Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechster Gesang.

Du Verruchter! und ihn leer, leer der lezten Erbarmung!
Ohne Gnaden! ohn' Eine von dem, der schuf, und Gericht hält!
Wenn dann um dich die Mitternacht liegt, die Stunde des Todes
Durch die Mitternacht wandelt, und dir mit dem Heulen Gomorra
Furchtbar ruft, der Tod den grossen Schlag izt gethan hat,
Und dein Geist nun röchelnd entflieht; dann sollst du mein Antliz,
Dort bescheid ich dich hin, im Thale Benhinnon, erblicken!
Also droht ihm der Todesengel, und zog auf der Stirne
Zorn, wie Wolken zusammen. Vom hohen, treffenden Auge
Strömt' er Rache. Da fiel sein Haupthaar, in Locken der Nacht gleich,
Auf die Schultern, da stand sein Fuß, wie ein thürmender Fels da!
Aber noch schlug der Verderber ihn nicht. Er ließ nur die Stimme
Seiner Schrecken um sich, und ihren Todeston, rauschen.
Philo empfand des Unsterblichen Schrecken, wie Menschen empfinden,
Was Unsterbliche thun. Er fühlt es im mächtigen Angrif
Schauervoller und schneller, als iemals ein Mensch es gefühlt hat.
Denn es war ein Schrecken von Gott. Noch entsank ihm das Leben,
Und noch zittert er laut. Doch was er noch athmete, waren
Flüche wider sich selbst, daß ihn ein Schauer so täuschte.
Jzt kam er zu sich selber. Doch trafen die Schreknisse Gottes
Noch sein Gebein, und bebten ihm noch im innersten Marke.
Und wie ein Wurm, der unter des Wandrers Fusse sich windet,
Krümmt er sich auf, und sprach: Was ich mit Schweigen bedekte,
(Denn ich entsezte mich sehr vor des Sünders Verbrechen,) das alles

Wird der Ausgang enthüllen. Beschleunige du ihn, und richte,
Hoherpriester! Er sprachs, und starrt', und konnte nicht zürnen.

Aber

Sechſter Geſang.

Du Verruchter! und ihn leer, leer der lezten Erbarmung!
Ohne Gnaden! ohn’ Eine von dem, der ſchuf, und Gericht haͤlt!
Wenn dann um dich die Mitternacht liegt, die Stunde des Todes
Durch die Mitternacht wandelt, und dir mit dem Heulen Gomorra
Furchtbar ruft, der Tod den groſſen Schlag izt gethan hat,
Und dein Geiſt nun roͤchelnd entflieht; dann ſollſt du mein Antliz,
Dort beſcheid ich dich hin, im Thale Benhinnon, erblicken!
Alſo droht ihm der Todesengel, und zog auf der Stirne
Zorn, wie Wolken zuſammen. Vom hohen, treffenden Auge
Stroͤmt’ er Rache. Da fiel ſein Haupthaar, in Locken der Nacht gleich,
Auf die Schultern, da ſtand ſein Fuß, wie ein thuͤrmender Fels da!
Aber noch ſchlug der Verderber ihn nicht. Er ließ nur die Stimme
Seiner Schrecken um ſich, und ihren Todeston, rauſchen.
Philo empfand des Unſterblichen Schrecken, wie Menſchen empfinden,
Was Unſterbliche thun. Er fuͤhlt es im maͤchtigen Angrif
Schauervoller und ſchneller, als iemals ein Menſch es gefuͤhlt hat.
Denn es war ein Schrecken von Gott. Noch entſank ihm das Leben,
Und noch zittert er laut. Doch was er noch athmete, waren
Fluͤche wider ſich ſelbſt, daß ihn ein Schauer ſo taͤuſchte.
Jzt kam er zu ſich ſelber. Doch trafen die Schrekniſſe Gottes
Noch ſein Gebein, und bebten ihm noch im innerſten Marke.
Und wie ein Wurm, der unter des Wandrers Fuſſe ſich windet,
Kruͤmmt er ſich auf, und ſprach: Was ich mit Schweigen bedekte,
(Denn ich entſezte mich ſehr vor des Suͤnders Verbrechen,) das alles

Wird der Ausgang enthuͤllen. Beſchleunige du ihn, und richte,
Hoherprieſter! Er ſprachs, und ſtarrt’, und konnte nicht zuͤrnen.

Aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="18">
              <l>
                <pb facs="#f0037" n="15"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Sech&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Du Verruchter! und ihn leer, leer der lezten Erbarmung!</l><lb/>
              <l>Ohne Gnaden! ohn&#x2019; Eine von dem, der &#x017F;chuf, und Gericht ha&#x0364;lt!</l><lb/>
              <l>Wenn dann um dich die Mitternacht liegt, die Stunde des Todes</l><lb/>
              <l>Durch die Mitternacht wandelt, und dir mit dem Heulen Gomorra</l><lb/>
              <l>Furchtbar ruft, der Tod den gro&#x017F;&#x017F;en Schlag izt gethan hat,</l><lb/>
              <l>Und dein Gei&#x017F;t nun ro&#x0364;chelnd entflieht; dann &#x017F;oll&#x017F;t du mein Antliz,</l><lb/>
              <l>Dort be&#x017F;cheid ich dich hin, im Thale Benhinnon, erblicken!</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o droht ihm der Todesengel, und zog auf der Stirne</l><lb/>
              <l>Zorn, wie Wolken zu&#x017F;ammen. Vom hohen, treffenden Auge</l><lb/>
              <l>Stro&#x0364;mt&#x2019; er Rache. Da fiel &#x017F;ein Haupthaar, in Locken der Nacht gleich,</l><lb/>
              <l>Auf die Schultern, da &#x017F;tand &#x017F;ein Fuß, wie ein thu&#x0364;rmender Fels da!</l><lb/>
              <l>Aber noch &#x017F;chlug der Verderber ihn nicht. Er ließ nur die Stimme</l><lb/>
              <l>Seiner Schrecken um &#x017F;ich, und ihren Todeston, rau&#x017F;chen.</l><lb/>
              <l>Philo empfand des Un&#x017F;terblichen Schrecken, wie Men&#x017F;chen empfinden,</l><lb/>
              <l>Was Un&#x017F;terbliche thun. Er fu&#x0364;hlt es im ma&#x0364;chtigen Angrif</l><lb/>
              <l>Schauervoller und &#x017F;chneller, als iemals ein Men&#x017F;ch es gefu&#x0364;hlt hat.</l><lb/>
              <l>Denn es war ein Schrecken von Gott. Noch ent&#x017F;ank ihm das Leben,</l><lb/>
              <l>Und noch zittert er laut. Doch was er noch athmete, waren</l><lb/>
              <l>Flu&#x0364;che wider &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, daß ihn ein Schauer &#x017F;o ta&#x0364;u&#x017F;chte.</l><lb/>
              <l>Jzt kam er zu &#x017F;ich &#x017F;elber. Doch trafen die Schrekni&#x017F;&#x017F;e Gottes</l><lb/>
              <l>Noch &#x017F;ein Gebein, und bebten ihm noch im inner&#x017F;ten Marke.</l><lb/>
              <l>Und wie ein Wurm, der unter des Wandrers Fu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich windet,</l><lb/>
              <l>Kru&#x0364;mmt er &#x017F;ich auf, und &#x017F;prach: Was ich mit Schweigen bedekte,<lb/>
(Denn ich ent&#x017F;ezte mich &#x017F;ehr vor des Su&#x0364;nders Verbrechen,) das alles</l><lb/>
              <l>Wird der Ausgang enthu&#x0364;llen. Be&#x017F;chleunige du ihn, und richte,</l><lb/>
              <l>Hoherprie&#x017F;ter! Er &#x017F;prachs, und &#x017F;tarrt&#x2019;, und konnte nicht zu&#x0364;rnen.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Aber</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0037] Sechſter Geſang. Du Verruchter! und ihn leer, leer der lezten Erbarmung! Ohne Gnaden! ohn’ Eine von dem, der ſchuf, und Gericht haͤlt! Wenn dann um dich die Mitternacht liegt, die Stunde des Todes Durch die Mitternacht wandelt, und dir mit dem Heulen Gomorra Furchtbar ruft, der Tod den groſſen Schlag izt gethan hat, Und dein Geiſt nun roͤchelnd entflieht; dann ſollſt du mein Antliz, Dort beſcheid ich dich hin, im Thale Benhinnon, erblicken! Alſo droht ihm der Todesengel, und zog auf der Stirne Zorn, wie Wolken zuſammen. Vom hohen, treffenden Auge Stroͤmt’ er Rache. Da fiel ſein Haupthaar, in Locken der Nacht gleich, Auf die Schultern, da ſtand ſein Fuß, wie ein thuͤrmender Fels da! Aber noch ſchlug der Verderber ihn nicht. Er ließ nur die Stimme Seiner Schrecken um ſich, und ihren Todeston, rauſchen. Philo empfand des Unſterblichen Schrecken, wie Menſchen empfinden, Was Unſterbliche thun. Er fuͤhlt es im maͤchtigen Angrif Schauervoller und ſchneller, als iemals ein Menſch es gefuͤhlt hat. Denn es war ein Schrecken von Gott. Noch entſank ihm das Leben, Und noch zittert er laut. Doch was er noch athmete, waren Fluͤche wider ſich ſelbſt, daß ihn ein Schauer ſo taͤuſchte. Jzt kam er zu ſich ſelber. Doch trafen die Schrekniſſe Gottes Noch ſein Gebein, und bebten ihm noch im innerſten Marke. Und wie ein Wurm, der unter des Wandrers Fuſſe ſich windet, Kruͤmmt er ſich auf, und ſprach: Was ich mit Schweigen bedekte, (Denn ich entſezte mich ſehr vor des Suͤnders Verbrechen,) das alles Wird der Ausgang enthuͤllen. Beſchleunige du ihn, und richte, Hoherprieſter! Er ſprachs, und ſtarrt’, und konnte nicht zuͤrnen. Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/37
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/37>, abgerufen am 03.12.2024.