[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
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<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="9"> <l> <pb facs="#f0059" n="35"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebender Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Dem den Gerechten die Prieſter entgegen fuͤhrten: erhub er</l><lb/> <l>Schnell ſich, und eilt auf Gabbatha zu. Die ſtuͤrmende Menge</l><lb/> <l>Hielt ihn maͤchtig zuruͤck! er muſte ſich wenden. Jzt floh er</l><lb/> <l>Zu dem Tempel. Es hatte dahin, aus Sorge fuͤr Aufruhr,</l><lb/> <l>Kaiphas Prieſter geſtellt. Der Verraͤther wuſt es. Er ging ſchon</l><lb/> <l>Jn den ſchweigenden Hallen der hohen Tempelgewoͤlbe.</l><lb/> <l>Als er die hangende Huͤlle des Allerheiligſten ſahe,</l><lb/> <l>Wandt’ er ſich weg, ward bleicher, und zitterte laut! Dann erhub er</l><lb/> <l>Sich zu den Prieſtern, und ſprach mit wuͤtender Reue: Da habt ihr</l><lb/> <l>Euer Silber! (und warfs zu ihren Fuͤſſen!) Der Fromme,</l><lb/> <l>Den ich verrieth, ſein Blut iſt Blut der Unſchuld! Das koͤmmt nun</l><lb/> <l>Ueber mein Haupt! Er ſprachs, und rollte die ofneren Augen,</l><lb/> <l>Ging, und eilte davon, floh der Menſchen Anblick, und riß ſich</l><lb/> <l>Aus Jeruſalem, ſtand, izt ging er! izt ſtand er! izt ſloh er!</l><lb/> <l>Schaute mit wildem Antliz umher, ob er Menſchen erblickte?</l><lb/> <l>Als er keinen erblickte, der Stadt nun ſtummes Getoͤſe</l><lb/> <l>Ganz ſich dem Ohre verlor, beſchloß er, zu ſterben! Sie kann nicht,</l><lb/> <l>Nein, ſie kann, nach dem Tode, nicht fuͤrchterlicher mich faſſen</l><lb/> <l>Dieſe namloſe Qual! Zu entſezliche Qualen, o wuͤtet</l><lb/> <l>Wuͤtet, ſo lang ihr noch koͤnnt! Wenn dieß Auge ſich zuſchließt, und alles</l><lb/> <l>Dieſem Ohre verſtummt; ſo ſeh ich ſein Blut nicht, ſo hoͤr ich</l><lb/> <l>Seine brechende Stimme nicht mehr! … Doch der auf Horeb</l><lb/> <l>Sprach ja: Du ſollſt nicht toͤdten! … Er iſt mein Gott nicht! Jch habe</l><lb/> <l>Keinen Gott mehr! Du, Elend! Du biſt mein Gott! Du gebieteſt,</l><lb/> <l>Laut gebieteſt du mir den Tod! Jch gehorche! So ſtirb denn,</l><lb/> <l>Stirb, Verlorner! … Du bebſt? Hier ſtuͤrmts! Noch einmal empoͤret</l><lb/> <l>Sich das Leben in dir! es ringt, zu leben. Verraͤther!<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Du</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0059]
Siebender Geſang.
Dem den Gerechten die Prieſter entgegen fuͤhrten: erhub er
Schnell ſich, und eilt auf Gabbatha zu. Die ſtuͤrmende Menge
Hielt ihn maͤchtig zuruͤck! er muſte ſich wenden. Jzt floh er
Zu dem Tempel. Es hatte dahin, aus Sorge fuͤr Aufruhr,
Kaiphas Prieſter geſtellt. Der Verraͤther wuſt es. Er ging ſchon
Jn den ſchweigenden Hallen der hohen Tempelgewoͤlbe.
Als er die hangende Huͤlle des Allerheiligſten ſahe,
Wandt’ er ſich weg, ward bleicher, und zitterte laut! Dann erhub er
Sich zu den Prieſtern, und ſprach mit wuͤtender Reue: Da habt ihr
Euer Silber! (und warfs zu ihren Fuͤſſen!) Der Fromme,
Den ich verrieth, ſein Blut iſt Blut der Unſchuld! Das koͤmmt nun
Ueber mein Haupt! Er ſprachs, und rollte die ofneren Augen,
Ging, und eilte davon, floh der Menſchen Anblick, und riß ſich
Aus Jeruſalem, ſtand, izt ging er! izt ſtand er! izt ſloh er!
Schaute mit wildem Antliz umher, ob er Menſchen erblickte?
Als er keinen erblickte, der Stadt nun ſtummes Getoͤſe
Ganz ſich dem Ohre verlor, beſchloß er, zu ſterben! Sie kann nicht,
Nein, ſie kann, nach dem Tode, nicht fuͤrchterlicher mich faſſen
Dieſe namloſe Qual! Zu entſezliche Qualen, o wuͤtet
Wuͤtet, ſo lang ihr noch koͤnnt! Wenn dieß Auge ſich zuſchließt, und alles
Dieſem Ohre verſtummt; ſo ſeh ich ſein Blut nicht, ſo hoͤr ich
Seine brechende Stimme nicht mehr! … Doch der auf Horeb
Sprach ja: Du ſollſt nicht toͤdten! … Er iſt mein Gott nicht! Jch habe
Keinen Gott mehr! Du, Elend! Du biſt mein Gott! Du gebieteſt,
Laut gebieteſt du mir den Tod! Jch gehorche! So ſtirb denn,
Stirb, Verlorner! … Du bebſt? Hier ſtuͤrmts! Noch einmal empoͤret
Sich das Leben in dir! es ringt, zu leben. Verraͤther!
Du
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