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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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Zehnter Gesang.
Also strebten sie, sich der Wehmut Gefühl zu entreissen.
Mirjams, und deine Wehmut, Debora, wurden nach langem,
Traurenden Schweigen, zum sanften, zum weinenden Liede voll Klage.
Denn der Unsterblichen Stimme zerfließt von sich selbst in Gesänge,
Wenn sie Empfindungen sagt, wie Debora und Mirjam sie fühlten.
Die auf Ephraims Berge nach ihrem Namen den Palmbaum
Nannt', und Amrams Tochter, so sangen sie gegen einander:
Schönster, unter den Menschen! Er war der Schönste der Menschen;
Aber entstellt, entstellt hat dich, der blutige Tod, dich!
Zwar es weint mein Herz, und trübes Trauren umringt mich;
Aber er ist der Schönste, vor allen Erschaffnen der Schönste!
Schöner, als alle Söhne des Lichts, wenn sie strahlend vor Andacht,
Beten zu dem Unendlichen, schöner in seinem Blute!
Trauert, Cedern! Auf Libanon stand sie, ein Schatten des Müden,
Aber sie ist zum Kreuze gehaun, die seufzende Ceder!
Trauert, Blumen im Thal! Er stand am silbernen Bache;
Aber er ist, um des Göttlichen Haupt, zur Krone gewunden!
Unermüdet faltet' er seine Hände zum Vater,
Für die Sünder, zum Heiligen! Unermüdet betraten
Seine Füsse der Leidenden Hütte! Nun sind sie durchgraben,
Seine Händ', und Füsse, mit eisernen Wunden, durchgraben!
Seine göttliche Stirn, die er hier am Berg in den Staub hin
Niederbückte, von der schon, Schweiß mit Blute gemischt, rann!
Ach wie hat sie die Krone, die blutvolle Krone, durchgraben!
Seiner Mutter Seele durchdringt ein Schwert! ... Ach erbarme
Deiner Mutter dich, Sohn! und erquicke sie, daß sie nicht sterbe!
Wär
Zehnter Geſang.
Alſo ſtrebten ſie, ſich der Wehmut Gefuͤhl zu entreiſſen.
Mirjams, und deine Wehmut, Debora, wurden nach langem,
Traurenden Schweigen, zum ſanften, zum weinenden Liede voll Klage.
Denn der Unſterblichen Stimme zerfließt von ſich ſelbſt in Geſaͤnge,
Wenn ſie Empfindungen ſagt, wie Debora und Mirjam ſie fuͤhlten.
Die auf Ephraims Berge nach ihrem Namen den Palmbaum
Nannt’, und Amrams Tochter, ſo ſangen ſie gegen einander:
Schoͤnſter, unter den Menſchen! Er war der Schoͤnſte der Menſchen;
Aber entſtellt, entſtellt hat dich, der blutige Tod, dich!
Zwar es weint mein Herz, und truͤbes Trauren umringt mich;
Aber er iſt der Schoͤnſte, vor allen Erſchaffnen der Schoͤnſte!
Schoͤner, als alle Soͤhne des Lichts, wenn ſie ſtrahlend vor Andacht,
Beten zu dem Unendlichen, ſchoͤner in ſeinem Blute!
Trauert, Cedern! Auf Libanon ſtand ſie, ein Schatten des Muͤden,
Aber ſie iſt zum Kreuze gehaun, die ſeufzende Ceder!
Trauert, Blumen im Thal! Er ſtand am ſilbernen Bache;
Aber er iſt, um des Goͤttlichen Haupt, zur Krone gewunden!
Unermuͤdet faltet’ er ſeine Haͤnde zum Vater,
Fuͤr die Suͤnder, zum Heiligen! Unermuͤdet betraten
Seine Fuͤſſe der Leidenden Huͤtte! Nun ſind ſie durchgraben,
Seine Haͤnd’, und Fuͤſſe, mit eiſernen Wunden, durchgraben!
Seine goͤttliche Stirn, die er hier am Berg in den Staub hin
Niederbuͤckte, von der ſchon, Schweiß mit Blute gemiſcht, rann!
Ach wie hat ſie die Krone, die blutvolle Krone, durchgraben!
Seiner Mutter Seele durchdringt ein Schwert! … Ach erbarme
Deiner Mutter dich, Sohn! und erquicke ſie, daß ſie nicht ſterbe!
Waͤr
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[141/0171] Zehnter Geſang. Alſo ſtrebten ſie, ſich der Wehmut Gefuͤhl zu entreiſſen. Mirjams, und deine Wehmut, Debora, wurden nach langem, Traurenden Schweigen, zum ſanften, zum weinenden Liede voll Klage. Denn der Unſterblichen Stimme zerfließt von ſich ſelbſt in Geſaͤnge, Wenn ſie Empfindungen ſagt, wie Debora und Mirjam ſie fuͤhlten. Die auf Ephraims Berge nach ihrem Namen den Palmbaum Nannt’, und Amrams Tochter, ſo ſangen ſie gegen einander: Schoͤnſter, unter den Menſchen! Er war der Schoͤnſte der Menſchen; Aber entſtellt, entſtellt hat dich, der blutige Tod, dich! Zwar es weint mein Herz, und truͤbes Trauren umringt mich; Aber er iſt der Schoͤnſte, vor allen Erſchaffnen der Schoͤnſte! Schoͤner, als alle Soͤhne des Lichts, wenn ſie ſtrahlend vor Andacht, Beten zu dem Unendlichen, ſchoͤner in ſeinem Blute! Trauert, Cedern! Auf Libanon ſtand ſie, ein Schatten des Muͤden, Aber ſie iſt zum Kreuze gehaun, die ſeufzende Ceder! Trauert, Blumen im Thal! Er ſtand am ſilbernen Bache; Aber er iſt, um des Goͤttlichen Haupt, zur Krone gewunden! Unermuͤdet faltet’ er ſeine Haͤnde zum Vater, Fuͤr die Suͤnder, zum Heiligen! Unermuͤdet betraten Seine Fuͤſſe der Leidenden Huͤtte! Nun ſind ſie durchgraben, Seine Haͤnd’, und Fuͤſſe, mit eiſernen Wunden, durchgraben! Seine goͤttliche Stirn, die er hier am Berg in den Staub hin Niederbuͤckte, von der ſchon, Schweiß mit Blute gemiſcht, rann! Ach wie hat ſie die Krone, die blutvolle Krone, durchgraben! Seiner Mutter Seele durchdringt ein Schwert! … Ach erbarme Deiner Mutter dich, Sohn! und erquicke ſie, daß ſie nicht ſterbe! Waͤr

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/171>, abgerufen am 24.11.2024.