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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

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Zweyter Gesang.

Götter, stets unbesiegt, unselavisch, die wollen wir blei-
ben,

Wenn er auch gegen uns seine Versöhner zu tausenden
schickte,

Wenn er auch selbst, ein Meßias zu werden, die Erde
beträte.

Doch was erzürn ich mich so? Wer ist der niedre Mes-
sias,

Der die erdichtete Gottheit im sterblichen Körper herum-
trägt,

Daß darüber die Götter so sinnen, als wenn sie von
neuem

Hohe Gedanken von ihrer Vergöttrung und Schlachten
erfänden?

Sollte der Ewigen einer, um uns den Sieg zu erleich-
tern,

Aus den Schössen sterblicher Mütter, die bald die Ver-
wesung

Nehmen wird, gegen uns, die er doch kennt, zu kämpfen
hervorgehn?

Das sey ferne! So handelt der nicht, den Satan be-
krieget.

Zwar stehn einige hier, die vor ihm furchtsam entflohen,
Und aus der morschen Behausung beseßner Sterblichen
wichen;

Furchtsame, zittert vor dieser Versammlung, umhüllt
euer Antlitz

Mit verfinsternder Schaam! die Götter hörens, ihr flohet!
Warum flohet ihr so, Elende? Was nanntet ihr JEsum
Euer und meiner unwürdig den Sohn des ewigen GOt-
tes?

Doch
E 3

Zweyter Geſang.

Goͤtter, ſtets unbeſiegt, unſelaviſch, die wollen wir blei-
ben,

Wenn er auch gegen uns ſeine Verſoͤhner zu tauſenden
ſchickte,

Wenn er auch ſelbſt, ein Meßias zu werden, die Erde
betraͤte.

Doch was erzuͤrn ich mich ſo? Wer iſt der niedre Meſ-
ſias,

Der die erdichtete Gottheit im ſterblichen Koͤrper herum-
traͤgt,

Daß daruͤber die Goͤtter ſo ſinnen, als wenn ſie von
neuem

Hohe Gedanken von ihrer Vergoͤttrung und Schlachten
erfaͤnden?

Sollte der Ewigen einer, um uns den Sieg zu erleich-
tern,

Aus den Schoͤſſen ſterblicher Muͤtter, die bald die Ver-
weſung

Nehmen wird, gegen uns, die er doch kennt, zu kaͤmpfen
hervorgehn?

Das ſey ferne! So handelt der nicht, den Satan be-
krieget.

Zwar ſtehn einige hier, die vor ihm furchtſam entflohen,
Und aus der morſchen Behauſung beſeßner Sterblichen
wichen;

Furchtſame, zittert vor dieſer Verſammlung, umhuͤllt
euer Antlitz

Mit verfinſternder Schaam! die Goͤtter hoͤrens, ihr flohet!
Warum flohet ihr ſo, Elende? Was nanntet ihr JEſum
Euer und meiner unwuͤrdig den Sohn des ewigen GOt-
tes?

Doch
E 3
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[69/0073] Zweyter Geſang. Goͤtter, ſtets unbeſiegt, unſelaviſch, die wollen wir blei- ben, Wenn er auch gegen uns ſeine Verſoͤhner zu tauſenden ſchickte, Wenn er auch ſelbſt, ein Meßias zu werden, die Erde betraͤte. Doch was erzuͤrn ich mich ſo? Wer iſt der niedre Meſ- ſias, Der die erdichtete Gottheit im ſterblichen Koͤrper herum- traͤgt, Daß daruͤber die Goͤtter ſo ſinnen, als wenn ſie von neuem Hohe Gedanken von ihrer Vergoͤttrung und Schlachten erfaͤnden? Sollte der Ewigen einer, um uns den Sieg zu erleich- tern, Aus den Schoͤſſen ſterblicher Muͤtter, die bald die Ver- weſung Nehmen wird, gegen uns, die er doch kennt, zu kaͤmpfen hervorgehn? Das ſey ferne! So handelt der nicht, den Satan be- krieget. Zwar ſtehn einige hier, die vor ihm furchtſam entflohen, Und aus der morſchen Behauſung beſeßner Sterblichen wichen; Furchtſame, zittert vor dieſer Verſammlung, umhuͤllt euer Antlitz Mit verfinſternder Schaam! die Goͤtter hoͤrens, ihr flohet! Warum flohet ihr ſo, Elende? Was nanntet ihr JEſum Euer und meiner unwuͤrdig den Sohn des ewigen GOt- tes? Doch E 3

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/73>, abgerufen am 21.11.2024.