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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Vom gleichen Verse.
gewöhnlich haben) scheint mir eines sehr vollen Ausdrucks fä-
hig zu seyn.
Selmer. Eines vollen Ausdrucks; aber nur von einfa-
chen Gegenständen. Sobald diese zu ihrem Jnhalte gewählt
werden; so ist die Strophe vortreflich. Doch es kann ja über-
haupt keine Versart ihre Kraft recht zeigen, wenn sie dem
Jnhalte nicht angemessen ist.
Minna. Wenn in der schwebenden Strophe jeder
Vers durch genug Veränderung der rhythmischen Schönheit
(wir sprachen ja erst davon) von dem andern unterschieden ist;
so denk' ich, muß ich ihr einen kleinen Vorzug geben. Jch
glaube, die musikalische Declamation würde mich, wenn ich
irrte, allein' zurechtweisen können.
Werthing. Die musikalischen Rhythmen zu solchen
Strophen, wie uns Selmer vorlesen wird, (ich kenne schon
einige davon) sehlen uns noch. Die Rhythmusstellung unsrer
Musik gleicht den Verhältnissen der Baukunst noch zu sehr;
und es ist vielleicht noch lange hin, eh' sie ein grosser Kompo-
nist den Gruppen der Malerey ähnlich mächt.
Selmer. Wir kämen zu weit ab, wenn wir uns auf die
singende Declamation einließen. Jch werde mich bemühn,
Jhnen die Bewegung der Strophen, die ich habe, durch die
redende auszudrücken. Unterbrechen Sie mich nicht ourch
Anmerkungen. Sie können mir sie hernach machen. Wenn
ich in Einem fortlese; so übersehen Sie die Mannichfaltigkeit
des lyrischen Zeitausdrucks, welcher in diesen Strophen ist,
desto leichter. Sie erinnern sich doch noch, Minna: Alles,
was
Vom gleichen Verſe.
gewoͤhnlich haben) ſcheint mir eines ſehr vollen Ausdrucks faͤ-
hig zu ſeyn.
Selmer. Eines vollen Ausdrucks; aber nur von einfa-
chen Gegenſtaͤnden. Sobald dieſe zu ihrem Jnhalte gewaͤhlt
werden; ſo iſt die Strophe vortreflich. Doch es kann ja uͤber-
haupt keine Versart ihre Kraft recht zeigen, wenn ſie dem
Jnhalte nicht angemeſſen iſt.
Minna. Wenn in der ſchwebenden Strophe jeder
Vers durch genug Veraͤnderung der rhythmiſchen Schoͤnheit
(wir ſprachen ja erſt davon) von dem andern unterſchieden iſt;
ſo denk’ ich, muß ich ihr einen kleinen Vorzug geben. Jch
glaube, die muſikaliſche Declamation wuͤrde mich, wenn ich
irrte, allein’ zurechtweiſen koͤnnen.
Werthing. Die muſikaliſchen Rhythmen zu ſolchen
Strophen, wie uns Selmer vorleſen wird, (ich kenne ſchon
einige davon) ſehlen uns noch. Die Rhythmusſtellung unſrer
Muſik gleicht den Verhaͤltniſſen der Baukunſt noch zu ſehr;
und es iſt vielleicht noch lange hin, eh’ ſie ein groſſer Kompo-
niſt den Gruppen der Malerey aͤhnlich maͤcht.
Selmer. Wir kaͤmen zu weit ab, wenn wir uns auf die
ſingende Declamation einließen. Jch werde mich bemuͤhn,
Jhnen die Bewegung der Strophen, die ich habe, durch die
redende auszudruͤcken. Unterbrechen Sie mich nicht ourch
Anmerkungen. Sie koͤnnen mir ſie hernach machen. Wenn
ich in Einem fortleſe; ſo uͤberſehen Sie die Mannichfaltigkeit
des lyriſchen Zeitausdrucks, welcher in dieſen Strophen iſt,
deſto leichter. Sie erinnern ſich doch noch, Minna: Alles,
was
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[6/0006] Vom gleichen Verſe. gewoͤhnlich haben) ſcheint mir eines ſehr vollen Ausdrucks faͤ- hig zu ſeyn. Selmer. Eines vollen Ausdrucks; aber nur von einfa- chen Gegenſtaͤnden. Sobald dieſe zu ihrem Jnhalte gewaͤhlt werden; ſo iſt die Strophe vortreflich. Doch es kann ja uͤber- haupt keine Versart ihre Kraft recht zeigen, wenn ſie dem Jnhalte nicht angemeſſen iſt. Minna. Wenn in der ſchwebenden Strophe jeder Vers durch genug Veraͤnderung der rhythmiſchen Schoͤnheit (wir ſprachen ja erſt davon) von dem andern unterſchieden iſt; ſo denk’ ich, muß ich ihr einen kleinen Vorzug geben. Jch glaube, die muſikaliſche Declamation wuͤrde mich, wenn ich irrte, allein’ zurechtweiſen koͤnnen. Werthing. Die muſikaliſchen Rhythmen zu ſolchen Strophen, wie uns Selmer vorleſen wird, (ich kenne ſchon einige davon) ſehlen uns noch. Die Rhythmusſtellung unſrer Muſik gleicht den Verhaͤltniſſen der Baukunſt noch zu ſehr; und es iſt vielleicht noch lange hin, eh’ ſie ein groſſer Kompo- niſt den Gruppen der Malerey aͤhnlich maͤcht. Selmer. Wir kaͤmen zu weit ab, wenn wir uns auf die ſingende Declamation einließen. Jch werde mich bemuͤhn, Jhnen die Bewegung der Strophen, die ich habe, durch die redende auszudruͤcken. Unterbrechen Sie mich nicht ourch Anmerkungen. Sie koͤnnen mir ſie hernach machen. Wenn ich in Einem fortleſe; ſo uͤberſehen Sie die Mannichfaltigkeit des lyriſchen Zeitausdrucks, welcher in dieſen Strophen iſt, deſto leichter. Sie erinnern ſich doch noch, Minna: Alles, was

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/6>, abgerufen am 24.11.2024.