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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Zwölfter Gesang.
Hinging, die ihr liebtet, und die der Göttliche lehrte,
Daß Maria nicht mehr mit euch weint. Jhm nahte mit Eile
Magdale sich, und sah ihn mit thränenlosem Aug' an,
Glücklicher jetzt, als folgte sie schon der entschlafenen Freundinn:

Ach du redetest Worte der Engel mit uns! Ja in Durste,
Lazarus! gegen den brennenden Strahl! So wehet die Kühlung
An der Quelle! Sie ist hinüber zu Christus gegangen
Deine himmlische Schwester? O hast du der Worte der Engel
Keine mehr? nicht Weißagungen von unserem Tode?
Siehe, du wandeltest ja einst unter den Todten; vernahmst du
Nicht von deinen Freunden, ob sie gewürdiget werden,
Bald zu ihnen zu kommen? O red', und verbirg es nicht länger,
Wenn du es weißt, ob uns Verlaßnen dieß Wonneloos fiel?
Christus Mutter! er schweigt! So laß denn, Richter im Himmel,
Weil wir leben müssen, o furchtbarer Richter im Himmel!
Uns es erleben, daß die den Unschuldsvollen erwürgten,
Jmmer tiefer stürzen, und niemals, niemals entfliehen!
Daß sie Entsetzen ergreife mit eisernem Arm, Entsetzen
Sie umringe, wenn nun mit dem Taumelkelche der Rache
Gott kommt, und, bis zum Hefen hinab, sie ihn trinken, und sterben!
Jetzo hatte sich schon die Mitternacht auf die Erde
Niedergesenkt. Den jammerbelasteten Freunden des Mittlers
Sank sie mit Schatten des Todes, und Graun der Gräber herunter,
Ach einst ihnen schöner, als Frühlingstage, wenn Christus
Sie durchwacht' in Gebet, und schrecklicher jetzo, wie jemals,
Weil

Zwoͤlfter Geſang.
Hinging, die ihr liebtet, und die der Goͤttliche lehrte,
Daß Maria nicht mehr mit euch weint. Jhm nahte mit Eile
Magdale ſich, und ſah ihn mit thraͤnenloſem Aug’ an,
Gluͤcklicher jetzt, als folgte ſie ſchon der entſchlafenen Freundinn:

Ach du redeteſt Worte der Engel mit uns! Ja in Durſte,
Lazarus! gegen den brennenden Strahl! So wehet die Kuͤhlung
An der Quelle! Sie iſt hinuͤber zu Chriſtus gegangen
Deine himmliſche Schweſter? O haſt du der Worte der Engel
Keine mehr? nicht Weißagungen von unſerem Tode?
Siehe, du wandelteſt ja einſt unter den Todten; vernahmſt du
Nicht von deinen Freunden, ob ſie gewuͤrdiget werden,
Bald zu ihnen zu kommen? O red’, und verbirg es nicht laͤnger,
Wenn du es weißt, ob uns Verlaßnen dieß Wonneloos fiel?
Chriſtus Mutter! er ſchweigt! So laß denn, Richter im Himmel,
Weil wir leben muͤſſen, o furchtbarer Richter im Himmel!
Uns es erleben, daß die den Unſchuldsvollen erwuͤrgten,
Jmmer tiefer ſtuͤrzen, und niemals, niemals entfliehen!
Daß ſie Entſetzen ergreife mit eiſernem Arm, Entſetzen
Sie umringe, wenn nun mit dem Taumelkelche der Rache
Gott kommt, und, bis zum Hefen hinab, ſie ihn trinken, und ſterben!
Jetzo hatte ſich ſchon die Mitternacht auf die Erde
Niedergeſenkt. Den jammerbelaſteten Freunden des Mittlers
Sank ſie mit Schatten des Todes, und Graun der Graͤber herunter,
Ach einſt ihnen ſchoͤner, als Fruͤhlingstage, wenn Chriſtus
Sie durchwacht’ in Gebet, und ſchrecklicher jetzo, wie jemals,
Weil
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[95/0111] Zwoͤlfter Geſang. Hinging, die ihr liebtet, und die der Goͤttliche lehrte, Daß Maria nicht mehr mit euch weint. Jhm nahte mit Eile Magdale ſich, und ſah ihn mit thraͤnenloſem Aug’ an, Gluͤcklicher jetzt, als folgte ſie ſchon der entſchlafenen Freundinn: Ach du redeteſt Worte der Engel mit uns! Ja in Durſte, Lazarus! gegen den brennenden Strahl! So wehet die Kuͤhlung An der Quelle! Sie iſt hinuͤber zu Chriſtus gegangen Deine himmliſche Schweſter? O haſt du der Worte der Engel Keine mehr? nicht Weißagungen von unſerem Tode? Siehe, du wandelteſt ja einſt unter den Todten; vernahmſt du Nicht von deinen Freunden, ob ſie gewuͤrdiget werden, Bald zu ihnen zu kommen? O red’, und verbirg es nicht laͤnger, Wenn du es weißt, ob uns Verlaßnen dieß Wonneloos fiel? Chriſtus Mutter! er ſchweigt! So laß denn, Richter im Himmel, Weil wir leben muͤſſen, o furchtbarer Richter im Himmel! Uns es erleben, daß die den Unſchuldsvollen erwuͤrgten, Jmmer tiefer ſtuͤrzen, und niemals, niemals entfliehen! Daß ſie Entſetzen ergreife mit eiſernem Arm, Entſetzen Sie umringe, wenn nun mit dem Taumelkelche der Rache Gott kommt, und, bis zum Hefen hinab, ſie ihn trinken, und ſterben! Jetzo hatte ſich ſchon die Mitternacht auf die Erde Niedergeſenkt. Den jammerbelaſteten Freunden des Mittlers Sank ſie mit Schatten des Todes, und Graun der Graͤber herunter, Ach einſt ihnen ſchoͤner, als Fruͤhlingstage, wenn Chriſtus Sie durchwacht’ in Gebet, und ſchrecklicher jetzo, wie jemals, Weil

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/111>, abgerufen am 21.11.2024.