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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Der Messias.
Offne Nacht, nicht Erd' auf den Leichnam mit dumpfem Getöse
Niedergeworfen, nicht Stille verlaßner einsamer Gräber,
Noch der Verwesung Bild wer, wenn dieß alles sein wartet,
Weis, daß Gott ihn dereinst in seinen Himmel hinaufruft,
An dem Tage der grossen Geburt in das Leben der Engel.

Also sagte Debora, und nahm die Harfe von neuem,
Und sanftlispelnder Laut, und unsterbliche Stimmen entflossen
Jhrer fliegenden Hand, und ihrem lächelndem Antlitz.
Was empfand ich, als nun das neue Leben mich aufhub
Aus der blumigen Gruft! mein Staub Unsterblichkeit wurde!
Aus den Chören der Engel zu mir die Verklärung herabstieg!
Wie erbebt' ich! (Sie bebte von neuem, und wurde zu Schimmer.)
Welcher Seligkeit Schauer durchströmte mein innerstes Leben!
Welcher Glanz war mein Glanz! Jn welcher Herrlichkeit Lichte
Wohnte mein ewiger Geist! Jch wandte mein Antlitz, und suchte
Dessen Thron, der von neuem mich schuf. Er war mir nicht sichtbar.
Leises Wehn nur, und Säuseln der Gegenwart Gottes umgab mich.
Jhre Himmelsstimme verlor stets sanfter dem Ohre
Sich, dem Auge der Schimmer. Da blieb voll Blässe der Freude
Tabitha stehen; und nun schwieg auch der Harfe Nachlaut.
Gedor von sanftem Herzen, und gleich empfindlich der Freude
Und der Traurigkeit, aber auch festen Entschlusses, dem Geber,
Ruhe gäb er ihm, oder Schmerz, sich zu unterwerfen;
Gedor lebte verborgen, und glücklich mit der Gefährtinn
Dieses Lebens nicht nur, auch jenes ewigen Lebens.
Wie sie sich liebten, wußten nur sie, und wenige Freunde.
Weggewandt von dem Leben am Staube, besprachen sie oft sich
Von

Der Meſſias.
Offne Nacht, nicht Erd’ auf den Leichnam mit dumpfem Getoͤſe
Niedergeworfen, nicht Stille verlaßner einſamer Graͤber,
Noch der Verweſung Bild wer, wenn dieß alles ſein wartet,
Weis, daß Gott ihn dereinſt in ſeinen Himmel hinaufruft,
An dem Tage der groſſen Geburt in das Leben der Engel.

Alſo ſagte Debora, und nahm die Harfe von neuem,
Und ſanftlispelnder Laut, und unſterbliche Stimmen entfloſſen
Jhrer fliegenden Hand, und ihrem laͤchelndem Antlitz.
Was empfand ich, als nun das neue Leben mich aufhub
Aus der blumigen Gruft! mein Staub Unſterblichkeit wurde!
Aus den Choͤren der Engel zu mir die Verklaͤrung herabſtieg!
Wie erbebt’ ich! (Sie bebte von neuem, und wurde zu Schimmer.)
Welcher Seligkeit Schauer durchſtroͤmte mein innerſtes Leben!
Welcher Glanz war mein Glanz! Jn welcher Herrlichkeit Lichte
Wohnte mein ewiger Geiſt! Jch wandte mein Antlitz, und ſuchte
Deſſen Thron, der von neuem mich ſchuf. Er war mir nicht ſichtbar.
Leiſes Wehn nur, und Saͤuſeln der Gegenwart Gottes umgab mich.
Jhre Himmelsſtimme verlor ſtets ſanfter dem Ohre
Sich, dem Auge der Schimmer. Da blieb voll Blaͤſſe der Freude
Tabitha ſtehen; und nun ſchwieg auch der Harfe Nachlaut.
Gedor von ſanftem Herzen, und gleich empfindlich der Freude
Und der Traurigkeit, aber auch feſten Entſchluſſes, dem Geber,
Ruhe gaͤb er ihm, oder Schmerz, ſich zu unterwerfen;
Gedor lebte verborgen, und gluͤcklich mit der Gefaͤhrtinn
Dieſes Lebens nicht nur, auch jenes ewigen Lebens.
Wie ſie ſich liebten, wußten nur ſie, und wenige Freunde.
Weggewandt von dem Leben am Staube, beſprachen ſie oft ſich
Von
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[212/0228] Der Meſſias. Offne Nacht, nicht Erd’ auf den Leichnam mit dumpfem Getoͤſe Niedergeworfen, nicht Stille verlaßner einſamer Graͤber, Noch der Verweſung Bild wer, wenn dieß alles ſein wartet, Weis, daß Gott ihn dereinſt in ſeinen Himmel hinaufruft, An dem Tage der groſſen Geburt in das Leben der Engel. Alſo ſagte Debora, und nahm die Harfe von neuem, Und ſanftlispelnder Laut, und unſterbliche Stimmen entfloſſen Jhrer fliegenden Hand, und ihrem laͤchelndem Antlitz. Was empfand ich, als nun das neue Leben mich aufhub Aus der blumigen Gruft! mein Staub Unſterblichkeit wurde! Aus den Choͤren der Engel zu mir die Verklaͤrung herabſtieg! Wie erbebt’ ich! (Sie bebte von neuem, und wurde zu Schimmer.) Welcher Seligkeit Schauer durchſtroͤmte mein innerſtes Leben! Welcher Glanz war mein Glanz! Jn welcher Herrlichkeit Lichte Wohnte mein ewiger Geiſt! Jch wandte mein Antlitz, und ſuchte Deſſen Thron, der von neuem mich ſchuf. Er war mir nicht ſichtbar. Leiſes Wehn nur, und Saͤuſeln der Gegenwart Gottes umgab mich. Jhre Himmelsſtimme verlor ſtets ſanfter dem Ohre Sich, dem Auge der Schimmer. Da blieb voll Blaͤſſe der Freude Tabitha ſtehen; und nun ſchwieg auch der Harfe Nachlaut. Gedor von ſanftem Herzen, und gleich empfindlich der Freude Und der Traurigkeit, aber auch feſten Entſchluſſes, dem Geber, Ruhe gaͤb er ihm, oder Schmerz, ſich zu unterwerfen; Gedor lebte verborgen, und gluͤcklich mit der Gefaͤhrtinn Dieſes Lebens nicht nur, auch jenes ewigen Lebens. Wie ſie ſich liebten, wußten nur ſie, und wenige Freunde. Weggewandt von dem Leben am Staube, beſprachen ſie oft ſich Von

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/228>, abgerufen am 21.11.2024.