siren, welcher nicht ein natürliches Rechtsverhältniss, sondern lediglich die rein positive Vorschrift des Gesetzes zu Grunde liege.
Der Unterschied, welcher zwischen beiden Auffassungen besteht, ist in die Augen fallend. Die rein positiven und die natürlichen Rechtsverhältnisse sind allerdings in ihrer practi- schen Geltung gleich. Wenn aber der Staat dem körperlichen Eigenthume oder dem Forderungsrechte des Darleihers Aner- kennung und Schutz verleiht, so werden diese Beziehungen nicht deshalb zu Rechtsverhältnissen, weil sie durch das Ge- setz geschützt sind, sondern das Gesetz schützt sie vielmehr, weil es sie als Rechtsverhältnisse anerkennt.
Das positive Gesetz kann zwar auch andern Beziehungen, denen dieser Character nicht von Natur zukommt, die Geltung von Rechtsverhältnissen geben. Es kann Privilegien und Vor- rechte verleihen und ihre Verletzung unter Strafe stellen. Allein für die Fragen der Gesetzgebung und für die Theo- rie eines Rechtsinstitutes bleibt es von entscheidender Bedeu- tung, ob dasselbe der einen oder der andern Klasse beigezählt werden muss. Die natürliche Grundlage des geistigen Eigen- thumes ist auch ebensosehr ohne Grund als zum Nachtheile der wissenschaftlichen und legislatorischen Ausbildung dieses Rechtsinstitutes bestritten worden.
Der Ursprung aller Rechtsverhältnisse liegt in der gemein- samen, auf Unterwerfung der Naturkräfte gerichteten Thätig- keit der Menschen. Alles Recht ist ursprünglich hervorge- gangen aus der Theilung der Arbeit -- wie jenes Zusammen- wirken der Menschen seit Adam Smith genannt zu werden pflegt. Das Unterscheidende des menschlichen Daseins beruht eben in dieser Theilung der Arbeit, vermöge deren der Mensch die körperliche Welt in weit grösserem Umfange beherrscht, als irgend ein anderes Wesen. Aus der Theilung der Arbeit zieht er die Bedingungen einer erhöhten Existenz und die Mit- tel zur Erfüllung einer zahllosen Reihe von gesteigerten Be- dürfnissen, deren keines mit den isolirten Kräften des Einzel- nen befriedigt werden könnte. Der Mensch bedarf daher, um zu leben, nicht blos der eigenen Arbeit, sondern er verzehrt zugleich die Früchte der Thätigkeit zahlreicher anderer Men- schen, die ihrerseits an den Resultaten seiner Anstrengungen theilnehmen.
I Einleitung. §. 2. Rechtliche Grundlage.
siren, welcher nicht ein natürliches Rechtsverhältniss, sondern lediglich die rein positive Vorschrift des Gesetzes zu Grunde liege.
Der Unterschied, welcher zwischen beiden Auffassungen besteht, ist in die Augen fallend. Die rein positiven und die natürlichen Rechtsverhältnisse sind allerdings in ihrer practi- schen Geltung gleich. Wenn aber der Staat dem körperlichen Eigenthume oder dem Forderungsrechte des Darleihers Aner- kennung und Schutz verleiht, so werden diese Beziehungen nicht deshalb zu Rechtsverhältnissen, weil sie durch das Ge- setz geschützt sind, sondern das Gesetz schützt sie vielmehr, weil es sie als Rechtsverhältnisse anerkennt.
Das positive Gesetz kann zwar auch andern Beziehungen, denen dieser Character nicht von Natur zukommt, die Geltung von Rechtsverhältnissen geben. Es kann Privilegien und Vor- rechte verleihen und ihre Verletzung unter Strafe stellen. Allein für die Fragen der Gesetzgebung und für die Theo- rie eines Rechtsinstitutes bleibt es von entscheidender Bedeu- tung, ob dasselbe der einen oder der andern Klasse beigezählt werden muss. Die natürliche Grundlage des geistigen Eigen- thumes ist auch ebensosehr ohne Grund als zum Nachtheile der wissenschaftlichen und legislatorischen Ausbildung dieses Rechtsinstitutes bestritten worden.
Der Ursprung aller Rechtsverhältnisse liegt in der gemein- samen, auf Unterwerfung der Naturkräfte gerichteten Thätig- keit der Menschen. Alles Recht ist ursprünglich hervorge- gangen aus der Theilung der Arbeit — wie jenes Zusammen- wirken der Menschen seit Adam Smith genannt zu werden pflegt. Das Unterscheidende des menschlichen Daseins beruht eben in dieser Theilung der Arbeit, vermöge deren der Mensch die körperliche Welt in weit grösserem Umfange beherrscht, als irgend ein anderes Wesen. Aus der Theilung der Arbeit zieht er die Bedingungen einer erhöhten Existenz und die Mit- tel zur Erfüllung einer zahllosen Reihe von gesteigerten Be- dürfnissen, deren keines mit den isolirten Kräften des Einzel- nen befriedigt werden könnte. Der Mensch bedarf daher, um zu leben, nicht blos der eigenen Arbeit, sondern er verzehrt zugleich die Früchte der Thätigkeit zahlreicher anderer Men- schen, die ihrerseits an den Resultaten seiner Anstrengungen theilnehmen.
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I Einleitung. §. 2. Rechtliche Grundlage.
siren, welcher nicht ein natürliches Rechtsverhältniss, sondern
lediglich die rein positive Vorschrift des Gesetzes zu Grunde
liege.
Der Unterschied, welcher zwischen beiden Auffassungen
besteht, ist in die Augen fallend. Die rein positiven und die
natürlichen Rechtsverhältnisse sind allerdings in ihrer practi-
schen Geltung gleich. Wenn aber der Staat dem körperlichen
Eigenthume oder dem Forderungsrechte des Darleihers Aner-
kennung und Schutz verleiht, so werden diese Beziehungen
nicht deshalb zu Rechtsverhältnissen, weil sie durch das Ge-
setz geschützt sind, sondern das Gesetz schützt sie vielmehr,
weil es sie als Rechtsverhältnisse anerkennt.
Das positive Gesetz kann zwar auch andern Beziehungen,
denen dieser Character nicht von Natur zukommt, die Geltung
von Rechtsverhältnissen geben. Es kann Privilegien und Vor-
rechte verleihen und ihre Verletzung unter Strafe stellen.
Allein für die Fragen der Gesetzgebung und für die Theo-
rie eines Rechtsinstitutes bleibt es von entscheidender Bedeu-
tung, ob dasselbe der einen oder der andern Klasse beigezählt
werden muss. Die natürliche Grundlage des geistigen Eigen-
thumes ist auch ebensosehr ohne Grund als zum Nachtheile
der wissenschaftlichen und legislatorischen Ausbildung dieses
Rechtsinstitutes bestritten worden.
Der Ursprung aller Rechtsverhältnisse liegt in der gemein-
samen, auf Unterwerfung der Naturkräfte gerichteten Thätig-
keit der Menschen. Alles Recht ist ursprünglich hervorge-
gangen aus der Theilung der Arbeit — wie jenes Zusammen-
wirken der Menschen seit Adam Smith genannt zu werden
pflegt. Das Unterscheidende des menschlichen Daseins beruht
eben in dieser Theilung der Arbeit, vermöge deren der Mensch
die körperliche Welt in weit grösserem Umfange beherrscht,
als irgend ein anderes Wesen. Aus der Theilung der Arbeit
zieht er die Bedingungen einer erhöhten Existenz und die Mit-
tel zur Erfüllung einer zahllosen Reihe von gesteigerten Be-
dürfnissen, deren keines mit den isolirten Kräften des Einzel-
nen befriedigt werden könnte. Der Mensch bedarf daher, um
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/24>, abgerufen am 02.02.2025.
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