Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.

Hatte Philo, mit Schmähsucht, und erdekriechender Bosheit,
Jhre schon kleinen beweglichen Herzen erfüllt. Mit entflammtem
Wilden Blick, sah einer der Männer seitwärts, und sagte:

Wie er den Tempel entweiht, das wissen wir alle. Doch hat er
Nie so sehr ihn entheiligt, als damals, da er der Opfer
Fromme Verkäufer vertrieb. Wir waren versammelt, zu beten.
Aber er trieb mit Grimme der Opferthiere Verkäufer
Aus den geweihten Hallen. Gewiß, er ehret den Gott nicht,
Dem wir die Opfer zu heiligen kamen; er hätte die Opfer
Sonst nicht verdrungen, noch diesen Raub am Tempel begangen!
Also zeugt er. Nach ihm erschien ein andrer, erklärte
Jesu göttlichen Eifer mit gleichem Unsinn: O damals
Wollt er den Tempel nehmen, von dort auf Jerusalem fallen!
Aber sein Anhang, der ihn wohl in der Wüste zum König
Ausrief, blieb ihm doch hier nicht getreu. Er muste zurückfliehn.
Drauf erhub ein Levit sich, und that, als könnt' er verachten,
Zeugte: Hat er nicht Gott gelästert, indem er voll Stolzes
Wähnt, er könne die Sünde vergeben? Am Sabbat erlaubt er,
Aehren zu lesen! Belebt am Sabbat verdorrende Hände!
Und doch wähnt der Verbrecher, er könne die Sünde vergeben!
Jtzo redte der Vierte. Das wilde Lachen des Hohns stieg
Jhm in die Minen empor, und tönt' in des Redenden Stimme.
Also sagt' er: Jch muß zwar zeugen; doch braucht ihr, o Väter,
Zeugnisse wider den Mann, so von Unternehmungen schwindelt,
Die auf solchen Träumen erbaut sind! Er hat es geredet,
Und das Volk, das ihm gleicht, vernahms mit starrendem Auge:
Brecht den Tempel; drey Tage, so hebt sich ein neuer vom Staube
Wieder

Der Meſſias.

Hatte Philo, mit Schmaͤhſucht, und erdekriechender Bosheit,
Jhre ſchon kleinen beweglichen Herzen erfuͤllt. Mit entflammtem
Wilden Blick, ſah einer der Maͤnner ſeitwaͤrts, und ſagte:

Wie er den Tempel entweiht, das wiſſen wir alle. Doch hat er
Nie ſo ſehr ihn entheiligt, als damals, da er der Opfer
Fromme Verkaͤufer vertrieb. Wir waren verſammelt, zu beten.
Aber er trieb mit Grimme der Opferthiere Verkaͤufer
Aus den geweihten Hallen. Gewiß, er ehret den Gott nicht,
Dem wir die Opfer zu heiligen kamen; er haͤtte die Opfer
Sonſt nicht verdrungen, noch dieſen Raub am Tempel begangen!
Alſo zeugt er. Nach ihm erſchien ein andrer, erklaͤrte
Jeſu goͤttlichen Eifer mit gleichem Unſinn: O damals
Wollt er den Tempel nehmen, von dort auf Jeruſalem fallen!
Aber ſein Anhang, der ihn wohl in der Wuͤſte zum Koͤnig
Ausrief, blieb ihm doch hier nicht getreu. Er muſte zuruͤckfliehn.
Drauf erhub ein Levit ſich, und that, als koͤnnt’ er verachten,
Zeugte: Hat er nicht Gott gelaͤſtert, indem er voll Stolzes
Waͤhnt, er koͤnne die Suͤnde vergeben? Am Sabbat erlaubt er,
Aehren zu leſen! Belebt am Sabbat verdorrende Haͤnde!
Und doch waͤhnt der Verbrecher, er koͤnne die Suͤnde vergeben!
Jtzo redte der Vierte. Das wilde Lachen des Hohns ſtieg
Jhm in die Minen empor, und toͤnt’ in des Redenden Stimme.
Alſo ſagt’ er: Jch muß zwar zeugen; doch braucht ihr, o Vaͤter,
Zeugniſſe wider den Mann, ſo von Unternehmungen ſchwindelt,
Die auf ſolchen Traͤumen erbaut ſind! Er hat es geredet,
Und das Volk, das ihm gleicht, vernahms mit ſtarrendem Auge:
Brecht den Tempel; drey Tage, ſo hebt ſich ein neuer vom Staube
Wieder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="21">
              <l>
                <pb facs="#f0040" n="18"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Hatte Philo, mit Schma&#x0364;h&#x017F;ucht, und erdekriechender Bosheit,</l><lb/>
              <l>Jhre &#x017F;chon kleinen beweglichen Herzen erfu&#x0364;llt. Mit entflammtem</l><lb/>
              <l>Wilden Blick, &#x017F;ah einer der Ma&#x0364;nner &#x017F;eitwa&#x0364;rts, und &#x017F;agte:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="22">
              <l>Wie er den Tempel entweiht, das wi&#x017F;&#x017F;en wir alle. Doch hat er</l><lb/>
              <l>Nie &#x017F;o &#x017F;ehr ihn entheiligt, als damals, da er der Opfer</l><lb/>
              <l>Fromme Verka&#x0364;ufer vertrieb. Wir waren ver&#x017F;ammelt, zu beten.</l><lb/>
              <l>Aber er trieb mit Grimme der Opferthiere Verka&#x0364;ufer</l><lb/>
              <l>Aus den geweihten Hallen. Gewiß, er ehret den Gott nicht,</l><lb/>
              <l>Dem wir die Opfer zu heiligen kamen; er ha&#x0364;tte die Opfer</l><lb/>
              <l>Son&#x017F;t nicht verdrungen, noch die&#x017F;en Raub am Tempel begangen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="23">
              <l>Al&#x017F;o zeugt er. Nach ihm er&#x017F;chien ein andrer, erkla&#x0364;rte</l><lb/>
              <l>Je&#x017F;u go&#x0364;ttlichen Eifer mit gleichem Un&#x017F;inn: O damals</l><lb/>
              <l>Wollt er den Tempel nehmen, von dort auf Jeru&#x017F;alem fallen!</l><lb/>
              <l>Aber &#x017F;ein Anhang, der ihn wohl in der Wu&#x0364;&#x017F;te zum Ko&#x0364;nig</l><lb/>
              <l>Ausrief, blieb ihm doch hier nicht getreu. Er mu&#x017F;te zuru&#x0364;ckfliehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="24">
              <l>Drauf erhub ein Levit &#x017F;ich, und that, als ko&#x0364;nnt&#x2019; er verachten,</l><lb/>
              <l>Zeugte: Hat er nicht Gott gela&#x0364;&#x017F;tert, indem er voll Stolzes</l><lb/>
              <l>Wa&#x0364;hnt, er ko&#x0364;nne die Su&#x0364;nde vergeben? Am Sabbat erlaubt er,</l><lb/>
              <l>Aehren zu le&#x017F;en! Belebt am Sabbat verdorrende Ha&#x0364;nde!</l><lb/>
              <l>Und doch wa&#x0364;hnt der Verbrecher, er ko&#x0364;nne die Su&#x0364;nde vergeben!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="25">
              <l>Jtzo redte der Vierte. Das wilde Lachen des Hohns &#x017F;tieg</l><lb/>
              <l>Jhm in die Minen empor, und to&#x0364;nt&#x2019; in des Redenden Stimme.</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o &#x017F;agt&#x2019; er: Jch muß zwar zeugen; doch braucht ihr, o Va&#x0364;ter,</l><lb/>
              <l>Zeugni&#x017F;&#x017F;e wider den Mann, &#x017F;o von Unternehmungen &#x017F;chwindelt,</l><lb/>
              <l>Die auf &#x017F;olchen Tra&#x0364;umen erbaut &#x017F;ind! Er hat es geredet,</l><lb/>
              <l>Und das Volk, das ihm gleicht, vernahms mit &#x017F;tarrendem Auge:</l><lb/>
              <l>Brecht den Tempel; drey Tage, &#x017F;o hebt &#x017F;ich ein neuer vom Staube<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wieder</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0040] Der Meſſias. Hatte Philo, mit Schmaͤhſucht, und erdekriechender Bosheit, Jhre ſchon kleinen beweglichen Herzen erfuͤllt. Mit entflammtem Wilden Blick, ſah einer der Maͤnner ſeitwaͤrts, und ſagte: Wie er den Tempel entweiht, das wiſſen wir alle. Doch hat er Nie ſo ſehr ihn entheiligt, als damals, da er der Opfer Fromme Verkaͤufer vertrieb. Wir waren verſammelt, zu beten. Aber er trieb mit Grimme der Opferthiere Verkaͤufer Aus den geweihten Hallen. Gewiß, er ehret den Gott nicht, Dem wir die Opfer zu heiligen kamen; er haͤtte die Opfer Sonſt nicht verdrungen, noch dieſen Raub am Tempel begangen! Alſo zeugt er. Nach ihm erſchien ein andrer, erklaͤrte Jeſu goͤttlichen Eifer mit gleichem Unſinn: O damals Wollt er den Tempel nehmen, von dort auf Jeruſalem fallen! Aber ſein Anhang, der ihn wohl in der Wuͤſte zum Koͤnig Ausrief, blieb ihm doch hier nicht getreu. Er muſte zuruͤckfliehn. Drauf erhub ein Levit ſich, und that, als koͤnnt’ er verachten, Zeugte: Hat er nicht Gott gelaͤſtert, indem er voll Stolzes Waͤhnt, er koͤnne die Suͤnde vergeben? Am Sabbat erlaubt er, Aehren zu leſen! Belebt am Sabbat verdorrende Haͤnde! Und doch waͤhnt der Verbrecher, er koͤnne die Suͤnde vergeben! Jtzo redte der Vierte. Das wilde Lachen des Hohns ſtieg Jhm in die Minen empor, und toͤnt’ in des Redenden Stimme. Alſo ſagt’ er: Jch muß zwar zeugen; doch braucht ihr, o Vaͤter, Zeugniſſe wider den Mann, ſo von Unternehmungen ſchwindelt, Die auf ſolchen Traͤumen erbaut ſind! Er hat es geredet, Und das Volk, das ihm gleicht, vernahms mit ſtarrendem Auge: Brecht den Tempel; drey Tage, ſo hebt ſich ein neuer vom Staube Wieder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/40
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/40>, abgerufen am 23.11.2024.