[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Vierzehnter Gesang. Sind nur meine Betäubung, und ihre Qualen vorüber;O so geh ich den Weg mit Ruhe, den Gott mich leitet. Finsterniß sey er, und Dunkel und Nacht! Er führet! ich gehe! Also entschloß sich Thomas, und horchte nach dem Geräusche Kidrons, hinunter zu gehn, und zu ruhn in Gethsemane's Hütten. Hinter ihm hatte, da er der Jünger Versammlung verlassen, Einer die Thüre geschlossen. Als dieser wieder zurückkam, Sagt' er zu der Versammlung: Jch habe die Thüre geschlossen, Daß wir entrinnen, wofern die Priester senden. Denn glaubt nicht, Daß ihr wütender Durst mit Jesus Blute gestillt sey. Da sprach Kephas: Jch will nicht, daß ihr die Thüre verschliesset. Mögen sie ihre Schaaren doch senden. Der Herr ist erstanden! Aber sie haben ja selbst den nun Erstandnen getödtet! Nun so will ich sterben, wofern es sein göttlicher Will' ist! Schließt die Thüre nicht! Kleinmut, wie die, entehrt den Erstandnen! Müssen wir sterben, o Simon, so helfen geschlossene Thüren Uns ja nicht. Allein daß zu kühn in Gefahr wir uns wagen, Jst der Wille des Herrn nicht; und Rettung über die Mauer Jst in unsrer Gewalt, wenn die Thüre die Wütenden aufhält! Jst in unsrer Gewalt, wenn der Herr die Wütenden aufhält! Sagte Petrus feuriger, ließ die Thüre sie schliessen. Aber nicht lange, so scholl das Haus von eiligem Klopfen. Und sie erschracken. Da scholls von neuem. Jakobus erhub sich, Eilt' hinunter, und fragte. Matthias, und Kleophas warens. Und er ließ sie herein die glücklichen Beyden. Sie sanken Fast vor Müdigkeit, athmeten, standen, gingen langsam, Trockneten sich die Stirne. Wen floht ihr? sagte Jakobus. Und M 4
Vierzehnter Geſang. Sind nur meine Betaͤubung, und ihre Qualen voruͤber;O ſo geh ich den Weg mit Ruhe, den Gott mich leitet. Finſterniß ſey er, und Dunkel und Nacht! Er fuͤhret! ich gehe! Alſo entſchloß ſich Thomas, und horchte nach dem Geraͤuſche Kidrons, hinunter zu gehn, und zu ruhn in Gethſemane’s Huͤtten. Hinter ihm hatte, da er der Juͤnger Verſammlung verlaſſen, Einer die Thuͤre geſchloſſen. Als dieſer wieder zuruͤckkam, Sagt’ er zu der Verſammlung: Jch habe die Thuͤre geſchloſſen, Daß wir entrinnen, wofern die Prieſter ſenden. Denn glaubt nicht, Daß ihr wuͤtender Durſt mit Jeſus Blute geſtillt ſey. Da ſprach Kephas: Jch will nicht, daß ihr die Thuͤre verſchlieſſet. Moͤgen ſie ihre Schaaren doch ſenden. Der Herr iſt erſtanden! Aber ſie haben ja ſelbſt den nun Erſtandnen getoͤdtet! Nun ſo will ich ſterben, wofern es ſein goͤttlicher Will’ iſt! Schließt die Thuͤre nicht! Kleinmut, wie die, entehrt den Erſtandnen! Muͤſſen wir ſterben, o Simon, ſo helfen geſchloſſene Thuͤren Uns ja nicht. Allein daß zu kuͤhn in Gefahr wir uns wagen, Jſt der Wille des Herrn nicht; und Rettung uͤber die Mauer Jſt in unſrer Gewalt, wenn die Thuͤre die Wuͤtenden aufhaͤlt! Jſt in unſrer Gewalt, wenn der Herr die Wuͤtenden aufhaͤlt! Sagte Petrus feuriger, ließ die Thuͤre ſie ſchlieſſen. Aber nicht lange, ſo ſcholl das Haus von eiligem Klopfen. Und ſie erſchracken. Da ſcholls von neuem. Jakobus erhub ſich, Eilt’ hinunter, und fragte. Matthias, und Kleophas warens. Und er ließ ſie herein die gluͤcklichen Beyden. Sie ſanken Faſt vor Muͤdigkeit, athmeten, ſtanden, gingen langſam, Trockneten ſich die Stirne. Wen floht ihr? ſagte Jakobus. Und M 4
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Vierzehnter Geſang.
Sind nur meine Betaͤubung, und ihre Qualen voruͤber;
O ſo geh ich den Weg mit Ruhe, den Gott mich leitet.
Finſterniß ſey er, und Dunkel und Nacht! Er fuͤhret! ich gehe!
Alſo entſchloß ſich Thomas, und horchte nach dem Geraͤuſche
Kidrons, hinunter zu gehn, und zu ruhn in Gethſemane’s Huͤtten.
Hinter ihm hatte, da er der Juͤnger Verſammlung verlaſſen,
Einer die Thuͤre geſchloſſen. Als dieſer wieder zuruͤckkam,
Sagt’ er zu der Verſammlung: Jch habe die Thuͤre geſchloſſen,
Daß wir entrinnen, wofern die Prieſter ſenden. Denn glaubt nicht,
Daß ihr wuͤtender Durſt mit Jeſus Blute geſtillt ſey.
Da ſprach Kephas: Jch will nicht, daß ihr die Thuͤre verſchlieſſet.
Moͤgen ſie ihre Schaaren doch ſenden. Der Herr iſt erſtanden!
Aber ſie haben ja ſelbſt den nun Erſtandnen getoͤdtet!
Nun ſo will ich ſterben, wofern es ſein goͤttlicher Will’ iſt!
Schließt die Thuͤre nicht! Kleinmut, wie die, entehrt den Erſtandnen!
Muͤſſen wir ſterben, o Simon, ſo helfen geſchloſſene Thuͤren
Uns ja nicht. Allein daß zu kuͤhn in Gefahr wir uns wagen,
Jſt der Wille des Herrn nicht; und Rettung uͤber die Mauer
Jſt in unſrer Gewalt, wenn die Thuͤre die Wuͤtenden aufhaͤlt!
Jſt in unſrer Gewalt, wenn der Herr die Wuͤtenden aufhaͤlt!
Sagte Petrus feuriger, ließ die Thuͤre ſie ſchlieſſen.
Aber nicht lange, ſo ſcholl das Haus von eiligem Klopfen.
Und ſie erſchracken. Da ſcholls von neuem. Jakobus erhub ſich,
Eilt’ hinunter, und fragte. Matthias, und Kleophas warens.
Und er ließ ſie herein die gluͤcklichen Beyden. Sie ſanken
Faſt vor Muͤdigkeit, athmeten, ſtanden, gingen langſam,
Trockneten ſich die Stirne. Wen floht ihr? ſagte Jakobus.
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