Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Gesang.

Floß von jammernden Thränen. So floß von Bethlehems
Bergen

Rinnendes Blut, da die Säuglinge starben. Er hatte den
Satan

Schauernd gehört, doch ermuntert er sich, und erhub
sich, zu reden.

Dreymal seufzt er noch, eh er was sprach. Wie in
blutigen Schlachten

Brüder, die sich erwürgt, und, da sie sterben, sich ken-
nen,

Neben einander aus röchelnder Brust ohnmächtig er-
seufzen.

Drauf fieng er an zu reden: Ob mir gleich diese Ver-
sammlung

Ewig entgegen seyn wird, so will ich dennoch frey reden!
Reden will ich, damit des Ewigen schwere Gerichte
Nicht so ungestüm über mich kommen, wie über dich, Sa-
tan!

Ja, ich hasse dich, Satan, dich haß ich, Verruchter! Dies
Wesen

Diesen unsterblichen Geist, den du dem Schöpfer entrissen,
Fordert, dein Nichter, auf ewig von dir! Ein unendliches
Wehe

Schreye die ganze Versammlung der Geisterwelt, die du
verführt hast,

Ueber dich, Satan! Jch habe kein Theil an dir, ewiger
Sünder,

GOttesleugner! kein Theil, an deiner finstern Ent-
schliessung,

GOtt den Messias zu tödten. Ach! wider wen redest du,
Satan?

Wider
F

Zweyter Geſang.

Floß von jammernden Thraͤnen. So floß von Bethlehems
Bergen

Rinnendes Blut, da die Saͤuglinge ſtarben. Er hatte den
Satan

Schauernd gehoͤrt, doch ermuntert er ſich, und erhub
ſich, zu reden.

Dreymal ſeufzt er noch, eh er was ſprach. Wie in
blutigen Schlachten

Bruͤder, die ſich erwuͤrgt, und, da ſie ſterben, ſich ken-
nen,

Neben einander aus roͤchelnder Bruſt ohnmaͤchtig er-
ſeufzen.

Drauf fieng er an zu reden: Ob mir gleich dieſe Ver-
ſammlung

Ewig entgegen ſeyn wird, ſo will ich dennoch frey reden!
Reden will ich, damit des Ewigen ſchwere Gerichte
Nicht ſo ungeſtuͤm uͤber mich kommen, wie uͤber dich, Sa-
tan!

Ja, ich haſſe dich, Satan, dich haß ich, Verruchter! Dies
Weſen

Dieſen unſterblichen Geiſt, den du dem Schoͤpfer entriſſen,
Fordert, dein Nichter, auf ewig von dir! Ein unendliches
Wehe

Schreye die ganze Verſammlung der Geiſterwelt, die du
verfuͤhrt haſt,

Ueber dich, Satan! Jch habe kein Theil an dir, ewiger
Suͤnder,

GOttesleugner! kein Theil, an deiner finſtern Ent-
ſchlieſſung,

GOtt den Meſſias zu toͤdten. Ach! wider wen redeſt du,
Satan?

Wider
F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <lg n="23">
          <l>
            <pb facs="#f0085" n="81"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweyter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
          </l><lb/>
          <l>Floß von jammernden Thra&#x0364;nen. So floß von Bethlehems<lb/><hi rendition="#et">Bergen</hi></l><lb/>
          <l>Rinnendes Blut, da die Sa&#x0364;uglinge &#x017F;tarben. Er hatte den<lb/><hi rendition="#et">Satan</hi></l><lb/>
          <l>Schauernd geho&#x0364;rt, doch ermuntert er &#x017F;ich, und erhub<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ich, zu reden.</hi></l><lb/>
          <l>Dreymal &#x017F;eufzt er noch, eh er was &#x017F;prach. Wie in<lb/><hi rendition="#et">blutigen Schlachten</hi></l><lb/>
          <l>Bru&#x0364;der, die &#x017F;ich erwu&#x0364;rgt, und, da &#x017F;ie &#x017F;terben, &#x017F;ich ken-<lb/><hi rendition="#et">nen,</hi></l><lb/>
          <l>Neben einander aus ro&#x0364;chelnder Bru&#x017F;t ohnma&#x0364;chtig er-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;eufzen.</hi></l><lb/>
          <l>Drauf fieng er an zu reden: Ob mir gleich die&#x017F;e Ver-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ammlung</hi></l><lb/>
          <l>Ewig entgegen &#x017F;eyn wird, &#x017F;o will ich dennoch frey reden!</l><lb/>
          <l>Reden will ich, damit des Ewigen &#x017F;chwere Gerichte</l><lb/>
          <l>Nicht &#x017F;o unge&#x017F;tu&#x0364;m u&#x0364;ber mich kommen, wie u&#x0364;ber dich, Sa-<lb/><hi rendition="#et">tan!</hi></l><lb/>
          <l>Ja, ich ha&#x017F;&#x017F;e dich, Satan, dich haß ich, Verruchter! Dies<lb/><hi rendition="#et">We&#x017F;en</hi></l><lb/>
          <l>Die&#x017F;en un&#x017F;terblichen Gei&#x017F;t, den du dem Scho&#x0364;pfer entri&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Fordert, dein Nichter, auf ewig von dir! Ein unendliches<lb/><hi rendition="#et">Wehe</hi></l><lb/>
          <l>Schreye die ganze Ver&#x017F;ammlung der Gei&#x017F;terwelt, die du<lb/><hi rendition="#et">verfu&#x0364;hrt ha&#x017F;t,</hi></l><lb/>
          <l>Ueber dich, Satan! Jch habe kein Theil an dir, ewiger<lb/><hi rendition="#et">Su&#x0364;nder,</hi></l><lb/>
          <l>GOttesleugner! kein Theil, an deiner fin&#x017F;tern Ent-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;ung,</hi></l><lb/>
          <l>GOtt den Me&#x017F;&#x017F;ias zu to&#x0364;dten. Ach! wider wen rede&#x017F;t du,<lb/><hi rendition="#et">Satan?</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F</fw><fw place="bottom" type="catch">Wider</fw><lb/></l>
        </lg>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0085] Zweyter Geſang. Floß von jammernden Thraͤnen. So floß von Bethlehems Bergen Rinnendes Blut, da die Saͤuglinge ſtarben. Er hatte den Satan Schauernd gehoͤrt, doch ermuntert er ſich, und erhub ſich, zu reden. Dreymal ſeufzt er noch, eh er was ſprach. Wie in blutigen Schlachten Bruͤder, die ſich erwuͤrgt, und, da ſie ſterben, ſich ken- nen, Neben einander aus roͤchelnder Bruſt ohnmaͤchtig er- ſeufzen. Drauf fieng er an zu reden: Ob mir gleich dieſe Ver- ſammlung Ewig entgegen ſeyn wird, ſo will ich dennoch frey reden! Reden will ich, damit des Ewigen ſchwere Gerichte Nicht ſo ungeſtuͤm uͤber mich kommen, wie uͤber dich, Sa- tan! Ja, ich haſſe dich, Satan, dich haß ich, Verruchter! Dies Weſen Dieſen unſterblichen Geiſt, den du dem Schoͤpfer entriſſen, Fordert, dein Nichter, auf ewig von dir! Ein unendliches Wehe Schreye die ganze Verſammlung der Geiſterwelt, die du verfuͤhrt haſt, Ueber dich, Satan! Jch habe kein Theil an dir, ewiger Suͤnder, GOttesleugner! kein Theil, an deiner finſtern Ent- ſchlieſſung, GOtt den Meſſias zu toͤdten. Ach! wider wen redeſt du, Satan? Wider F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/85
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/85>, abgerufen am 24.11.2024.