Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.I. Einleitung. §. 2. Rechtliche Grundlage. weges das ursprüngliche Rechtsverhältniss. Lange bevor eingesondertes Eigenthum an dem Boden und seinen Erzeugnissen anerkannt ward, hatte der Mensch die Dienste des Menschen nöthig. Lange bevor der erste Tauschhandel von Gütern er- öffnet ward, wurden Leistungen um Leistungen, Arbeit um Arbeit ausgetauscht. Auch das Eigenthum selbst ist aus der Arbeit hervorgegangen. Man würde sehr weit fehlen, wenn man annähme, dass das blosse räumliche Zusammenleben der Menschen, verbunden mit dem Streben der Aneignung zu einer festen und anerkannten Theilung des Besitzes habe führen können. Nur ein Krieg Aller gegen Alle mit gelegentlichen Waffenstillständen könnte aus diesen Bedingungen hervorgehen -- ein Zustand, wie er wirklich zwischen Stämmen besteht, die ohne Verkehr mit einander leben --, denn der blosse Wunsch, zu besitzen, wird nicht den Tausch, sondern den Raub zur Folge haben. Er wird nicht die Entstehung von Rechtsnormen befördern, sondern das Recht des Stärkern zum Gesetze erheben. Erst das Gefühl der Abhängigkeit von der Mitarbeit des Nachbarn hat zur Folge, dass dessen Rechts- sphäre geachtet wird, und der erste Vertrag, der zur Gewin- nung der nachbarlichen Beihülfe geschlossen wird, enthält auch die erste Anerkennung des nachbarlichen Besitzes. Endlich hat der Begriff des Eigenthums selbst die Arbeit zur Voraus- setzung, weil die Dinge, die zum menschlichen Gebrauche die- nen, nur in so weit als Gegenstände des Eigenthumes betrach- tet werden, als sie durch Arbeit erworben werden müssen. Unter den Jäger- und Hirtenvölkern, welche, ohne den Boden zu bauen, nur dessen freiwillige Früchte ziehen, ist von einem getheilten Grundeigenthume nicht die Rede. Erst wenn und soweit der Boden angebaut, durch Arbeit zur Kultur und zur festen Wohnung tauglich gemacht wird, tritt der Begriff eines Grundeigenthumes auf. Dass endlich auch die beweglichen Sachen nur soweit für Gegenstände des Eigenthumes gelten, als es der Arbeit zu ihrer Erzeugung oder Erwerbung bedarf, ist unstreitig, wie denn verschiedene Gegenstände unter ver- schiedenen Zuständen bald als werthgehaltene Objecte des Ei- genthumes gelten, bald zu den gemeinen Gütern des Lebens zählen. Während z. B. das Wasser in grossen Städten von besondern Unternehmern verkauft und die Entwendung davon selbst aus fliessenden Behältern als Diebstahl bestraft wird, -- I. Einleitung. §. 2. Rechtliche Grundlage. weges das ursprüngliche Rechtsverhältniss. Lange bevor eingesondertes Eigenthum an dem Boden und seinen Erzeugnissen anerkannt ward, hatte der Mensch die Dienste des Menschen nöthig. Lange bevor der erste Tauschhandel von Gütern er- öffnet ward, wurden Leistungen um Leistungen, Arbeit um Arbeit ausgetauscht. Auch das Eigenthum selbst ist aus der Arbeit hervorgegangen. Man würde sehr weit fehlen, wenn man annähme, dass das blosse räumliche Zusammenleben der Menschen, verbunden mit dem Streben der Aneignung zu einer festen und anerkannten Theilung des Besitzes habe führen können. Nur ein Krieg Aller gegen Alle mit gelegentlichen Waffenstillständen könnte aus diesen Bedingungen hervorgehen — ein Zustand, wie er wirklich zwischen Stämmen besteht, die ohne Verkehr mit einander leben —, denn der blosse Wunsch, zu besitzen, wird nicht den Tausch, sondern den Raub zur Folge haben. Er wird nicht die Entstehung von Rechtsnormen befördern, sondern das Recht des Stärkern zum Gesetze erheben. Erst das Gefühl der Abhängigkeit von der Mitarbeit des Nachbarn hat zur Folge, dass dessen Rechts- sphäre geachtet wird, und der erste Vertrag, der zur Gewin- nung der nachbarlichen Beihülfe geschlossen wird, enthält auch die erste Anerkennung des nachbarlichen Besitzes. Endlich hat der Begriff des Eigenthums selbst die Arbeit zur Voraus- setzung, weil die Dinge, die zum menschlichen Gebrauche die- nen, nur in so weit als Gegenstände des Eigenthumes betrach- tet werden, als sie durch Arbeit erworben werden müssen. Unter den Jäger- und Hirtenvölkern, welche, ohne den Boden zu bauen, nur dessen freiwillige Früchte ziehen, ist von einem getheilten Grundeigenthume nicht die Rede. Erst wenn und soweit der Boden angebaut, durch Arbeit zur Kultur und zur festen Wohnung tauglich gemacht wird, tritt der Begriff eines Grundeigenthumes auf. Dass endlich auch die beweglichen Sachen nur soweit für Gegenstände des Eigenthumes gelten, als es der Arbeit zu ihrer Erzeugung oder Erwerbung bedarf, ist unstreitig, wie denn verschiedene Gegenstände unter ver- schiedenen Zuständen bald als werthgehaltene Objecte des Ei- genthumes gelten, bald zu den gemeinen Gütern des Lebens zählen. Während z. B. das Wasser in grossen Städten von besondern Unternehmern verkauft und die Entwendung davon selbst aus fliessenden Behältern als Diebstahl bestraft wird, — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0026" n="10"/><fw place="top" type="header">I. Einleitung. §. 2. Rechtliche Grundlage.</fw><lb/> weges das ursprüngliche Rechtsverhältniss. Lange bevor ein<lb/> gesondertes Eigenthum an dem Boden und seinen Erzeugnissen<lb/> anerkannt ward, hatte der Mensch die Dienste des Menschen<lb/> nöthig. 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I. Einleitung. §. 2. Rechtliche Grundlage.
weges das ursprüngliche Rechtsverhältniss. Lange bevor ein
gesondertes Eigenthum an dem Boden und seinen Erzeugnissen
anerkannt ward, hatte der Mensch die Dienste des Menschen
nöthig. Lange bevor der erste Tauschhandel von Gütern er-
öffnet ward, wurden Leistungen um Leistungen, Arbeit um
Arbeit ausgetauscht. Auch das Eigenthum selbst ist aus der
Arbeit hervorgegangen. Man würde sehr weit fehlen, wenn
man annähme, dass das blosse räumliche Zusammenleben der
Menschen, verbunden mit dem Streben der Aneignung zu einer
festen und anerkannten Theilung des Besitzes habe führen
können. Nur ein Krieg Aller gegen Alle mit gelegentlichen
Waffenstillständen könnte aus diesen Bedingungen hervorgehen
— ein Zustand, wie er wirklich zwischen Stämmen besteht,
die ohne Verkehr mit einander leben —, denn der blosse
Wunsch, zu besitzen, wird nicht den Tausch, sondern den
Raub zur Folge haben. Er wird nicht die Entstehung von
Rechtsnormen befördern, sondern das Recht des Stärkern zum
Gesetze erheben. Erst das Gefühl der Abhängigkeit von
der Mitarbeit des Nachbarn hat zur Folge, dass dessen Rechts-
sphäre geachtet wird, und der erste Vertrag, der zur Gewin-
nung der nachbarlichen Beihülfe geschlossen wird, enthält auch
die erste Anerkennung des nachbarlichen Besitzes. Endlich
hat der Begriff des Eigenthums selbst die Arbeit zur Voraus-
setzung, weil die Dinge, die zum menschlichen Gebrauche die-
nen, nur in so weit als Gegenstände des Eigenthumes betrach-
tet werden, als sie durch Arbeit erworben werden müssen.
Unter den Jäger- und Hirtenvölkern, welche, ohne den Boden
zu bauen, nur dessen freiwillige Früchte ziehen, ist von einem
getheilten Grundeigenthume nicht die Rede. Erst wenn und
soweit der Boden angebaut, durch Arbeit zur Kultur und zur
festen Wohnung tauglich gemacht wird, tritt der Begriff eines
Grundeigenthumes auf. Dass endlich auch die beweglichen
Sachen nur soweit für Gegenstände des Eigenthumes gelten,
als es der Arbeit zu ihrer Erzeugung oder Erwerbung bedarf,
ist unstreitig, wie denn verschiedene Gegenstände unter ver-
schiedenen Zuständen bald als werthgehaltene Objecte des Ei-
genthumes gelten, bald zu den gemeinen Gütern des Lebens
zählen. Während z. B. das Wasser in grossen Städten von
besondern Unternehmern verkauft und die Entwendung davon
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