von Adam? Wenn diese von Adam Stammen, so sind sie auch unsre zukünftigen Brüder. Doch scheint mir Dieß die Erde nicht, welch ich, als Adam geschaffen war, sahe. Denn die war viel herrlicher! ... Was du, o Vater, beschlossest, Vater der Engel und Menschen, dein göttlicher Wille geschehe! Und dein Wille, du Sohn des Vaters! ... Von allem, was schwer ist Zu ergründen, ist mir am schwersten zu fassen: Du leidest, Gottes Sohn! ... Da, wo du erhaben über dem Hügel, Hingeheftet hängst, da scheint ein endliches Leben Dir aus deinem Leibe zu quellen; du selbst zu empfinden, Daß es dahinquillt. Und ihr, o Engel, die ehmals die Fragen, Welch ich euch that, auflöstet, verstummt der Fragenden itzo! Doch das fühl ich in mir, daß dieß wegströmende Leben, Dieß Hinsinken des Leibs, der dich, du Göttlicher! einhüllt, Nah mich angeht, näher vielleicht, als die Seraphim, angeht! Unaus-
Der Meſſias. Jmmer empfind ich es mehr, daß er des Unendlichen Sohn iſt! Denn, wie die Sonnen des Sternengefilds, von welchem wir kommen, So unzaͤhlbar, ſo maͤchtig, doch mit viel milderem Einfluß, Strahlen aus ſeinem Geſicht die unerforſchten Gedanken! Aber er iſt noch anders, als unſre Freunde, die Engel, Ach, er iſt wie die Menſchen, die ihn umgeben, geſtaltet! Doch die gleichen ihm auch an Geſtalt nur. Jn ihrem Geſicht iſt So was Truͤbes, und Niedriges! etwas wider den Schoͤpfer! Ach, wer muͤſſen ſie ſeyn, die Menſchen? Wir ſollen zu Menſchen Kommen, wie ſie, in Leiber, die ſterben muͤſſen, gekleidet, Wenige Zeit ſo leben, dann naͤher zum Ewigen kommen! Sind noch andre Menſchen, zu denen der Schoͤpfer uns ſendet? Oder ſind dieſe die Kinder von Adam? Wenn dieſe von Adam Stammen, ſo ſind ſie auch unſre zukuͤnftigen Bruͤder. Doch ſcheint mir Dieß die Erde nicht, welch ich, als Adam geſchaffen war, ſahe. Denn die war viel herrlicher! … Was du, o Vater, beſchloſſeſt, Vater der Engel und Menſchen, dein goͤttlicher Wille geſchehe! Und dein Wille, du Sohn des Vaters! … Von allem, was ſchwer iſt Zu ergruͤnden, iſt mir am ſchwerſten zu faſſen: Du leideſt, Gottes Sohn! … Da, wo du erhaben uͤber dem Huͤgel, Hingeheftet haͤngſt, da ſcheint ein endliches Leben Dir aus deinem Leibe zu quellen; du ſelbſt zu empfinden, Daß es dahinquillt. Und ihr, o Engel, die ehmals die Fragen, Welch ich euch that, aufloͤſtet, verſtummt der Fragenden itzo! Doch das fuͤhl ich in mir, daß dieß wegſtroͤmende Leben, Dieß Hinſinken des Leibs, der dich, du Goͤttlicher! einhuͤllt, Nah mich angeht, naͤher vielleicht, als die Seraphim, angeht! Unaus-
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Der Meſſias.
Jmmer empfind ich es mehr, daß er des Unendlichen Sohn iſt!
Denn, wie die Sonnen des Sternengefilds, von welchem wir kommen,
So unzaͤhlbar, ſo maͤchtig, doch mit viel milderem Einfluß,
Strahlen aus ſeinem Geſicht die unerforſchten Gedanken!
Aber er iſt noch anders, als unſre Freunde, die Engel,
Ach, er iſt wie die Menſchen, die ihn umgeben, geſtaltet!
Doch die gleichen ihm auch an Geſtalt nur. Jn ihrem Geſicht iſt
So was Truͤbes, und Niedriges! etwas wider den Schoͤpfer!
Ach, wer muͤſſen ſie ſeyn, die Menſchen? Wir ſollen zu Menſchen
Kommen, wie ſie, in Leiber, die ſterben muͤſſen, gekleidet,
Wenige Zeit ſo leben, dann naͤher zum Ewigen kommen!
Sind noch andre Menſchen, zu denen der Schoͤpfer uns ſendet?
Oder ſind dieſe die Kinder von Adam? Wenn dieſe von Adam
Stammen, ſo ſind ſie auch unſre zukuͤnftigen Bruͤder. Doch ſcheint mir
Dieß die Erde nicht, welch ich, als Adam geſchaffen war, ſahe.
Denn die war viel herrlicher! … Was du, o Vater, beſchloſſeſt,
Vater der Engel und Menſchen, dein goͤttlicher Wille geſchehe!
Und dein Wille, du Sohn des Vaters! … Von allem, was ſchwer iſt
Zu ergruͤnden, iſt mir am ſchwerſten zu faſſen: Du leideſt,
Gottes Sohn! … Da, wo du erhaben uͤber dem Huͤgel,
Hingeheftet haͤngſt, da ſcheint ein endliches Leben
Dir aus deinem Leibe zu quellen; du ſelbſt zu empfinden,
Daß es dahinquillt. Und ihr, o Engel, die ehmals die Fragen,
Welch ich euch that, aufloͤſtet, verſtummt der Fragenden itzo!
Doch das fuͤhl ich in mir, daß dieß wegſtroͤmende Leben,
Dieß Hinſinken des Leibs, der dich, du Goͤttlicher! einhuͤllt,
Nah mich angeht, naͤher vielleicht, als die Seraphim, angeht!
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