Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Er als ein sterblicher Mann schon gewohnt, an der Rechte des
Donners,
Dicht am Hall der Posaune zu stehen, er sprach: Jch sehe
Alle Gefilde der dampfenden Erde, die seh ich mit Bildern
Wunderbarer Erfindung bedeckt! Die waren euch Götter?
Diese sollten ein Bild seyn deß, den die Himmel nicht bilden?
Kaum sind diese sein Schatten! Jhr fühltet's, so bliebt ihr geschaffen,
Wenn ihr von euren Höhen euch auch am tiefsten herabwarft,
Daß der Wurm auf dem Felde der hohen Wolke nicht rufe!
Noch das Thier in der Flut die Thräne des Leidenden trockne!
Daß die steigende Sonne nicht Herzen menschlicher mache,
Und nicht heilig den dürstenden Geist nach Ruh, und nach Unschuld;
Wenn auch auf dem Altar Räuchwerk, und festliches Feuer
Ewig glüh', und ströme der Lobgesang zum Altare.
Ja, ihr fühltet's! allein ihr waret zu voll von euch selber,
Vor dem Erhabenen euch zu neigen, vor welchem ihr Staub war't;
Machtet euch elend genug, darinn noch Größe zu finden,
Stifter des neuen Wahnes zu seyn, und Führer der Menschen:
Solltet ihr auch Unsterbliche lehren, das Thier zu vergöttern,
Welches kaum Tage kroch! So wißt denn, er hat es vernommen
Eurer Opfer Gepräng', und ihre Getöse der Hörer
Ueber den Himmeln, wenn euch das umtönte Bildniß im Hainne,
Oder Orion zu taub war, und seine Rosse nicht anhielt.
Jhr, die zum tiefsten Elend herab die Menschen betrogen,
Und mit Göttern sie täuschten, er hat ihr Elend vernommen,
Hat die Lüste des schwelgenden Tempels, in welch' ihr sie stürztet,
Hat vernommen das jammernde Röcheln der Knaben im Arme

Eurer

Der Meſſias.
Er als ein ſterblicher Mann ſchon gewohnt, an der Rechte des
Donners,
Dicht am Hall der Poſaune zu ſtehen, er ſprach: Jch ſehe
Alle Gefilde der dampfenden Erde, die ſeh ich mit Bildern
Wunderbarer Erfindung bedeckt! Die waren euch Goͤtter?
Dieſe ſollten ein Bild ſeyn deß, den die Himmel nicht bilden?
Kaum ſind dieſe ſein Schatten! Jhr fuͤhltet’s, ſo bliebt ihr geſchaffen,
Wenn ihr von euren Hoͤhen euch auch am tiefſten herabwarft,
Daß der Wurm auf dem Felde der hohen Wolke nicht rufe!
Noch das Thier in der Flut die Thraͤne des Leidenden trockne!
Daß die ſteigende Sonne nicht Herzen menſchlicher mache,
Und nicht heilig den duͤrſtenden Geiſt nach Ruh, und nach Unſchuld;
Wenn auch auf dem Altar Raͤuchwerk, und feſtliches Feuer
Ewig gluͤh’, und ſtroͤme der Lobgeſang zum Altare.
Ja, ihr fuͤhltet’s! allein ihr waret zu voll von euch ſelber,
Vor dem Erhabenen euch zu neigen, vor welchem ihr Staub war’t;
Machtet euch elend genug, darinn noch Groͤße zu finden,
Stifter des neuen Wahnes zu ſeyn, und Fuͤhrer der Menſchen:
Solltet ihr auch Unſterbliche lehren, das Thier zu vergoͤttern,
Welches kaum Tage kroch! So wißt denn, er hat es vernommen
Eurer Opfer Gepraͤng’, und ihre Getoͤſe der Hoͤrer
Ueber den Himmeln, wenn euch das umtoͤnte Bildniß im Haiñe,
Oder Orion zu taub war, und ſeine Roſſe nicht anhielt.
Jhr, die zum tiefſten Elend herab die Menſchen betrogen,
Und mit Goͤttern ſie taͤuſchten, er hat ihr Elend vernommen,
Hat die Luͤſte des ſchwelgenden Tempels, in welch’ ihr ſie ſtuͤrztet,
Hat vernommen das jammernde Roͤcheln der Knaben im Arme

Eurer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="37">
              <pb facs="#f0106" n="106"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
              <l>Er als ein &#x017F;terblicher Mann &#x017F;chon gewohnt, an der Rechte des</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Donners,</hi> </l><lb/>
              <l>Dicht am Hall der Po&#x017F;aune zu &#x017F;tehen, er &#x017F;prach: Jch &#x017F;ehe</l><lb/>
              <l>Alle Gefilde der dampfenden Erde, die &#x017F;eh ich mit Bildern</l><lb/>
              <l>Wunderbarer Erfindung bedeckt! Die waren euch Go&#x0364;tter?</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;e &#x017F;ollten ein Bild &#x017F;eyn deß, den die Himmel nicht bilden?</l><lb/>
              <l>Kaum &#x017F;ind die&#x017F;e &#x017F;ein Schatten! Jhr fu&#x0364;hltet&#x2019;s, &#x017F;o bliebt ihr ge&#x017F;chaffen,</l><lb/>
              <l>Wenn ihr von euren Ho&#x0364;hen euch auch am tief&#x017F;ten herabwarft,</l><lb/>
              <l>Daß der Wurm auf dem Felde der hohen Wolke nicht rufe!</l><lb/>
              <l>Noch das Thier in der Flut die Thra&#x0364;ne des Leidenden trockne!</l><lb/>
              <l>Daß die &#x017F;teigende Sonne nicht Herzen men&#x017F;chlicher mache,</l><lb/>
              <l>Und nicht heilig den du&#x0364;r&#x017F;tenden Gei&#x017F;t nach Ruh, und nach Un&#x017F;chuld;</l><lb/>
              <l>Wenn auch auf dem Altar Ra&#x0364;uchwerk, und fe&#x017F;tliches Feuer</l><lb/>
              <l>Ewig glu&#x0364;h&#x2019;, und &#x017F;tro&#x0364;me der Lobge&#x017F;ang zum Altare.</l><lb/>
              <l>Ja, ihr fu&#x0364;hltet&#x2019;s! allein ihr waret zu voll von euch &#x017F;elber,</l><lb/>
              <l>Vor dem Erhabenen euch zu neigen, vor welchem ihr Staub war&#x2019;t;</l><lb/>
              <l>Machtet euch elend genug, darinn noch Gro&#x0364;ße zu finden,</l><lb/>
              <l>Stifter des neuen Wahnes zu &#x017F;eyn, und Fu&#x0364;hrer der Men&#x017F;chen:</l><lb/>
              <l>Solltet ihr auch Un&#x017F;terbliche lehren, das Thier zu vergo&#x0364;ttern,</l><lb/>
              <l>Welches kaum Tage kroch! So wißt denn, er hat es vernommen</l><lb/>
              <l>Eurer Opfer Gepra&#x0364;ng&#x2019;, und ihre Geto&#x0364;&#x017F;e der Ho&#x0364;rer</l><lb/>
              <l>Ueber den Himmeln, wenn euch das umto&#x0364;nte Bildniß im Haiñe,</l><lb/>
              <l>Oder Orion zu taub war, und &#x017F;eine Ro&#x017F;&#x017F;e nicht anhielt.</l><lb/>
              <l>Jhr, die zum tief&#x017F;ten Elend herab die Men&#x017F;chen betrogen,</l><lb/>
              <l>Und mit Go&#x0364;ttern &#x017F;ie ta&#x0364;u&#x017F;chten, er hat ihr Elend vernommen,</l><lb/>
              <l>Hat die Lu&#x0364;&#x017F;te des &#x017F;chwelgenden Tempels, in welch&#x2019; ihr &#x017F;ie &#x017F;tu&#x0364;rztet,</l><lb/>
              <l>Hat vernommen das jammernde Ro&#x0364;cheln der Knaben im Arme</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Eurer</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0106] Der Meſſias. Er als ein ſterblicher Mann ſchon gewohnt, an der Rechte des Donners, Dicht am Hall der Poſaune zu ſtehen, er ſprach: Jch ſehe Alle Gefilde der dampfenden Erde, die ſeh ich mit Bildern Wunderbarer Erfindung bedeckt! Die waren euch Goͤtter? Dieſe ſollten ein Bild ſeyn deß, den die Himmel nicht bilden? Kaum ſind dieſe ſein Schatten! Jhr fuͤhltet’s, ſo bliebt ihr geſchaffen, Wenn ihr von euren Hoͤhen euch auch am tiefſten herabwarft, Daß der Wurm auf dem Felde der hohen Wolke nicht rufe! Noch das Thier in der Flut die Thraͤne des Leidenden trockne! Daß die ſteigende Sonne nicht Herzen menſchlicher mache, Und nicht heilig den duͤrſtenden Geiſt nach Ruh, und nach Unſchuld; Wenn auch auf dem Altar Raͤuchwerk, und feſtliches Feuer Ewig gluͤh’, und ſtroͤme der Lobgeſang zum Altare. Ja, ihr fuͤhltet’s! allein ihr waret zu voll von euch ſelber, Vor dem Erhabenen euch zu neigen, vor welchem ihr Staub war’t; Machtet euch elend genug, darinn noch Groͤße zu finden, Stifter des neuen Wahnes zu ſeyn, und Fuͤhrer der Menſchen: Solltet ihr auch Unſterbliche lehren, das Thier zu vergoͤttern, Welches kaum Tage kroch! So wißt denn, er hat es vernommen Eurer Opfer Gepraͤng’, und ihre Getoͤſe der Hoͤrer Ueber den Himmeln, wenn euch das umtoͤnte Bildniß im Haiñe, Oder Orion zu taub war, und ſeine Roſſe nicht anhielt. Jhr, die zum tiefſten Elend herab die Menſchen betrogen, Und mit Goͤttern ſie taͤuſchten, er hat ihr Elend vernommen, Hat die Luͤſte des ſchwelgenden Tempels, in welch’ ihr ſie ſtuͤrztet, Hat vernommen das jammernde Roͤcheln der Knaben im Arme Eurer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/106
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/106>, abgerufen am 04.12.2024.