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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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IV. Das geistige Eigenthum. §. 13. Dogmengeschichte.
det 1). Die Specification ist also nur eine Art der Occu-
pation.

Beim geistigen Eigenthume ist aber die eigene Hervorbrin-
gung des Geisteswerkes der alleinige Grund der Erwerbung.
Eine Occupation des geistigen Eigenthumes an herrenlosen und
derelinquirten Werken findet keinesweges statt. Es kann über-
haupt nur einmal und von einer bestimmten Person, dem Ur-
heber unmittelbar erworben werden, jeder dritte Erwerber
muss seine Rechte auf diesen Urheber zurückführen können.

Endlich ist einleuchtend, dass eine solche totale rechtliche
Herrschaft, wie sie den Inhalt des Sacheigenthumes ausmacht,
bei dem geistigen Eigenthume, auch abgesehen von der Ver-
schiedenheit des Objectes, keineswegs stattfindet. Der geistige
Eigenthümer ist nur gegen ganz bestimmte Eingriffe in seinen
Rechtskreis (unbefugte Vervielfältigung, Nachahmung, Auffüh-
rung etc.) geschützt, während er keinesweges in der Lage ist,
jede Benutzung und Ausbeutung seines Geisteswerkes untersa-
gen zu können. Die neueren Vertheidiger der Eigenthums-
theorie haben sich in scharfsinnigen Distinctionen erschöpft,
um dieser beschränkten Wirkung gegenüber die Totalität der
rechtlichen Herrschaft des geistigen Eigenthümers theoretisch
zu retten.

Nach Fichte (a. a. O. S. 443) und Eisenlohr (a. a. O. S. 60)
ist bei dem Inhalte einer Schrift zu unterscheiden zwischen den
Gedanken und der Form des Ausdruckes. Erstere könne jeder
sich im Wege der Reception zueignen und es könne daher nie-
mand an ihrer Benutzung gehindert werden. Die Form des
Ausdruckes dagegen bleibe auf immer des Autors ausschlies-
sendes Eigenthum, weil niemand sich fremde Gedanken aneig-
nen könne, ohne ihre Form zu verändern.

Diese Unterscheidung ist an sich berechtigt 2). Die Worte
sind das Mittel, durch welches die Gedanken des Schriftstellers

1) L. 7. §. 7 Dig. de adquir. dom. (41. 1): Cum quis ex aliena ma-
teria speciem aliquam suo nomine fecerit, Nerva et Proculus putant,
hunc dominum esse, qui fecerit, "quia quod factum est, antea
nullius fuerat.
"
2) Sie wird von Neustetel (Der Büchernachdruck nach Römischem
Recht betrachtet S. 11) und von Wächter (Das Verlagsrecht Th. I S.
101) ohne Grund verworfen.

IV. Das geistige Eigenthum. §. 13. Dogmengeschichte.
det 1). Die Specification ist also nur eine Art der Occu-
pation.

Beim geistigen Eigenthume ist aber die eigene Hervorbrin-
gung des Geisteswerkes der alleinige Grund der Erwerbung.
Eine Occupation des geistigen Eigenthumes an herrenlosen und
derelinquirten Werken findet keinesweges statt. Es kann über-
haupt nur einmal und von einer bestimmten Person, dem Ur-
heber unmittelbar erworben werden, jeder dritte Erwerber
muss seine Rechte auf diesen Urheber zurückführen können.

Endlich ist einleuchtend, dass eine solche totale rechtliche
Herrschaft, wie sie den Inhalt des Sacheigenthumes ausmacht,
bei dem geistigen Eigenthume, auch abgesehen von der Ver-
schiedenheit des Objectes, keineswegs stattfindet. Der geistige
Eigenthümer ist nur gegen ganz bestimmte Eingriffe in seinen
Rechtskreis (unbefugte Vervielfältigung, Nachahmung, Auffüh-
rung etc.) geschützt, während er keinesweges in der Lage ist,
jede Benutzung und Ausbeutung seines Geisteswerkes untersa-
gen zu können. Die neueren Vertheidiger der Eigenthums-
theorie haben sich in scharfsinnigen Distinctionen erschöpft,
um dieser beschränkten Wirkung gegenüber die Totalität der
rechtlichen Herrschaft des geistigen Eigenthümers theoretisch
zu retten.

Nach Fichte (a. a. O. S. 443) und Eisenlohr (a. a. O. S. 60)
ist bei dem Inhalte einer Schrift zu unterscheiden zwischen den
Gedanken und der Form des Ausdruckes. Erstere könne jeder
sich im Wege der Reception zueignen und es könne daher nie-
mand an ihrer Benutzung gehindert werden. Die Form des
Ausdruckes dagegen bleibe auf immer des Autors ausschlies-
sendes Eigenthum, weil niemand sich fremde Gedanken aneig-
nen könne, ohne ihre Form zu verändern.

Diese Unterscheidung ist an sich berechtigt 2). Die Worte
sind das Mittel, durch welches die Gedanken des Schriftstellers

1) L. 7. §. 7 Dig. de adquir. dom. (41. 1): Cum quis ex aliena ma-
teria speciem aliquam suo nomine fecerit, Nerva et Proculus putant,
hunc dominum esse, qui fecerit, »quia quod factum est, antea
nullius fuerat.
«
2) Sie wird von Neustetel (Der Büchernachdruck nach Römischem
Recht betrachtet S. 11) und von Wächter (Das Verlagsrecht Th. I S.
101) ohne Grund verworfen.
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[122/0138] IV. Das geistige Eigenthum. §. 13. Dogmengeschichte. det 1). Die Specification ist also nur eine Art der Occu- pation. Beim geistigen Eigenthume ist aber die eigene Hervorbrin- gung des Geisteswerkes der alleinige Grund der Erwerbung. Eine Occupation des geistigen Eigenthumes an herrenlosen und derelinquirten Werken findet keinesweges statt. Es kann über- haupt nur einmal und von einer bestimmten Person, dem Ur- heber unmittelbar erworben werden, jeder dritte Erwerber muss seine Rechte auf diesen Urheber zurückführen können. Endlich ist einleuchtend, dass eine solche totale rechtliche Herrschaft, wie sie den Inhalt des Sacheigenthumes ausmacht, bei dem geistigen Eigenthume, auch abgesehen von der Ver- schiedenheit des Objectes, keineswegs stattfindet. Der geistige Eigenthümer ist nur gegen ganz bestimmte Eingriffe in seinen Rechtskreis (unbefugte Vervielfältigung, Nachahmung, Auffüh- rung etc.) geschützt, während er keinesweges in der Lage ist, jede Benutzung und Ausbeutung seines Geisteswerkes untersa- gen zu können. Die neueren Vertheidiger der Eigenthums- theorie haben sich in scharfsinnigen Distinctionen erschöpft, um dieser beschränkten Wirkung gegenüber die Totalität der rechtlichen Herrschaft des geistigen Eigenthümers theoretisch zu retten. Nach Fichte (a. a. O. S. 443) und Eisenlohr (a. a. O. S. 60) ist bei dem Inhalte einer Schrift zu unterscheiden zwischen den Gedanken und der Form des Ausdruckes. Erstere könne jeder sich im Wege der Reception zueignen und es könne daher nie- mand an ihrer Benutzung gehindert werden. Die Form des Ausdruckes dagegen bleibe auf immer des Autors ausschlies- sendes Eigenthum, weil niemand sich fremde Gedanken aneig- nen könne, ohne ihre Form zu verändern. Diese Unterscheidung ist an sich berechtigt 2). Die Worte sind das Mittel, durch welches die Gedanken des Schriftstellers 1) L. 7. §. 7 Dig. de adquir. dom. (41. 1): Cum quis ex aliena ma- teria speciem aliquam suo nomine fecerit, Nerva et Proculus putant, hunc dominum esse, qui fecerit, »quia quod factum est, antea nullius fuerat.« 2) Sie wird von Neustetel (Der Büchernachdruck nach Römischem Recht betrachtet S. 11) und von Wächter (Das Verlagsrecht Th. I S. 101) ohne Grund verworfen.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/138>, abgerufen am 21.11.2024.