[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Elfter Gesang. Jetzo sahn die verlöschenden Augen des sterbenden Jünglings,Aber nur ferne, so daucht es ihm, nur in trübender Dämmrung, Noch dieß Blut aus dem Leichnam des heiligen Dulders rinnen. Und es brach ihm sein Herz. Jndem der Leib und die Seele, Nicht zu scheiden, dir nicht, o Tod! zu weichen, noch ringen, Eh des starken Bands der Natur unerforschte Gewebe Alle zerrissen, empfindet des Sterbenden Geist so, denkt so, Oder ist sich bewußt; doch Worte menschlicher Sprachen Streben umsonst, zu beschreiben, wie Seelen der Sterbenden handeln. Nun, nun ... ach, auch meiner erbarme dich! deines Blutes Um des Todes willen, den du für Alle! ... verließ dich Gott! Gott! Gott verließ dich! Erbarme dich Aller! meiner! Ja, um deiner Geburt, um deiner Leiden willen Jn dem Gericht! um deines versöhnenden Todes am Kreuze! Deiner Auferstehung! und deiner Erhebung zum Vater! Deines Todes und Lebens willen! ... du bist es! du bist es! Amen! Amen! du bist der Vollender! und eingegangen, Hoherpriester, ins Allerheiligste! deine Versöhnung, Gottversöhner, ist ewig! Wie dürstete Jesus Christus! Sünde gemacht und Fluch, wie dürstete Jesus Christus! Hör' ich: Es ist vollendet! allmächtige Stimme dich wieder? Todeshügel, mein Grab, du warst sein Altar! O freu dich Deiner Verwesung, zermalmtes Gebein! Hier wirst du verwesen! Als er so in der Tiefe der Seele flehte, da nahte Abdiel sich, und schwebt' um ihn mit leiserem Fluge, Blickt' ihn an. Schnell ward des Unsterblichen Angesicht heller, Also segnet' er ihn zu dem Tod' ein: Quelle des Lebens! Unaus- III Band. C
Elfter Geſang. Jetzo ſahn die verloͤſchenden Augen des ſterbenden Juͤnglings,Aber nur ferne, ſo daucht es ihm, nur in truͤbender Daͤmmrung, Noch dieß Blut aus dem Leichnam des heiligen Dulders rinnen. Und es brach ihm ſein Herz. Jndem der Leib und die Seele, Nicht zu ſcheiden, dir nicht, o Tod! zu weichen, noch ringen, Eh des ſtarken Bands der Natur unerforſchte Gewebe Alle zerriſſen, empfindet des Sterbenden Geiſt ſo, denkt ſo, Oder iſt ſich bewußt; doch Worte menſchlicher Sprachen Streben umſonſt, zu beſchreiben, wie Seelen der Sterbenden handeln. Nun, nun … ach, auch meiner erbarme dich! deines Blutes Um des Todes willen, den du fuͤr Alle! … verließ dich Gott! Gott! Gott verließ dich! Erbarme dich Aller! meiner! Ja, um deiner Geburt, um deiner Leiden willen Jn dem Gericht! um deines verſoͤhnenden Todes am Kreuze! Deiner Auferſtehung! und deiner Erhebung zum Vater! Deines Todes und Lebens willen! … du biſt es! du biſt es! Amen! Amen! du biſt der Vollender! und eingegangen, Hoherprieſter, ins Allerheiligſte! deine Verſoͤhnung, Gottverſoͤhner, iſt ewig! Wie duͤrſtete Jeſus Chriſtus! Suͤnde gemacht und Fluch, wie duͤrſtete Jeſus Chriſtus! Hoͤr’ ich: Es iſt vollendet! allmaͤchtige Stimme dich wieder? Todeshuͤgel, mein Grab, du warſt ſein Altar! O freu dich Deiner Verweſung, zermalmtes Gebein! Hier wirſt du verweſen! Als er ſo in der Tiefe der Seele flehte, da nahte Abdiel ſich, und ſchwebt’ um ihn mit leiſerem Fluge, Blickt’ ihn an. Schnell ward des Unſterblichen Angeſicht heller, Alſo ſegnet’ er ihn zu dem Tod’ ein: Quelle des Lebens! Unaus- III Band. C
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Elfter Geſang.
Jetzo ſahn die verloͤſchenden Augen des ſterbenden Juͤnglings,
Aber nur ferne, ſo daucht es ihm, nur in truͤbender Daͤmmrung,
Noch dieß Blut aus dem Leichnam des heiligen Dulders rinnen.
Und es brach ihm ſein Herz. Jndem der Leib und die Seele,
Nicht zu ſcheiden, dir nicht, o Tod! zu weichen, noch ringen,
Eh des ſtarken Bands der Natur unerforſchte Gewebe
Alle zerriſſen, empfindet des Sterbenden Geiſt ſo, denkt ſo,
Oder iſt ſich bewußt; doch Worte menſchlicher Sprachen
Streben umſonſt, zu beſchreiben, wie Seelen der Sterbenden handeln.
Nun, nun … ach, auch meiner erbarme dich! deines Blutes
Um des Todes willen, den du fuͤr Alle! … verließ dich
Gott! Gott! Gott verließ dich! Erbarme dich Aller! meiner!
Ja, um deiner Geburt, um deiner Leiden willen
Jn dem Gericht! um deines verſoͤhnenden Todes am Kreuze!
Deiner Auferſtehung! und deiner Erhebung zum Vater!
Deines Todes und Lebens willen! … du biſt es! du biſt es!
Amen! Amen! du biſt der Vollender! und eingegangen,
Hoherprieſter, ins Allerheiligſte! deine Verſoͤhnung,
Gottverſoͤhner, iſt ewig! Wie duͤrſtete Jeſus Chriſtus!
Suͤnde gemacht und Fluch, wie duͤrſtete Jeſus Chriſtus!
Hoͤr’ ich: Es iſt vollendet! allmaͤchtige Stimme dich wieder?
Todeshuͤgel, mein Grab, du warſt ſein Altar! O freu dich
Deiner Verweſung, zermalmtes Gebein! Hier wirſt du verweſen!
Als er ſo in der Tiefe der Seele flehte, da nahte
Abdiel ſich, und ſchwebt’ um ihn mit leiſerem Fluge,
Blickt’ ihn an. Schnell ward des Unſterblichen Angeſicht heller,
Alſo ſegnet’ er ihn zu dem Tod’ ein: Quelle des Lebens!
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