[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Einen Wanderer kommen. Erhabnen, männlichen AnsehnsWar der Fremdling, und schien in ernste Gedanken verloren. Laß uns langsamer gehn, Matthias. Vielleicht, daß der Fremdling Unser Gefährt wird, und uns das traurende Herz mit Gesprächen Seiner Weisheit erquickt. Denn weise scheint er, und edel. Was, o Kleophas, hilft uns seine Weisheit, wofern er Nicht von Jesus mit uns sich unterredet? ... Jndem kommt Jhnen der Wanderer nah, und grüßt sie mit Liebe. Mit Ehrfurcht Grüßen sie ihn. ... Wo gehet ihr hin? ... Nach Emaus. ... Darf ich Euer Gefährt seyn? Jch gehe durch Emaus. ... Sey, o du Theurer! Sey, wir bitten dich, unser Gefährt. ... Was spracht ihr so feurig Unter einander? Jch sahs, ganz hingen an diesen Gesprächen Eure Seelen, und waren voll Traurigkeit. ... Kleophas sagte: Ach, was konnten wir sprechen? Bist du es allein, der nicht wisse, Was in Jerusalem diese Tage des Traurens geschehn ist? Was geschah denn? ... O Fremdling! du kennest also, du kennest Jesus von Nazareth nicht? den Propheten Gottes? der mächtig Vor dem Herrn, und dem Volke, durch Wunder, und himmlische Weisheit, Der ein göttlicher Mann war? Allein ach, unsre Beherrscher Haben, entflammt von dem Grimme, der Wuth der untersten Hölle, Jhn gegriffen, und ihn dem Heiden Pilatus zum Tode Uebergeben! Der hat gesprochen sein Todesurtheil! Hat, o dürft' ich die Art des furchtbaren Todes nicht nennen! Jhn gekreuzigt! ... Ach, fodre nicht, daß ich wieder die Wunden Meiner Seel' aufreisse, dir seinen Tod zu beschreiben, Wie er am Kreuze schwebt'! und wie der Hügel sein Blut trank! Wie er bleich und erstarrt um Hülf', um Hülfe! zu Gott rief! Ach,
Der Meſſias. Einen Wanderer kommen. Erhabnen, maͤnnlichen AnſehnsWar der Fremdling, und ſchien in ernſte Gedanken verloren. Laß uns langſamer gehn, Matthias. Vielleicht, daß der Fremdling Unſer Gefaͤhrt wird, und uns das traurende Herz mit Geſpraͤchen Seiner Weisheit erquickt. Denn weiſe ſcheint er, und edel. Was, o Kleophas, hilft uns ſeine Weisheit, wofern er Nicht von Jeſus mit uns ſich unterredet? … Jndem kommt Jhnen der Wanderer nah, und gruͤßt ſie mit Liebe. Mit Ehrfurcht Gruͤßen ſie ihn. … Wo gehet ihr hin? … Nach Emaus. … Darf ich Euer Gefaͤhrt ſeyn? Jch gehe durch Emaus. … Sey, o du Theurer! Sey, wir bitten dich, unſer Gefaͤhrt. … Was ſpracht ihr ſo feurig Unter einander? Jch ſahs, ganz hingen an dieſen Geſpraͤchen Eure Seelen, und waren voll Traurigkeit. … Kleophas ſagte: Ach, was konnten wir ſprechen? Biſt du es allein, der nicht wiſſe, Was in Jeruſalem dieſe Tage des Traurens geſchehn iſt? Was geſchah denn? … O Fremdling! du kenneſt alſo, du kenneſt Jeſus von Nazareth nicht? den Propheten Gottes? der maͤchtig Vor dem Herrn, und dem Volke, durch Wunder, und himmliſche Weisheit, Der ein goͤttlicher Mann war? Allein ach, unſre Beherrſcher Haben, entflammt von dem Grimme, der Wuth der unterſten Hoͤlle, Jhn gegriffen, und ihn dem Heiden Pilatus zum Tode Uebergeben! Der hat geſprochen ſein Todesurtheil! Hat, o duͤrft’ ich die Art des furchtbaren Todes nicht nennen! Jhn gekreuzigt! … Ach, fodre nicht, daß ich wieder die Wunden Meiner Seel’ aufreiſſe, dir ſeinen Tod zu beſchreiben, Wie er am Kreuze ſchwebt’! und wie der Huͤgel ſein Blut trank! Wie er bleich und erſtarrt um Huͤlf’, um Huͤlfe! zu Gott rief! Ach,
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Der Meſſias.
Einen Wanderer kommen. Erhabnen, maͤnnlichen Anſehns
War der Fremdling, und ſchien in ernſte Gedanken verloren.
Laß uns langſamer gehn, Matthias. Vielleicht, daß der Fremdling
Unſer Gefaͤhrt wird, und uns das traurende Herz mit Geſpraͤchen
Seiner Weisheit erquickt. Denn weiſe ſcheint er, und edel.
Was, o Kleophas, hilft uns ſeine Weisheit, wofern er
Nicht von Jeſus mit uns ſich unterredet? … Jndem kommt
Jhnen der Wanderer nah, und gruͤßt ſie mit Liebe. Mit Ehrfurcht
Gruͤßen ſie ihn. … Wo gehet ihr hin? … Nach Emaus. … Darf ich
Euer Gefaͤhrt ſeyn? Jch gehe durch Emaus. … Sey, o du Theurer!
Sey, wir bitten dich, unſer Gefaͤhrt. … Was ſpracht ihr ſo feurig
Unter einander? Jch ſahs, ganz hingen an dieſen Geſpraͤchen
Eure Seelen, und waren voll Traurigkeit. … Kleophas ſagte:
Ach, was konnten wir ſprechen? Biſt du es allein, der nicht wiſſe,
Was in Jeruſalem dieſe Tage des Traurens geſchehn iſt?
Was geſchah denn? … O Fremdling! du kenneſt alſo, du kenneſt
Jeſus von Nazareth nicht? den Propheten Gottes? der maͤchtig
Vor dem Herrn, und dem Volke, durch Wunder, und himmliſche Weisheit,
Der ein goͤttlicher Mann war? Allein ach, unſre Beherrſcher
Haben, entflammt von dem Grimme, der Wuth der unterſten Hoͤlle,
Jhn gegriffen, und ihn dem Heiden Pilatus zum Tode
Uebergeben! Der hat geſprochen ſein Todesurtheil!
Hat, o duͤrft’ ich die Art des furchtbaren Todes nicht nennen!
Jhn gekreuzigt! … Ach, fodre nicht, daß ich wieder die Wunden
Meiner Seel’ aufreiſſe, dir ſeinen Tod zu beſchreiben,
Wie er am Kreuze ſchwebt’! und wie der Huͤgel ſein Blut trank!
Wie er bleich und erſtarrt um Huͤlf’, um Huͤlfe! zu Gott rief!
Ach,
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