[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Hier verstummt er, und weint', und verdiente, weinen zu können. Neben ihm stand sein Hüter, Orion, und sah ihn, und fühlte Sanftes Mitleid, und Engelfreuden. Jzt wandte sich Petrus, Hub sich empor, und schaute gen Himmel. Du furchtbarer Richter! Vater der Menschen und Engel, und deines Sohnes! du kennest Mein erschüttertes Herz, das Beben des tiefsten Gedankens. Dein Kind Jesum, ich hab ihn verleugnet! Erbarme dich meiner! Ach, erbarme dich meiner, du Vater des göttlichen Kindes! Er soll sterben! Jch bin es nicht werth, mit dem Theuren zu sterben! Aber laß mich ihn noch, eh er zum Grabe sein Haupt neigt, Eh er, unter die treueren Jünger, den Segen, die lezte Liebe vertheilt; laß dann mich noch den Liebenden sehen, Daß sein sterbender Blick mir verzeihe! Dann fleh' ich nur Gnade, Keinen Segen! zu bang, zu sehr Verbrecher, zu rufen: Hast du nur einen Segen? nur Einen für diese Gerechten? Ach wenn ich nur Vergebung erweine, so will ich hingehn, Jhn vor allen Menschen bekennen. So lange, mein Schöpfer Du mir Tage des Menschen zu leben gebiethest, so lange Seys mein theures Geschäft: Jch will die guten, die frommen, Alle reinen Herzen, ich will sie suchen, und ihnen Unaufhörlich mit Wehmut und diesen Thränen erzählen: Ja! ich kannt ihn, den Guten, den Theuren, den Besten der Menschen! Jesum, des Allerheiligsten Sohn! Und war es nicht würdig, Jhn zu kennen! Jch war sein erkorner Jünger! Er liebte Seinen B 5
Hier verſtummt er, und weint’, und verdiente, weinen zu koͤnnen. Neben ihm ſtand ſein Huͤter, Orion, und ſah ihn, und fuͤhlte Sanftes Mitleid, und Engelfreuden. Jzt wandte ſich Petrus, Hub ſich empor, und ſchaute gen Himmel. Du furchtbarer Richter! Vater der Menſchen und Engel, und deines Sohnes! du kenneſt Mein erſchuͤttertes Herz, das Beben des tiefſten Gedankens. Dein Kind Jeſum, ich hab ihn verleugnet! Erbarme dich meiner! Ach, erbarme dich meiner, du Vater des goͤttlichen Kindes! Er ſoll ſterben! Jch bin es nicht werth, mit dem Theuren zu ſterben! Aber laß mich ihn noch, eh er zum Grabe ſein Haupt neigt, Eh er, unter die treueren Juͤnger, den Segen, die lezte Liebe vertheilt; laß dann mich noch den Liebenden ſehen, Daß ſein ſterbender Blick mir verzeihe! Dann fleh’ ich nur Gnade, Keinen Segen! zu bang, zu ſehr Verbrecher, zu rufen: Haſt du nur einen Segen? nur Einen fuͤr dieſe Gerechten? Ach wenn ich nur Vergebung erweine, ſo will ich hingehn, Jhn vor allen Menſchen bekennen. So lange, mein Schoͤpfer Du mir Tage des Menſchen zu leben gebietheſt, ſo lange Seys mein theures Geſchaͤft: Jch will die guten, die frommen, Alle reinen Herzen, ich will ſie ſuchen, und ihnen Unaufhoͤrlich mit Wehmut und dieſen Thraͤnen erzaͤhlen: Ja! ich kannt ihn, den Guten, den Theuren, den Beſten der Menſchen! Jeſum, des Allerheiligſten Sohn! Und war es nicht wuͤrdig, Jhn zu kennen! Jch war ſein erkorner Juͤnger! Er liebte Seinen B 5
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Sechſter Geſang.
Deſto tiefer graͤbt es in meine Gebeine den Tod ein.
Stirb! … O koͤnnt’ ich ſterben! Jch werde ſterben, doch langſam!
Hier verſtummt er, und weint’, und verdiente, weinen zu koͤnnen.
Neben ihm ſtand ſein Huͤter, Orion, und ſah ihn, und fuͤhlte
Sanftes Mitleid, und Engelfreuden. Jzt wandte ſich Petrus,
Hub ſich empor, und ſchaute gen Himmel. Du furchtbarer Richter!
Vater der Menſchen und Engel, und deines Sohnes! du kenneſt
Mein erſchuͤttertes Herz, das Beben des tiefſten Gedankens.
Dein Kind Jeſum, ich hab ihn verleugnet! Erbarme dich meiner!
Ach, erbarme dich meiner, du Vater des goͤttlichen Kindes!
Er ſoll ſterben! Jch bin es nicht werth, mit dem Theuren zu ſterben!
Aber laß mich ihn noch, eh er zum Grabe ſein Haupt neigt,
Eh er, unter die treueren Juͤnger, den Segen, die lezte
Liebe vertheilt; laß dann mich noch den Liebenden ſehen,
Daß ſein ſterbender Blick mir verzeihe! Dann fleh’ ich nur Gnade,
Keinen Segen! zu bang, zu ſehr Verbrecher, zu rufen:
Haſt du nur einen Segen? nur Einen fuͤr dieſe Gerechten?
Ach wenn ich nur Vergebung erweine, ſo will ich hingehn,
Jhn vor allen Menſchen bekennen. So lange, mein Schoͤpfer
Du mir Tage des Menſchen zu leben gebietheſt, ſo lange
Seys mein theures Geſchaͤft: Jch will die guten, die frommen,
Alle reinen Herzen, ich will ſie ſuchen, und ihnen
Unaufhoͤrlich mit Wehmut und dieſen Thraͤnen erzaͤhlen:
Ja! ich kannt ihn, den Guten, den Theuren, den Beſten der Menſchen!
Jeſum, des Allerheiligſten Sohn! Und war es nicht wuͤrdig,
Jhn zu kennen! Jch war ſein erkorner Juͤnger! Er liebte
Seinen
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