Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Aus der Quelle des Trostes, auch eure blutenden Wunden
Sollen heilen. Er dachts, und eilte. Schon hatt' er die Mauren
Salems erreicht; schon naht' er sich seiner Brüder Versammlung,
Die voll Erwartungen war, und Zweifel und Freud' und Erstaunen.
Und er trat mit gefalteten Händen in die Versammlung:

Lob, und Preis, und Ehre sey, Anbetung, und Dank sey
Gottes Sohne, der uns mit einer Liebe geliebt hat,
Die ein Jubelgesang, im Leben, und Tod uns seyn wird!
Jhm, der des wunderbaren Todes gestorben, erstanden
Jst, und erschienen! ... Auch mir ist Christus erschienen! ... Am Kreuze
Stand er, da sah ihn mein Auge, da sah ich des Göttlichen Antlitz.
Und sie nahen sich ihm, bewundern ihn, preisen ihn selig,
Und erstaunen über den Herrn, der vom Tode des Kreuzes
Auferstand! Und tiefanbetendes Schweigen fesselt
Aller Zungen. Endlich umgeben sie näher den neuen,
Seligen Zeugen des Auferstandnen, umarmen voll Wonn' ihn,
Drücken ihn an ihr Herz, und weinen. Des Lebenden Mutter
Hielt ihn bey der Rechten, und Magdale bey der Linken.
Siehe, nun hast du ihn auch, o Simon Johanna, gesehen!
Magdale sprachs. Dann sagte mit himmlischem Lächeln die Mutter:
Gottes Sohn, und meinen! Lebbäus stammelt', und wandte
Sich zu Maria! Vor Trauren nicht mehr, vor Entzückung, o Mutter,
Glaub ich es kaum. Du Blutender, ach du Wundenvoller,
Bist erstanden! Er sank an die Brust Johannes, der drückt' ihn
Jnnig ans Herz, und sagt ihm leise! Er ist erstanden!
Ließ ihn, und ging zu Maria: O du des Göttlichen Mutter,
Freu dich wieder! Nun geht durch deine Seele kein Schwert mehr,
Deine

Der Meſſias.
Aus der Quelle des Troſtes, auch eure blutenden Wunden
Sollen heilen. Er dachts, und eilte. Schon hatt’ er die Mauren
Salems erreicht; ſchon naht’ er ſich ſeiner Bruͤder Verſammlung,
Die voll Erwartungen war, und Zweifel und Freud’ und Erſtaunen.
Und er trat mit gefalteten Haͤnden in die Verſammlung:

Lob, und Preis, und Ehre ſey, Anbetung, und Dank ſey
Gottes Sohne, der uns mit einer Liebe geliebt hat,
Die ein Jubelgeſang, im Leben, und Tod uns ſeyn wird!
Jhm, der des wunderbaren Todes geſtorben, erſtanden
Jſt, und erſchienen! … Auch mir iſt Chriſtus erſchienen! … Am Kreuze
Stand er, da ſah ihn mein Auge, da ſah ich des Goͤttlichen Antlitz.
Und ſie nahen ſich ihm, bewundern ihn, preiſen ihn ſelig,
Und erſtaunen uͤber den Herrn, der vom Tode des Kreuzes
Auferſtand! Und tiefanbetendes Schweigen feſſelt
Aller Zungen. Endlich umgeben ſie naͤher den neuen,
Seligen Zeugen des Auferſtandnen, umarmen voll Wonn’ ihn,
Druͤcken ihn an ihr Herz, und weinen. Des Lebenden Mutter
Hielt ihn bey der Rechten, und Magdale bey der Linken.
Siehe, nun haſt du ihn auch, o Simon Johanna, geſehen!
Magdale ſprachs. Dann ſagte mit himmliſchem Laͤcheln die Mutter:
Gottes Sohn, und meinen! Lebbaͤus ſtammelt’, und wandte
Sich zu Maria! Vor Trauren nicht mehr, vor Entzuͤckung, o Mutter,
Glaub ich es kaum. Du Blutender, ach du Wundenvoller,
Biſt erſtanden! Er ſank an die Bruſt Johannes, der druͤckt’ ihn
Jnnig ans Herz, und ſagt ihm leiſe! Er iſt erſtanden!
Ließ ihn, und ging zu Maria: O du des Goͤttlichen Mutter,
Freu dich wieder! Nun geht durch deine Seele kein Schwert mehr,
Deine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="44">
            <pb facs="#f0174" n="158"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
            <l>Aus der Quelle des Tro&#x017F;tes, auch eure blutenden Wunden</l><lb/>
            <l>Sollen heilen. Er dachts, und eilte. Schon hatt&#x2019; er die Mauren</l><lb/>
            <l>Salems erreicht; &#x017F;chon naht&#x2019; er &#x017F;ich &#x017F;einer Bru&#x0364;der Ver&#x017F;ammlung,</l><lb/>
            <l>Die voll Erwartungen war, und Zweifel und Freud&#x2019; und Er&#x017F;taunen.</l><lb/>
            <l>Und er trat mit gefalteten Ha&#x0364;nden in die Ver&#x017F;ammlung:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="45">
            <l>Lob, und Preis, und Ehre &#x017F;ey, Anbetung, und Dank &#x017F;ey</l><lb/>
            <l>Gottes Sohne, der uns mit einer Liebe geliebt hat,</l><lb/>
            <l>Die ein Jubelge&#x017F;ang, im Leben, und Tod uns &#x017F;eyn wird!</l><lb/>
            <l>Jhm, der des wunderbaren Todes ge&#x017F;torben, er&#x017F;tanden</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t, und er&#x017F;chienen! &#x2026; Auch mir i&#x017F;t Chri&#x017F;tus er&#x017F;chienen! &#x2026; Am Kreuze</l><lb/>
            <l>Stand er, da &#x017F;ah ihn mein Auge, da &#x017F;ah ich des Go&#x0364;ttlichen Antlitz.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="46">
            <l>Und &#x017F;ie nahen &#x017F;ich ihm, bewundern ihn, prei&#x017F;en ihn &#x017F;elig,</l><lb/>
            <l>Und er&#x017F;taunen u&#x0364;ber den Herrn, der vom Tode des Kreuzes</l><lb/>
            <l>Aufer&#x017F;tand! Und tiefanbetendes Schweigen fe&#x017F;&#x017F;elt</l><lb/>
            <l>Aller Zungen. Endlich umgeben &#x017F;ie na&#x0364;her den neuen,</l><lb/>
            <l>Seligen Zeugen des Aufer&#x017F;tandnen, umarmen voll Wonn&#x2019; ihn,</l><lb/>
            <l>Dru&#x0364;cken ihn an ihr Herz, und weinen. Des Lebenden Mutter</l><lb/>
            <l>Hielt ihn bey der Rechten, und Magdale bey der Linken.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="47">
            <l>Siehe, nun ha&#x017F;t du ihn auch, o Simon Johanna, ge&#x017F;ehen!</l><lb/>
            <l>Magdale &#x017F;prachs. Dann &#x017F;agte mit himmli&#x017F;chem La&#x0364;cheln die Mutter:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="48">
            <l>Gottes Sohn, und meinen! Lebba&#x0364;us &#x017F;tammelt&#x2019;, und wandte</l><lb/>
            <l>Sich zu Maria! Vor Trauren nicht mehr, vor Entzu&#x0364;ckung, o Mutter,</l><lb/>
            <l>Glaub ich es kaum. Du Blutender, ach du Wundenvoller,</l><lb/>
            <l>Bi&#x017F;t er&#x017F;tanden! Er &#x017F;ank an die Bru&#x017F;t Johannes, der dru&#x0364;ckt&#x2019; ihn</l><lb/>
            <l>Jnnig ans Herz, und &#x017F;agt ihm lei&#x017F;e! Er i&#x017F;t er&#x017F;tanden!</l><lb/>
            <l>Ließ ihn, und ging zu Maria: O du des Go&#x0364;ttlichen Mutter,</l><lb/>
            <l>Freu dich wieder! Nun geht durch deine Seele kein Schwert mehr,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Deine</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0174] Der Meſſias. Aus der Quelle des Troſtes, auch eure blutenden Wunden Sollen heilen. Er dachts, und eilte. Schon hatt’ er die Mauren Salems erreicht; ſchon naht’ er ſich ſeiner Bruͤder Verſammlung, Die voll Erwartungen war, und Zweifel und Freud’ und Erſtaunen. Und er trat mit gefalteten Haͤnden in die Verſammlung: Lob, und Preis, und Ehre ſey, Anbetung, und Dank ſey Gottes Sohne, der uns mit einer Liebe geliebt hat, Die ein Jubelgeſang, im Leben, und Tod uns ſeyn wird! Jhm, der des wunderbaren Todes geſtorben, erſtanden Jſt, und erſchienen! … Auch mir iſt Chriſtus erſchienen! … Am Kreuze Stand er, da ſah ihn mein Auge, da ſah ich des Goͤttlichen Antlitz. Und ſie nahen ſich ihm, bewundern ihn, preiſen ihn ſelig, Und erſtaunen uͤber den Herrn, der vom Tode des Kreuzes Auferſtand! Und tiefanbetendes Schweigen feſſelt Aller Zungen. Endlich umgeben ſie naͤher den neuen, Seligen Zeugen des Auferſtandnen, umarmen voll Wonn’ ihn, Druͤcken ihn an ihr Herz, und weinen. Des Lebenden Mutter Hielt ihn bey der Rechten, und Magdale bey der Linken. Siehe, nun haſt du ihn auch, o Simon Johanna, geſehen! Magdale ſprachs. Dann ſagte mit himmliſchem Laͤcheln die Mutter: Gottes Sohn, und meinen! Lebbaͤus ſtammelt’, und wandte Sich zu Maria! Vor Trauren nicht mehr, vor Entzuͤckung, o Mutter, Glaub ich es kaum. Du Blutender, ach du Wundenvoller, Biſt erſtanden! Er ſank an die Bruſt Johannes, der druͤckt’ ihn Jnnig ans Herz, und ſagt ihm leiſe! Er iſt erſtanden! Ließ ihn, und ging zu Maria: O du des Goͤttlichen Mutter, Freu dich wieder! Nun geht durch deine Seele kein Schwert mehr, Deine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/174
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/174>, abgerufen am 21.11.2024.