[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Warum weint ihm nicht nach, wer lahm war, und gehet? wer taub war,Höret? blind war, und sieht? dem Wunderthäter, wer todt war, Und nun lebet? daß nie ein Triumph, wie der Seine gesehn sey! Keiner, der stolz die siegenden Hügel umzog, und den Lorbeer Nieder im Capitol, bey dem Donner Jupiters, legte! Doch wo verlier' ich mich hin? Sein Reich, das hört' ich ja selber, Jst von dieser Welt nicht. ... Entsunken dem schwellenden Wunsche Nach Triumphen, wie jenen die Blutvergiesser belohnten Schwung sie sich auf, in erhabnere Höhn, und schwieg, voll Betrachtung Eines Reiches der künftigen Welt. Da sie Jemina sahe, Wie sie in diese Betrachtung versank, mit des freudigen Ernstes Hellen Gebehrde; vergaß sie beynah in ihrer Entzückung, Daß sie, bey einer Sterblichen, eine Sterbliche stünde. Denn die Schöne der Abendröthe glänzt' auf der Wang' ihr, Und ihr Lächeln im Blick. Doch als sich Portia wandte, Und sie zu sehen begann, verließ sie der Schimmer, sie wurde Schnell zur Pilgerinn wieder, und lehnte sich ruhebedürftig, Auf den stützenden Stab. Doch ließ die himmlische Wonne, Aus der sie in Müdigkeit sank, in Portia's Seele, Ein Erstaunen zurück, daß sie zu fragen verstummte, Sanftes Erstaunen, und Zittern, und schnelleres Athmen, und Tiefsinn, Und noch redte sie nicht. ... Wie freut ich mich deiner Betrachtung Ueber das Reich der künftigen Welt, und daß dir Triumphe Dieser Erde zu klein, für den Herrn der Herrlichkeit, waren! Du, die traurig nicht mehr, nicht mehr ein Spiel der Verirrung Seyn, die sich freuen sollte, daß wir dir sagen, der Todte Sey
Der Meſſias. Warum weint ihm nicht nach, wer lahm war, und gehet? wer taub war,Hoͤret? blind war, und ſieht? dem Wunderthaͤter, wer todt war, Und nun lebet? daß nie ein Triumph, wie der Seine geſehn ſey! Keiner, der ſtolz die ſiegenden Huͤgel umzog, und den Lorbeer Nieder im Capitol, bey dem Donner Jupiters, legte! Doch wo verlier’ ich mich hin? Sein Reich, das hoͤrt’ ich ja ſelber, Jſt von dieſer Welt nicht. … Entſunken dem ſchwellenden Wunſche Nach Triumphen, wie jenen die Blutvergieſſer belohnten Schwung ſie ſich auf, in erhabnere Hoͤhn, und ſchwieg, voll Betrachtung Eines Reiches der kuͤnftigen Welt. Da ſie Jemina ſahe, Wie ſie in dieſe Betrachtung verſank, mit des freudigen Ernſtes Hellen Gebehrde; vergaß ſie beynah in ihrer Entzuͤckung, Daß ſie, bey einer Sterblichen, eine Sterbliche ſtuͤnde. Denn die Schoͤne der Abendroͤthe glaͤnzt’ auf der Wang’ ihr, Und ihr Laͤcheln im Blick. Doch als ſich Portia wandte, Und ſie zu ſehen begann, verließ ſie der Schimmer, ſie wurde Schnell zur Pilgerinn wieder, und lehnte ſich ruhebeduͤrftig, Auf den ſtuͤtzenden Stab. Doch ließ die himmliſche Wonne, Aus der ſie in Muͤdigkeit ſank, in Portia’s Seele, Ein Erſtaunen zuruͤck, daß ſie zu fragen verſtummte, Sanftes Erſtaunen, und Zittern, und ſchnelleres Athmen, und Tiefſinn, Und noch redte ſie nicht. … Wie freut ich mich deiner Betrachtung Ueber das Reich der kuͤnftigen Welt, und daß dir Triumphe Dieſer Erde zu klein, fuͤr den Herrn der Herrlichkeit, waren! Du, die traurig nicht mehr, nicht mehr ein Spiel der Verirrung Seyn, die ſich freuen ſollte, daß wir dir ſagen, der Todte Sey
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Der Meſſias.
Warum weint ihm nicht nach, wer lahm war, und gehet? wer taub war,
Hoͤret? blind war, und ſieht? dem Wunderthaͤter, wer todt war,
Und nun lebet? daß nie ein Triumph, wie der Seine geſehn ſey!
Keiner, der ſtolz die ſiegenden Huͤgel umzog, und den Lorbeer
Nieder im Capitol, bey dem Donner Jupiters, legte!
Doch wo verlier’ ich mich hin? Sein Reich, das hoͤrt’ ich ja ſelber,
Jſt von dieſer Welt nicht. … Entſunken dem ſchwellenden Wunſche
Nach Triumphen, wie jenen die Blutvergieſſer belohnten
Schwung ſie ſich auf, in erhabnere Hoͤhn, und ſchwieg, voll Betrachtung
Eines Reiches der kuͤnftigen Welt. Da ſie Jemina ſahe,
Wie ſie in dieſe Betrachtung verſank, mit des freudigen Ernſtes
Hellen Gebehrde; vergaß ſie beynah in ihrer Entzuͤckung,
Daß ſie, bey einer Sterblichen, eine Sterbliche ſtuͤnde.
Denn die Schoͤne der Abendroͤthe glaͤnzt’ auf der Wang’ ihr,
Und ihr Laͤcheln im Blick. Doch als ſich Portia wandte,
Und ſie zu ſehen begann, verließ ſie der Schimmer, ſie wurde
Schnell zur Pilgerinn wieder, und lehnte ſich ruhebeduͤrftig,
Auf den ſtuͤtzenden Stab. Doch ließ die himmliſche Wonne,
Aus der ſie in Muͤdigkeit ſank, in Portia’s Seele,
Ein Erſtaunen zuruͤck, daß ſie zu fragen verſtummte,
Sanftes Erſtaunen, und Zittern, und ſchnelleres Athmen, und Tiefſinn,
Und noch redte ſie nicht. … Wie freut ich mich deiner Betrachtung
Ueber das Reich der kuͤnftigen Welt, und daß dir Triumphe
Dieſer Erde zu klein, fuͤr den Herrn der Herrlichkeit, waren!
Du, die traurig nicht mehr, nicht mehr ein Spiel der Verirrung
Seyn, die ſich freuen ſollte, daß wir dir ſagen, der Todte
Sey
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