[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Naht sich eilend, und schon begleiten ihn seine Genossen,Hält sie mit dem nervichten Arm hoch über dem Haupte: Stirb! und schmettert nieder, da brach das Gebein des Verbrechers Da erscholl von der Wurzel das Kreuz bis hinauf zu dem Wipfel. Und der begnadigte Jüngling vernahm des erschütterten Kreuzes Dumpfen Schall, den Verkündiger seines nahenden Todes. Sanft klang ihm die prophetische Stimme des nahenden Todes! Und schon wandte der Römer sich, ging mit zitterndem Schrecken Vor dem Kreuz in der Mitte vorüber. Denn Götter der Rache Schwebten, so daucht es ihm, schwebten um dieses Kreuz in der Mitte! Und er kam zu dem Jüngling, der blickte voll Ruh auf ihn nieder. Und der Kreuziger, schnell des Jünglings Qualen zu enden, Stürzte mit allen Kräften, die ihm der härtende Krieg gab, Auf sein müdes Gebein die blutige, triefende Keule Aechzend nieder, da brachs, und schüttert', und blutet', es hallte Laut das Kreuz! herauf von der Wurzel stäubte die Erde, Und ringsum erbebten der Hingerichteten Schädel. Jetzo ging er noch Einmal, allein mit säumendem Fuße, Nach dem Kreuz in der Mitten, und stand, und sah auf den Leichnam, Rufte dem Hauptmann zu, der unten am Hügel voll Tiefsinus Langsam ging, er rief: Bey den Göttern! er ist gestorben! Jhm antwortet der Hauptmann: Jch weis, daß er todt ist, doch nim du Einen Speer, und durchstoß ihm das Herz! So sagt' er, und wandte Wieder sich weg, und blickte mit trüberem Ernst auf die Erde. Schon erhub sich der blinkende Speer, schon zuckt' er zurücke, Schneller vorwärts, und drang in die Seite des göttlichen Leichnams! Wasser entquoll und Blut der Seite des göttlichen Leichnams. Jetzo
Der Meſſias. Naht ſich eilend, und ſchon begleiten ihn ſeine Genoſſen,Haͤlt ſie mit dem nervichten Arm hoch uͤber dem Haupte: Stirb! und ſchmettert nieder, da brach das Gebein des Verbrechers Da erſcholl von der Wurzel das Kreuz bis hinauf zu dem Wipfel. Und der begnadigte Juͤngling vernahm des erſchuͤtterten Kreuzes Dumpfen Schall, den Verkuͤndiger ſeines nahenden Todes. Sanft klang ihm die prophetiſche Stimme des nahenden Todes! Und ſchon wandte der Roͤmer ſich, ging mit zitterndem Schrecken Vor dem Kreuz in der Mitte voruͤber. Denn Goͤtter der Rache Schwebten, ſo daucht es ihm, ſchwebten um dieſes Kreuz in der Mitte! Und er kam zu dem Juͤngling, der blickte voll Ruh auf ihn nieder. Und der Kreuziger, ſchnell des Juͤnglings Qualen zu enden, Stuͤrzte mit allen Kraͤften, die ihm der haͤrtende Krieg gab, Auf ſein muͤdes Gebein die blutige, triefende Keule Aechzend nieder, da brachs, und ſchuͤttert’, und blutet’, es hallte Laut das Kreuz! herauf von der Wurzel ſtaͤubte die Erde, Und ringsum erbebten der Hingerichteten Schaͤdel. Jetzo ging er noch Einmal, allein mit ſaͤumendem Fuße, Nach dem Kreuz in der Mitten, und ſtand, und ſah auf den Leichnam, Rufte dem Hauptmann zu, der unten am Huͤgel voll Tiefſinus Langſam ging, er rief: Bey den Goͤttern! er iſt geſtorben! Jhm antwortet der Hauptmann: Jch weis, daß er todt iſt, doch nim du Einen Speer, und durchſtoß ihm das Herz! So ſagt’ er, und wandte Wieder ſich weg, und blickte mit truͤberem Ernſt auf die Erde. Schon erhub ſich der blinkende Speer, ſchon zuckt’ er zuruͤcke, Schneller vorwaͤrts, und drang in die Seite des goͤttlichen Leichnams! Waſſer entquoll und Blut der Seite des goͤttlichen Leichnams. Jetzo
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Der Meſſias.
Naht ſich eilend, und ſchon begleiten ihn ſeine Genoſſen,
Haͤlt ſie mit dem nervichten Arm hoch uͤber dem Haupte:
Stirb! und ſchmettert nieder, da brach das Gebein des Verbrechers
Da erſcholl von der Wurzel das Kreuz bis hinauf zu dem Wipfel.
Und der begnadigte Juͤngling vernahm des erſchuͤtterten Kreuzes
Dumpfen Schall, den Verkuͤndiger ſeines nahenden Todes.
Sanft klang ihm die prophetiſche Stimme des nahenden Todes!
Und ſchon wandte der Roͤmer ſich, ging mit zitterndem Schrecken
Vor dem Kreuz in der Mitte voruͤber. Denn Goͤtter der Rache
Schwebten, ſo daucht es ihm, ſchwebten um dieſes Kreuz in der Mitte!
Und er kam zu dem Juͤngling, der blickte voll Ruh auf ihn nieder.
Und der Kreuziger, ſchnell des Juͤnglings Qualen zu enden,
Stuͤrzte mit allen Kraͤften, die ihm der haͤrtende Krieg gab,
Auf ſein muͤdes Gebein die blutige, triefende Keule
Aechzend nieder, da brachs, und ſchuͤttert’, und blutet’, es hallte
Laut das Kreuz! herauf von der Wurzel ſtaͤubte die Erde,
Und ringsum erbebten der Hingerichteten Schaͤdel.
Jetzo ging er noch Einmal, allein mit ſaͤumendem Fuße,
Nach dem Kreuz in der Mitten, und ſtand, und ſah auf den Leichnam,
Rufte dem Hauptmann zu, der unten am Huͤgel voll Tiefſinus
Langſam ging, er rief: Bey den Goͤttern! er iſt geſtorben!
Jhm antwortet der Hauptmann: Jch weis, daß er todt iſt, doch nim du
Einen Speer, und durchſtoß ihm das Herz! So ſagt’ er, und wandte
Wieder ſich weg, und blickte mit truͤberem Ernſt auf die Erde.
Schon erhub ſich der blinkende Speer, ſchon zuckt’ er zuruͤcke,
Schneller vorwaͤrts, und drang in die Seite des goͤttlichen Leichnams!
Waſſer entquoll und Blut der Seite des goͤttlichen Leichnams.
Jetzo
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