Auf dieser gegenseitigen Abhängigkeit von fremder Arbeit beruht das Recht. Niemand ist geneigt, für fremde Bedürf- nisse zu arbeiten, wenn er dadurch nicht die Mittel zur Er- füllung eigener Bedürfnisse erlangt. Die Theilung der Arbeit ist daher nicht möglich, ohne die Herstellung von Formen und Regeln, welche Jedem seinen Antheil an den Früchten der ge- meinsamen Thätigkeit sichern, welche Jedem gestatten, die Früchte seiner Arbeit selbst zu verzehren, oder die entspre- chende Gegenleistung dafür zu erlangen.
Nach einer andern Auffassung liegt der Ursprung des Rechtes nicht in der gemeinsamen Arbeit, sondern in der Thei- lung des Besitzes, die aus dem räumlichen Zusammenleben der Menschen hervorgeht. Nach dieser Ansicht wäre das ursprüng- lichste Rechtsverhältniss das Eigenthum; und die Contracte wären erst in zweiter Reihe aus dem Bedürfnisse hervorge- gangen, fremde Sachen zu erwerben und einzutauschen. Man pflegt daher die Vertragsverhältnisse als Mittel zur Erwerbung des Eigenthumes den dinglichen, als den ursprünglichen, Rechts- verhältnissen anzuschliessen.
Diese Anordnung ist unzweifelhaft berechtigt, sofern man die verschiedenen Rechtsverhältnisse nach dem Grade ihrer verschiedenen Geltung und Bedeutung eintheilen will. Die dinglichen Rechtsverhältnisse, vor allen das Eigenthum, haben allein Dauer, während die Vertragsverhältnisse nur begründet werden, um durch ihre Erfüllung unterzugehen. Die ding- lichen Rechte verkörpern sich in dem Besitze, in welchem ihre Existenz ununterbrochen sichtbar wird, während die Forde- rungsrechte ihren Ausdruck in blossen Verträgen und Willens- erklärungen finden, deren Existenz nur in dem Gedächtnisse der Menschen und in vergänglichen Urkunden überliefert wird. Während daher die zahllose Menge der persönlichen Leistungen und Gegenleistungen, aus welchen sich der tägliche Verkehr zusammensetzt, gleich der beweglichen Fluth sich heute knüpft, um morgen wieder sich zu lösen, während ihre stets wechselnde Gestalt dem Auge kein ruhendes Bild darbietet, stellen die festbegründeten und nur selten dem Wechsel unterworfenen Verhältnisse des Eigenthumes diesem ruhelosen Spiele gegen- über sich wie die feste Landmarke dar, die allein Dauer und Gestalt besitzt.
Das Eigenthum ist deshalb das wichtigste, aber keines-
Theilung der Arbeit. — Besitz und Vertrag.
Auf dieser gegenseitigen Abhängigkeit von fremder Arbeit beruht das Recht. Niemand ist geneigt, für fremde Bedürf- nisse zu arbeiten, wenn er dadurch nicht die Mittel zur Er- füllung eigener Bedürfnisse erlangt. Die Theilung der Arbeit ist daher nicht möglich, ohne die Herstellung von Formen und Regeln, welche Jedem seinen Antheil an den Früchten der ge- meinsamen Thätigkeit sichern, welche Jedem gestatten, die Früchte seiner Arbeit selbst zu verzehren, oder die entspre- chende Gegenleistung dafür zu erlangen.
Nach einer andern Auffassung liegt der Ursprung des Rechtes nicht in der gemeinsamen Arbeit, sondern in der Thei- lung des Besitzes, die aus dem räumlichen Zusammenleben der Menschen hervorgeht. Nach dieser Ansicht wäre das ursprüng- lichste Rechtsverhältniss das Eigenthum; und die Contracte wären erst in zweiter Reihe aus dem Bedürfnisse hervorge- gangen, fremde Sachen zu erwerben und einzutauschen. Man pflegt daher die Vertragsverhältnisse als Mittel zur Erwerbung des Eigenthumes den dinglichen, als den ursprünglichen, Rechts- verhältnissen anzuschliessen.
Diese Anordnung ist unzweifelhaft berechtigt, sofern man die verschiedenen Rechtsverhältnisse nach dem Grade ihrer verschiedenen Geltung und Bedeutung eintheilen will. Die dinglichen Rechtsverhältnisse, vor allen das Eigenthum, haben allein Dauer, während die Vertragsverhältnisse nur begründet werden, um durch ihre Erfüllung unterzugehen. Die ding- lichen Rechte verkörpern sich in dem Besitze, in welchem ihre Existenz ununterbrochen sichtbar wird, während die Forde- rungsrechte ihren Ausdruck in blossen Verträgen und Willens- erklärungen finden, deren Existenz nur in dem Gedächtnisse der Menschen und in vergänglichen Urkunden überliefert wird. Während daher die zahllose Menge der persönlichen Leistungen und Gegenleistungen, aus welchen sich der tägliche Verkehr zusammensetzt, gleich der beweglichen Fluth sich heute knüpft, um morgen wieder sich zu lösen, während ihre stets wechselnde Gestalt dem Auge kein ruhendes Bild darbietet, stellen die festbegründeten und nur selten dem Wechsel unterworfenen Verhältnisse des Eigenthumes diesem ruhelosen Spiele gegen- über sich wie die feste Landmarke dar, die allein Dauer und Gestalt besitzt.
Das Eigenthum ist deshalb das wichtigste, aber keines-
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Theilung der Arbeit. — Besitz und Vertrag.
Auf dieser gegenseitigen Abhängigkeit von fremder Arbeit
beruht das Recht. Niemand ist geneigt, für fremde Bedürf-
nisse zu arbeiten, wenn er dadurch nicht die Mittel zur Er-
füllung eigener Bedürfnisse erlangt. Die Theilung der Arbeit
ist daher nicht möglich, ohne die Herstellung von Formen und
Regeln, welche Jedem seinen Antheil an den Früchten der ge-
meinsamen Thätigkeit sichern, welche Jedem gestatten, die
Früchte seiner Arbeit selbst zu verzehren, oder die entspre-
chende Gegenleistung dafür zu erlangen.
Nach einer andern Auffassung liegt der Ursprung des
Rechtes nicht in der gemeinsamen Arbeit, sondern in der Thei-
lung des Besitzes, die aus dem räumlichen Zusammenleben der
Menschen hervorgeht. Nach dieser Ansicht wäre das ursprüng-
lichste Rechtsverhältniss das Eigenthum; und die Contracte
wären erst in zweiter Reihe aus dem Bedürfnisse hervorge-
gangen, fremde Sachen zu erwerben und einzutauschen. Man
pflegt daher die Vertragsverhältnisse als Mittel zur Erwerbung
des Eigenthumes den dinglichen, als den ursprünglichen, Rechts-
verhältnissen anzuschliessen.
Diese Anordnung ist unzweifelhaft berechtigt, sofern man
die verschiedenen Rechtsverhältnisse nach dem Grade ihrer
verschiedenen Geltung und Bedeutung eintheilen will. Die
dinglichen Rechtsverhältnisse, vor allen das Eigenthum, haben
allein Dauer, während die Vertragsverhältnisse nur begründet
werden, um durch ihre Erfüllung unterzugehen. Die ding-
lichen Rechte verkörpern sich in dem Besitze, in welchem ihre
Existenz ununterbrochen sichtbar wird, während die Forde-
rungsrechte ihren Ausdruck in blossen Verträgen und Willens-
erklärungen finden, deren Existenz nur in dem Gedächtnisse
der Menschen und in vergänglichen Urkunden überliefert wird.
Während daher die zahllose Menge der persönlichen Leistungen
und Gegenleistungen, aus welchen sich der tägliche Verkehr
zusammensetzt, gleich der beweglichen Fluth sich heute knüpft,
um morgen wieder sich zu lösen, während ihre stets wechselnde
Gestalt dem Auge kein ruhendes Bild darbietet, stellen die
festbegründeten und nur selten dem Wechsel unterworfenen
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über sich wie die feste Landmarke dar, die allein Dauer und
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/25>, abgerufen am 03.12.2024.
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