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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Der Messias.
Und sie saß, und lehnte sich sanft auf eine Harfe,
Der ein weinender Laut entklang, indem sich Debora
Auf sie lehnt'. Umsonst ward Tabitha dieser Betrübten
Trösterinn. Laß mich allein, und jene Wunde da bluten!
Meine blute für sich. Und Tabitha ging zu den Schmerzen,
Die sie nun weniger rührten, zurück, und versuchte zu sticken.
Aber jetzo ergriff die Unbekannte die Harfe,
Und wie ein fernherweinender Bach, wenn vor dem Gewitter
Todesstille die Wälder beherrscht, erklangs in den Saiten
Und die sinkende Hand der grabverlangenden Freundinn.
Tabitha hörete nur, und vergaß der Leidenden Thränen,
Als ihr Gesang, die Seele der Saiten, mit ihnen ertönte.
Gott der Götter, belohne du nun die vollendete Todte.
Doch sind Leiden der Zeit der Herrlichkeit würdig, zu der du
Gott, Belohner erhebst? Sie starb in der Blüte des Lebens!
Aber was ist die Blume, die sank von Sturme gebrochen,
Gegen die Ceder Gottes, die oben auf Golgatha stürzte?
Die vom Himmel herab des Allmächtigen Wetter zermalmte,
Daß die Felsen umher, und die Gräber der Todten erbebten?
Wie von dem Bilde geschreckt, verstummte Debora. Nur einzle,
Starke Schüttrungen rauscheten noch durch die Nerven der Harfe
Weit herunter, bis endlich, die hohe Seele der Saiten,
Bis der Gesang, von neuem begann. Das Leichengefolge
Deß, der auf Golgatha starb, war ein kleiner weinender Haufe
Sterbliche; waren, verloschen an Schimmer, Himmelsbewohner!
Und der Todtengesang der unsichtbaren Begleiter
Scholl, wie der Storbenden Weinen am siebenarmigen Strome,
Als
Der Meſſias.
Und ſie ſaß, und lehnte ſich ſanft auf eine Harfe,
Der ein weinender Laut entklang, indem ſich Debora
Auf ſie lehnt’. Umſonſt ward Tabitha dieſer Betruͤbten
Troͤſterinn. Laß mich allein, und jene Wunde da bluten!
Meine blute fuͤr ſich. Und Tabitha ging zu den Schmerzen,
Die ſie nun weniger ruͤhrten, zuruͤck, und verſuchte zu ſticken.
Aber jetzo ergriff die Unbekannte die Harfe,
Und wie ein fernherweinender Bach, wenn vor dem Gewitter
Todesſtille die Waͤlder beherrſcht, erklangs in den Saiten
Und die ſinkende Hand der grabverlangenden Freundinn.
Tabitha hoͤrete nur, und vergaß der Leidenden Thraͤnen,
Als ihr Geſang, die Seele der Saiten, mit ihnen ertoͤnte.
Gott der Goͤtter, belohne du nun die vollendete Todte.
Doch ſind Leiden der Zeit der Herrlichkeit wuͤrdig, zu der du
Gott, Belohner erhebſt? Sie ſtarb in der Bluͤte des Lebens!
Aber was iſt die Blume, die ſank von Sturme gebrochen,
Gegen die Ceder Gottes, die oben auf Golgatha ſtuͤrzte?
Die vom Himmel herab des Allmaͤchtigen Wetter zermalmte,
Daß die Felſen umher, und die Graͤber der Todten erbebten?
Wie von dem Bilde geſchreckt, verſtummte Debora. Nur einzle,
Starke Schuͤttrungen rauſcheten noch durch die Nerven der Harfe
Weit herunter, bis endlich, die hohe Seele der Saiten,
Bis der Geſang, von neuem begann. Das Leichengefolge
Deß, der auf Golgatha ſtarb, war ein kleiner weinender Haufe
Sterbliche; waren, verloſchen an Schimmer, Himmelsbewohner!
Und der Todtengeſang der unſichtbaren Begleiter
Scholl, wie der Storbenden Weinen am ſiebenarmigen Strome,
Als
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[210/0226] Der Meſſias. Und ſie ſaß, und lehnte ſich ſanft auf eine Harfe, Der ein weinender Laut entklang, indem ſich Debora Auf ſie lehnt’. Umſonſt ward Tabitha dieſer Betruͤbten Troͤſterinn. Laß mich allein, und jene Wunde da bluten! Meine blute fuͤr ſich. Und Tabitha ging zu den Schmerzen, Die ſie nun weniger ruͤhrten, zuruͤck, und verſuchte zu ſticken. Aber jetzo ergriff die Unbekannte die Harfe, Und wie ein fernherweinender Bach, wenn vor dem Gewitter Todesſtille die Waͤlder beherrſcht, erklangs in den Saiten Und die ſinkende Hand der grabverlangenden Freundinn. Tabitha hoͤrete nur, und vergaß der Leidenden Thraͤnen, Als ihr Geſang, die Seele der Saiten, mit ihnen ertoͤnte. Gott der Goͤtter, belohne du nun die vollendete Todte. Doch ſind Leiden der Zeit der Herrlichkeit wuͤrdig, zu der du Gott, Belohner erhebſt? Sie ſtarb in der Bluͤte des Lebens! Aber was iſt die Blume, die ſank von Sturme gebrochen, Gegen die Ceder Gottes, die oben auf Golgatha ſtuͤrzte? Die vom Himmel herab des Allmaͤchtigen Wetter zermalmte, Daß die Felſen umher, und die Graͤber der Todten erbebten? Wie von dem Bilde geſchreckt, verſtummte Debora. Nur einzle, Starke Schuͤttrungen rauſcheten noch durch die Nerven der Harfe Weit herunter, bis endlich, die hohe Seele der Saiten, Bis der Geſang, von neuem begann. Das Leichengefolge Deß, der auf Golgatha ſtarb, war ein kleiner weinender Haufe Sterbliche; waren, verloſchen an Schimmer, Himmelsbewohner! Und der Todtengeſang der unſichtbaren Begleiter Scholl, wie der Storbenden Weinen am ſiebenarmigen Strome, Als

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/226>, abgerufen am 24.11.2024.