[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Furchtbar wehte die Flamm' in der Nacht, die Maria bedeckte.Bey den Altären standen die Opferer, schaurten vom Schrecken Dieser Nacht, und blickten hinein durch des Heiligen Thore Nach dem Allerheiligsten. Priester knieten im Tempel, Dankten dem Rächer, daß nun am Kreuze der Leidende blute! Wagtens, bey diesem Dank, ihr glühendes Auge zu wenden Nach dem Allerheiligsten! Da, da rächte der Rächer! Denn, von dem hohen Gewölbe, bis hin zu dem liegenden Saume, Riß des Allerheiligsten Vorhang! Schrecken des Todes Stürzten die Betenden tiefer, und spät erst konnten sie fliehen. Denn mit gewaltigem Arm ergreift sie Entsetzen, Entsetzen Folgt den Verstummten nach, da sie endlich dem Tod' entrinnen! O des Trostes vom Himmel, daß der des Todten gedenket, Der, da am Kreuz' er starb, in Nacht die Erde verhüllte, Beben hieß die Felsen, und Augen der Sterblichen aufthat Seiner furchtbaren Herrlichkeit Stäte ... Die Hörenden schwiegen Voll Erstaunen, allein nur wenig lindernde Tröstung Drang in ihre Seele. Sie waren zu tief verwundet! Also sieht, wer schwindelnd herab an der hangenden Klippe Wandelt, im blühenden Thal die Schöne des heiteren Tags nicht. Durch den helleren Wald verbreitet sein Schimmer umsonst sich, Wallet umsonst mit dem Strome dahin. Des fürchtenden Wandrers Aug' ist rings um ihn her des Frühlings Wonne verschwunden. Lazarus sah ihr unentwölktes Leiden, und sagte: Tröstet euchs nicht, daß Gott von dem Todten durch Wunder zeuget; O so sey es euch Trost, es sey euch Labsal in Durste, Schatten gegen den brennenden Strahl, daß die zu dem Todten Hinging,
Der Meſſias. Furchtbar wehte die Flamm’ in der Nacht, die Maria bedeckte.Bey den Altaͤren ſtanden die Opferer, ſchaurten vom Schrecken Dieſer Nacht, und blickten hinein durch des Heiligen Thore Nach dem Allerheiligſten. Prieſter knieten im Tempel, Dankten dem Raͤcher, daß nun am Kreuze der Leidende blute! Wagtens, bey dieſem Dank, ihr gluͤhendes Auge zu wenden Nach dem Allerheiligſten! Da, da raͤchte der Raͤcher! Denn, von dem hohen Gewoͤlbe, bis hin zu dem liegenden Saume, Riß des Allerheiligſten Vorhang! Schrecken des Todes Stuͤrzten die Betenden tiefer, und ſpaͤt erſt konnten ſie fliehen. Denn mit gewaltigem Arm ergreift ſie Entſetzen, Entſetzen Folgt den Verſtummten nach, da ſie endlich dem Tod’ entrinnen! O des Troſtes vom Himmel, daß der des Todten gedenket, Der, da am Kreuz’ er ſtarb, in Nacht die Erde verhuͤllte, Beben hieß die Felſen, und Augen der Sterblichen aufthat Seiner furchtbaren Herrlichkeit Staͤte … Die Hoͤrenden ſchwiegen Voll Erſtaunen, allein nur wenig lindernde Troͤſtung Drang in ihre Seele. Sie waren zu tief verwundet! Alſo ſieht, wer ſchwindelnd herab an der hangenden Klippe Wandelt, im bluͤhenden Thal die Schoͤne des heiteren Tags nicht. Durch den helleren Wald verbreitet ſein Schimmer umſonſt ſich, Wallet umſonſt mit dem Strome dahin. Des fuͤrchtenden Wandrers Aug’ iſt rings um ihn her des Fruͤhlings Wonne verſchwunden. Lazarus ſah ihr unentwoͤlktes Leiden, und ſagte: Troͤſtet euchs nicht, daß Gott von dem Todten durch Wunder zeuget; O ſo ſey es euch Troſt, es ſey euch Labſal in Durſte, Schatten gegen den brennenden Strahl, daß die zu dem Todten Hinging,
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Der Meſſias.
Furchtbar wehte die Flamm’ in der Nacht, die Maria bedeckte.
Bey den Altaͤren ſtanden die Opferer, ſchaurten vom Schrecken
Dieſer Nacht, und blickten hinein durch des Heiligen Thore
Nach dem Allerheiligſten. Prieſter knieten im Tempel,
Dankten dem Raͤcher, daß nun am Kreuze der Leidende blute!
Wagtens, bey dieſem Dank, ihr gluͤhendes Auge zu wenden
Nach dem Allerheiligſten! Da, da raͤchte der Raͤcher!
Denn, von dem hohen Gewoͤlbe, bis hin zu dem liegenden Saume,
Riß des Allerheiligſten Vorhang! Schrecken des Todes
Stuͤrzten die Betenden tiefer, und ſpaͤt erſt konnten ſie fliehen.
Denn mit gewaltigem Arm ergreift ſie Entſetzen, Entſetzen
Folgt den Verſtummten nach, da ſie endlich dem Tod’ entrinnen!
O des Troſtes vom Himmel, daß der des Todten gedenket,
Der, da am Kreuz’ er ſtarb, in Nacht die Erde verhuͤllte,
Beben hieß die Felſen, und Augen der Sterblichen aufthat
Seiner furchtbaren Herrlichkeit Staͤte … Die Hoͤrenden ſchwiegen
Voll Erſtaunen, allein nur wenig lindernde Troͤſtung
Drang in ihre Seele. Sie waren zu tief verwundet!
Alſo ſieht, wer ſchwindelnd herab an der hangenden Klippe
Wandelt, im bluͤhenden Thal die Schoͤne des heiteren Tags nicht.
Durch den helleren Wald verbreitet ſein Schimmer umſonſt ſich,
Wallet umſonſt mit dem Strome dahin. Des fuͤrchtenden Wandrers
Aug’ iſt rings um ihn her des Fruͤhlings Wonne verſchwunden.
Lazarus ſah ihr unentwoͤlktes Leiden, und ſagte:
Troͤſtet euchs nicht, daß Gott von dem Todten durch Wunder zeuget;
O ſo ſey es euch Troſt, es ſey euch Labſal in Durſte,
Schatten gegen den brennenden Strahl, daß die zu dem Todten
Hinging,
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