[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Lange wird Er mit euch, die diesen Abel erwürgten, Siehe der Eine, der ewig ist, rechten; Jhr Kain, ich kenn' euch! Weis, wo ihr seyd! Schrie gegen euch nicht zu mir in den Himmel Eures Bruders Blut? Nicht um Rache rief mirs, es rief mir, Bis in des Allerheiligsten innerste Nacht, um Gnade! Aber ihr wolltet nicht Gnade! ... So wird die Stimme des Rächers, Von dem hohen Golgatha bis in die unterste Hölle, Viel Aeonen ertönen! Nun wählt, ihr Mörder des Mittlers, Eure Wahl denn, und sterbt! ... Doch jetzo entsank die Posaune Selber Eloa, auch schwieg der Gesang des ernsten Propheten. Und sie sahen dem Leichname nach. Jhn trugen die Frommen Nieder zum Grabe, das gegen dem hohen Golgatha über Einsam unter alternden Bäumen in Felsen gehaun lag. Und sie entwälzten den deckenden Stein der Oeffnung des Grabes. Josephs Aug' erkohr in seiner Tiefe die Stäte Für den Entschlafnen, und also zerfloß des Traurenden Seele. Endlich hat des Lebens, ach endlich des Todes Dulder, Wo er sein Haupt hinlege! Sie nahmen den heiligen Leichnam Und sie senkten ihn sanft in die Tiefe des Grabes und wandten Oft von dem liegenden Todten weg ihr weinendes Auge, Bis sie zuletzt den Felsen mit müdem Arm' aufhuben, Seine dumpfe Last in des Grabes Oeffnung sinken Ließen, und Nacht ausbreiteten über den Leichnam des Mittlers. Als die Nacht den Todten umgab, ertönten die Chöre Seiner himmlischen Leichengefährten. Sie sahn in des Grabes Nacht schon dämmern die Morgenröthe der Auferstehung. Selbst
Der Meſſias. Lange wird Er mit euch, die dieſen Abel erwuͤrgten, Siehe der Eine, der ewig iſt, rechten; Jhr Kain, ich kenn’ euch! Weis, wo ihr ſeyd! Schrie gegen euch nicht zu mir in den Himmel Eures Bruders Blut? Nicht um Rache rief mirs, es rief mir, Bis in des Allerheiligſten innerſte Nacht, um Gnade! Aber ihr wolltet nicht Gnade! … So wird die Stimme des Raͤchers, Von dem hohen Golgatha bis in die unterſte Hoͤlle, Viel Aeonen ertoͤnen! Nun waͤhlt, ihr Moͤrder des Mittlers, Eure Wahl denn, und ſterbt! … Doch jetzo entſank die Poſaune Selber Eloa, auch ſchwieg der Geſang des ernſten Propheten. Und ſie ſahen dem Leichname nach. Jhn trugen die Frommen Nieder zum Grabe, das gegen dem hohen Golgatha uͤber Einſam unter alternden Baͤumen in Felſen gehaun lag. Und ſie entwaͤlzten den deckenden Stein der Oeffnung des Grabes. Joſephs Aug’ erkohr in ſeiner Tiefe die Staͤte Fuͤr den Entſchlafnen, und alſo zerfloß des Traurenden Seele. Endlich hat des Lebens, ach endlich des Todes Dulder, Wo er ſein Haupt hinlege! Sie nahmen den heiligen Leichnam Und ſie ſenkten ihn ſanft in die Tiefe des Grabes und wandten Oft von dem liegenden Todten weg ihr weinendes Auge, Bis ſie zuletzt den Felſen mit muͤdem Arm’ aufhuben, Seine dumpfe Laſt in des Grabes Oeffnung ſinken Ließen, und Nacht ausbreiteten uͤber den Leichnam des Mittlers. Als die Nacht den Todten umgab, ertoͤnten die Choͤre Seiner himmliſchen Leichengefaͤhrten. Sie ſahn in des Grabes Nacht ſchon daͤmmern die Morgenroͤthe der Auferſtehung. Selbſt
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Der Meſſias.
Lange wird Er mit euch, die dieſen Abel erwuͤrgten,
Siehe der Eine, der ewig iſt, rechten; Jhr Kain, ich kenn’ euch!
Weis, wo ihr ſeyd! Schrie gegen euch nicht zu mir in den Himmel
Eures Bruders Blut? Nicht um Rache rief mirs, es rief mir,
Bis in des Allerheiligſten innerſte Nacht, um Gnade!
Aber ihr wolltet nicht Gnade! … So wird die Stimme des Raͤchers,
Von dem hohen Golgatha bis in die unterſte Hoͤlle,
Viel Aeonen ertoͤnen! Nun waͤhlt, ihr Moͤrder des Mittlers,
Eure Wahl denn, und ſterbt! … Doch jetzo entſank die Poſaune
Selber Eloa, auch ſchwieg der Geſang des ernſten Propheten.
Und ſie ſahen dem Leichname nach. Jhn trugen die Frommen
Nieder zum Grabe, das gegen dem hohen Golgatha uͤber
Einſam unter alternden Baͤumen in Felſen gehaun lag.
Und ſie entwaͤlzten den deckenden Stein der Oeffnung des Grabes.
Joſephs Aug’ erkohr in ſeiner Tiefe die Staͤte
Fuͤr den Entſchlafnen, und alſo zerfloß des Traurenden Seele.
Endlich hat des Lebens, ach endlich des Todes Dulder,
Wo er ſein Haupt hinlege! Sie nahmen den heiligen Leichnam
Und ſie ſenkten ihn ſanft in die Tiefe des Grabes und wandten
Oft von dem liegenden Todten weg ihr weinendes Auge,
Bis ſie zuletzt den Felſen mit muͤdem Arm’ aufhuben,
Seine dumpfe Laſt in des Grabes Oeffnung ſinken
Ließen, und Nacht ausbreiteten uͤber den Leichnam des Mittlers.
Als die Nacht den Todten umgab, ertoͤnten die Choͤre
Seiner himmliſchen Leichengefaͤhrten. Sie ſahn in des Grabes
Nacht ſchon daͤmmern die Morgenroͤthe der Auferſtehung.
Selbſt
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