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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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Sechster Gesang.

Diesen Weisen!) wie wird sie vor Schmerz und Jammer versinken,
Wenn sie vernimmt, wie der wütende Pharisäer geredt hat!
Aber was ist es in mir, das zu so zärtlichen Sorgen
Für die Unbekannte mein Herz mit Empfindungen aufwallt,
Die ich niemals empfand? Sinds Wünsche, den Edlen gebohren,
Jhn der Erde gegeben zu haben? Dein Leben verfliesse,
Mutter, zu glückliche Mutter! voll Stolzes auf ihn! ... Dein Auge
Seh ihn nicht sterben; ob gleich sein Tod die Erde wird lehren!

Nun erhub sich der Hohepriester auf seinen Gerichtstul,
Also sagt' er: Ob gleich ganz Juda die Lasten empfindet,
Die auf Aller Schultern der Mann, den wir richten, gelegt hat;
Und so sehr ihn der Erdkreis auch kennt, daß er wider den hohen,
Rächenden Gott auf Moria; des Allerheiligsten Priester;
Und den grossen Cäsar in Rom, sich wütend empörte;
Obgleich ganz Judäa sein Todesurtheil mit ausspricht;
Und nicht Kaiphas nur dem Tode gebeut, daß er schlage:
Dennoch wollen wir ihn mit Zeugen richten, und hören!
Zwar ist Jsrael izt nicht versammlet. Die meisten der Zeugen
Hüllt die Mitternacht ein. (Bald werdet ihr selige Völker
Unentweihteren Festen erwachen, als die der Empörer
Noch mit beging!) Allein so wenige Menschen auch hier sind,
Wird es uns doch an Zeugen nicht mangeln. Es komme, wer Recht thut,
Und das Vaterland liebt, und spricht, was lauter und wahr ist!
Also sagte der Hohepriester. Da trateu belohnte,
Unterrichtete Männer herauf, und zeugten. Vor allen,
Hatte
II. Band. B

Sechſter Geſang.

Dieſen Weiſen!) wie wird ſie vor Schmerz und Jammer verſinken,
Wenn ſie vernimmt, wie der wuͤtende Phariſaͤer geredt hat!
Aber was iſt es in mir, das zu ſo zaͤrtlichen Sorgen
Fuͤr die Unbekannte mein Herz mit Empfindungen aufwallt,
Die ich niemals empfand? Sinds Wuͤnſche, den Edlen gebohren,
Jhn der Erde gegeben zu haben? Dein Leben verflieſſe,
Mutter, zu gluͤckliche Mutter! voll Stolzes auf ihn! … Dein Auge
Seh ihn nicht ſterben; ob gleich ſein Tod die Erde wird lehren!

Nun erhub ſich der Hoheprieſter auf ſeinen Gerichtſtul,
Alſo ſagt’ er: Ob gleich ganz Juda die Laſten empfindet,
Die auf Aller Schultern der Mann, den wir richten, gelegt hat;
Und ſo ſehr ihn der Erdkreis auch kennt, daß er wider den hohen,
Raͤchenden Gott auf Moria; des Allerheiligſten Prieſter;
Und den groſſen Caͤſar in Rom, ſich wuͤtend empoͤrte;
Obgleich ganz Judaͤa ſein Todesurtheil mit ausſpricht;
Und nicht Kaiphas nur dem Tode gebeut, daß er ſchlage:
Dennoch wollen wir ihn mit Zeugen richten, und hoͤren!
Zwar iſt Jſrael izt nicht verſammlet. Die meiſten der Zeugen
Huͤllt die Mitternacht ein. (Bald werdet ihr ſelige Voͤlker
Unentweihteren Feſten erwachen, als die der Empoͤrer
Noch mit beging!) Allein ſo wenige Menſchen auch hier ſind,
Wird es uns doch an Zeugen nicht mangeln. Es komme, wer Recht thut,
Und das Vaterland liebt, und ſpricht, was lauter und wahr iſt!
Alſo ſagte der Hoheprieſter. Da trateu belohnte,
Unterrichtete Maͤnner herauf, und zeugten. Vor allen,
Hatte
II. Band. B
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[17/0039] Sechſter Geſang. Dieſen Weiſen!) wie wird ſie vor Schmerz und Jammer verſinken, Wenn ſie vernimmt, wie der wuͤtende Phariſaͤer geredt hat! Aber was iſt es in mir, das zu ſo zaͤrtlichen Sorgen Fuͤr die Unbekannte mein Herz mit Empfindungen aufwallt, Die ich niemals empfand? Sinds Wuͤnſche, den Edlen gebohren, Jhn der Erde gegeben zu haben? Dein Leben verflieſſe, Mutter, zu gluͤckliche Mutter! voll Stolzes auf ihn! … Dein Auge Seh ihn nicht ſterben; ob gleich ſein Tod die Erde wird lehren! Nun erhub ſich der Hoheprieſter auf ſeinen Gerichtſtul, Alſo ſagt’ er: Ob gleich ganz Juda die Laſten empfindet, Die auf Aller Schultern der Mann, den wir richten, gelegt hat; Und ſo ſehr ihn der Erdkreis auch kennt, daß er wider den hohen, Raͤchenden Gott auf Moria; des Allerheiligſten Prieſter; Und den groſſen Caͤſar in Rom, ſich wuͤtend empoͤrte; Obgleich ganz Judaͤa ſein Todesurtheil mit ausſpricht; Und nicht Kaiphas nur dem Tode gebeut, daß er ſchlage: Dennoch wollen wir ihn mit Zeugen richten, und hoͤren! Zwar iſt Jſrael izt nicht verſammlet. Die meiſten der Zeugen Huͤllt die Mitternacht ein. (Bald werdet ihr ſelige Voͤlker Unentweihteren Feſten erwachen, als die der Empoͤrer Noch mit beging!) Allein ſo wenige Menſchen auch hier ſind, Wird es uns doch an Zeugen nicht mangeln. Es komme, wer Recht thut, Und das Vaterland liebt, und ſpricht, was lauter und wahr iſt! Alſo ſagte der Hoheprieſter. Da trateu belohnte, Unterrichtete Maͤnner herauf, und zeugten. Vor allen, Hatte II. Band. B

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/39>, abgerufen am 21.11.2024.