[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Zwölfter Gesang. Selbst du wurdest gesä't, doch entsprossest du der Verwesung Nicht! Kaum schatten dir, Sohn, die Todesschatten, so regt sich Schon das neue Leben um dich! so rausch'ts im Gefilde Golgatha schon von Auferstehung! am blutigen Altar Laut von der Auferstehung des Größten unter den Todten! Tönet, Posaunen der ersten der Engel, der Erndter am Tage Seines Lohns, der Himmelrufer, wenn nun an des Thrones Strome die neuen Namen der Sieger melodisch heraufwehn. Tönet der nahenden Auferstehung des Sohnes entgegen! Lispelt, Harfen, der schönsten der Morgenröthen, dem Schimmer Seines Erwachens, dem strahlendem Schweben des Siegers entgegen! Ach uns schlummert er nicht in der Nacht des Schreckens! Er schlummert Uns in Palmenschatten, der Ueberwinder des Todes! Klaget, klaget ihm nach, ihr seine Geliebten, die sterblich Noch im Staube wandeln, ihr weint bald andere Thränen, Thränen, wie wir nicht weinen können, die euer Elend Nicht empfanden, wie ihr, nicht weinten aus blutendem Herzen! Stille verbreitete sich um das Grab. Die Engel verliessens Und die Menschen. Es schwieg der Harfen Stimm und der Thränen, Mittler Gottes, um dich, der endlich am blutigen Altar Ruhe fand, entrissen den Leiden des Opfertodes. Und Johannes wandte sein Antlitz, und sprach zu Maria: Meine Mutter, nun deckt ihn die Nacht. Ach laß uns den Hügel Nun verlassen. Jch will dich zu meiner Hütte geleiten. Ganz aus ihrer Seele, die Seele der Mutter des Mittlers War erhaben! mit trübem, und thränenblutendem Auge Sprach sie, und endete so ihr langes Todtenverstummen! Deine E 5
Zwoͤlfter Geſang. Selbſt du wurdeſt geſaͤ’t, doch entſproſſeſt du der Verweſung Nicht! Kaum ſchatten dir, Sohn, die Todesſchatten, ſo regt ſich Schon das neue Leben um dich! ſo rauſch’ts im Gefilde Golgatha ſchon von Auferſtehung! am blutigen Altar Laut von der Auferſtehung des Groͤßten unter den Todten! Toͤnet, Poſaunen der erſten der Engel, der Erndter am Tage Seines Lohns, der Himmelrufer, wenn nun an des Thrones Strome die neuen Namen der Sieger melodiſch heraufwehn. Toͤnet der nahenden Auferſtehung des Sohnes entgegen! Liſpelt, Harfen, der ſchoͤnſten der Morgenroͤthen, dem Schimmer Seines Erwachens, dem ſtrahlendem Schweben des Siegers entgegen! Ach uns ſchlummert er nicht in der Nacht des Schreckens! Er ſchlummert Uns in Palmenſchatten, der Ueberwinder des Todes! Klaget, klaget ihm nach, ihr ſeine Geliebten, die ſterblich Noch im Staube wandeln, ihr weint bald andere Thraͤnen, Thraͤnen, wie wir nicht weinen koͤnnen, die euer Elend Nicht empfanden, wie ihr, nicht weinten aus blutendem Herzen! Stille verbreitete ſich um das Grab. Die Engel verlieſſens Und die Menſchen. Es ſchwieg der Harfen Stimm und der Thraͤnen, Mittler Gottes, um dich, der endlich am blutigen Altar Ruhe fand, entriſſen den Leiden des Opfertodes. Und Johannes wandte ſein Antlitz, und ſprach zu Maria: Meine Mutter, nun deckt ihn die Nacht. Ach laß uns den Huͤgel Nun verlaſſen. Jch will dich zu meiner Huͤtte geleiten. Ganz aus ihrer Seele, die Seele der Mutter des Mittlers War erhaben! mit truͤbem, und thraͤnenblutendem Auge Sprach ſie, und endete ſo ihr langes Todtenverſtummen! Deine E 5
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Zwoͤlfter Geſang.
Selbſt du wurdeſt geſaͤ’t, doch entſproſſeſt du der Verweſung
Nicht! Kaum ſchatten dir, Sohn, die Todesſchatten, ſo regt ſich
Schon das neue Leben um dich! ſo rauſch’ts im Gefilde
Golgatha ſchon von Auferſtehung! am blutigen Altar
Laut von der Auferſtehung des Groͤßten unter den Todten!
Toͤnet, Poſaunen der erſten der Engel, der Erndter am Tage
Seines Lohns, der Himmelrufer, wenn nun an des Thrones
Strome die neuen Namen der Sieger melodiſch heraufwehn.
Toͤnet der nahenden Auferſtehung des Sohnes entgegen!
Liſpelt, Harfen, der ſchoͤnſten der Morgenroͤthen, dem Schimmer
Seines Erwachens, dem ſtrahlendem Schweben des Siegers entgegen!
Ach uns ſchlummert er nicht in der Nacht des Schreckens! Er ſchlummert
Uns in Palmenſchatten, der Ueberwinder des Todes!
Klaget, klaget ihm nach, ihr ſeine Geliebten, die ſterblich
Noch im Staube wandeln, ihr weint bald andere Thraͤnen,
Thraͤnen, wie wir nicht weinen koͤnnen, die euer Elend
Nicht empfanden, wie ihr, nicht weinten aus blutendem Herzen!
Stille verbreitete ſich um das Grab. Die Engel verlieſſens
Und die Menſchen. Es ſchwieg der Harfen Stimm und der Thraͤnen,
Mittler Gottes, um dich, der endlich am blutigen Altar
Ruhe fand, entriſſen den Leiden des Opfertodes.
Und Johannes wandte ſein Antlitz, und ſprach zu Maria:
Meine Mutter, nun deckt ihn die Nacht. Ach laß uns den Huͤgel
Nun verlaſſen. Jch will dich zu meiner Huͤtte geleiten.
Ganz aus ihrer Seele, die Seele der Mutter des Mittlers
War erhaben! mit truͤbem, und thraͤnenblutendem Auge
Sprach ſie, und endete ſo ihr langes Todtenverſtummen!
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