Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
I. Einleitung. §. 4. Schwierigkeit der Gesetzgebung.

Während bei den dinglichen Rechten der körperliche Be-
sitz die Möglichkeit gibt, in beliebiger Weise auf die Sache
einzuwirken und Andere von ihrer Benutzung auszuschliessen,
ist bei den Producten der geistigen Arbeit die Lage des Er-
zeugers eine wesentlich andere.

Die natürliche Grundlage seines Rechtes besteht in der
ausschliesslichen Kenntniss des Gedankens, der künstlerischen
Form, oder des technischen Verfahrens, welches er erfunden
hat. Allein der Gebrauch, welchen der Erfinder von diesem
geistigen Besitze macht, bedingt nothwendig, dass er die Aus-
schliesslichkeit seines Besitzes aufgibt. Nur in äusserst selte-
nen Fällen ist der Erfinder einer Fabricationsmethode im Stande,
das Geheimniss derselben zu bewahren. In den meisten Fällen
muss er, um von seiner Erfindung Nutzen zu ziehen, den In-
halt derselben einer grösseren Zahl von Personen bekannt ge-
ben. Der Produzent einer neuen Waare, der Vervielfältiger
eines Kunstwerkes und der Herausgeber einer Schrift aber
kann überhaupt nur dadurch von seinem Unternehmen Nutzen
ziehen, dass er die Frucht seiner geistigen Arbeit allen zu-
gänglich macht. Soll gleichwohl die geistige Arbeit einen
Rechtsschutz geniessen, so kann dies nur so geschehen, dass
trotz der Bekanntmachung doch dem geistigen Urheber allein
gestattet wird, die Früchte seiner Geistesthätigkeit zu ver-
werthen und dass es jedem Andern untersagt bleibt, die bloss
angeeigneten Resultate fremder Geistesthätigkeit für sich nutz-
bar zu machen.

Eine solche ausschliessliche Berechtigung zur Verwerthung
der Resultate der geistigen Thätigkeit kann indessen nur in
beschränktem Umfange gewährt werden. Bei den Schriften
beschränkt sich der Rechtsschutz, welcher ihrem Urheber ge-
währt werden kann, auf das Recht der ausschliesslichen Ver-
vielfältigung. Es ist gesetzlich verboten, den Inhalt einer
fremden Schrift ganz oder theilweise nachzudrucken. Wenn
aber ein Schriftsteller gewisse Thatsachen, die Resultate viel-
jähriger Forschungen, in einem Buche niederlegt, so ist zwar
dieses Buch gegen den Nachdruck geschützt, die neuen That-
sachen aber, welche gewissermassen den Kern des Buches
ausmachen, können von Jedem weiter verbreitet und benutzt
werden. Alex. v. Humboldt machte in seiner berühmten Reise-
beschreibung (Voyage dans les regions equinoctiales) die Re-

I. Einleitung. §. 4. Schwierigkeit der Gesetzgebung.

Während bei den dinglichen Rechten der körperliche Be-
sitz die Möglichkeit gibt, in beliebiger Weise auf die Sache
einzuwirken und Andere von ihrer Benutzung auszuschliessen,
ist bei den Producten der geistigen Arbeit die Lage des Er-
zeugers eine wesentlich andere.

Die natürliche Grundlage seines Rechtes besteht in der
ausschliesslichen Kenntniss des Gedankens, der künstlerischen
Form, oder des technischen Verfahrens, welches er erfunden
hat. Allein der Gebrauch, welchen der Erfinder von diesem
geistigen Besitze macht, bedingt nothwendig, dass er die Aus-
schliesslichkeit seines Besitzes aufgibt. Nur in äusserst selte-
nen Fällen ist der Erfinder einer Fabricationsmethode im Stande,
das Geheimniss derselben zu bewahren. In den meisten Fällen
muss er, um von seiner Erfindung Nutzen zu ziehen, den In-
halt derselben einer grösseren Zahl von Personen bekannt ge-
ben. Der Produzent einer neuen Waare, der Vervielfältiger
eines Kunstwerkes und der Herausgeber einer Schrift aber
kann überhaupt nur dadurch von seinem Unternehmen Nutzen
ziehen, dass er die Frucht seiner geistigen Arbeit allen zu-
gänglich macht. Soll gleichwohl die geistige Arbeit einen
Rechtsschutz geniessen, so kann dies nur so geschehen, dass
trotz der Bekanntmachung doch dem geistigen Urheber allein
gestattet wird, die Früchte seiner Geistesthätigkeit zu ver-
werthen und dass es jedem Andern untersagt bleibt, die bloss
angeeigneten Resultate fremder Geistesthätigkeit für sich nutz-
bar zu machen.

Eine solche ausschliessliche Berechtigung zur Verwerthung
der Resultate der geistigen Thätigkeit kann indessen nur in
beschränktem Umfange gewährt werden. Bei den Schriften
beschränkt sich der Rechtsschutz, welcher ihrem Urheber ge-
währt werden kann, auf das Recht der ausschliesslichen Ver-
vielfältigung. Es ist gesetzlich verboten, den Inhalt einer
fremden Schrift ganz oder theilweise nachzudrucken. Wenn
aber ein Schriftsteller gewisse Thatsachen, die Resultate viel-
jähriger Forschungen, in einem Buche niederlegt, so ist zwar
dieses Buch gegen den Nachdruck geschützt, die neuen That-
sachen aber, welche gewissermassen den Kern des Buches
ausmachen, können von Jedem weiter verbreitet und benutzt
werden. Alex. v. Humboldt machte in seiner berühmten Reise-
beschreibung (Voyage dans les régions équinoctiales) die Re-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0034" n="18"/>
            <fw place="top" type="header">I. Einleitung. §. 4. Schwierigkeit der Gesetzgebung.</fw><lb/>
            <p>Während bei den dinglichen Rechten der körperliche Be-<lb/>
sitz die Möglichkeit gibt, in beliebiger Weise auf die Sache<lb/>
einzuwirken und Andere von ihrer Benutzung auszuschliessen,<lb/>
ist bei den Producten der geistigen Arbeit die Lage des Er-<lb/>
zeugers eine wesentlich andere.</p><lb/>
            <p>Die natürliche Grundlage seines Rechtes besteht in der<lb/>
ausschliesslichen Kenntniss des Gedankens, der künstlerischen<lb/>
Form, oder des technischen Verfahrens, welches er erfunden<lb/>
hat. Allein der Gebrauch, welchen der Erfinder von diesem<lb/>
geistigen Besitze macht, bedingt nothwendig, dass er die Aus-<lb/>
schliesslichkeit seines Besitzes aufgibt. Nur in äusserst selte-<lb/>
nen Fällen ist der Erfinder einer Fabricationsmethode im Stande,<lb/>
das Geheimniss derselben zu bewahren. In den meisten Fällen<lb/>
muss er, um von seiner Erfindung Nutzen zu ziehen, den In-<lb/>
halt derselben einer grösseren Zahl von Personen bekannt ge-<lb/>
ben. Der Produzent einer neuen Waare, der Vervielfältiger<lb/>
eines Kunstwerkes und der Herausgeber einer Schrift aber<lb/>
kann überhaupt nur dadurch von seinem Unternehmen Nutzen<lb/>
ziehen, dass er die Frucht seiner geistigen Arbeit allen zu-<lb/>
gänglich macht. Soll gleichwohl die geistige Arbeit einen<lb/>
Rechtsschutz geniessen, so kann dies nur so geschehen, dass<lb/>
trotz der Bekanntmachung doch dem geistigen Urheber allein<lb/>
gestattet wird, die Früchte seiner Geistesthätigkeit zu ver-<lb/>
werthen und dass es jedem Andern untersagt bleibt, die bloss<lb/>
angeeigneten Resultate fremder Geistesthätigkeit für sich nutz-<lb/>
bar zu machen.</p><lb/>
            <p>Eine solche ausschliessliche Berechtigung zur Verwerthung<lb/>
der Resultate der geistigen Thätigkeit kann indessen nur in<lb/>
beschränktem Umfange gewährt werden. Bei den Schriften<lb/>
beschränkt sich der Rechtsschutz, welcher ihrem Urheber ge-<lb/>
währt werden kann, auf das Recht der ausschliesslichen Ver-<lb/>
vielfältigung. Es ist gesetzlich verboten, den Inhalt einer<lb/>
fremden Schrift ganz oder theilweise nachzudrucken. Wenn<lb/>
aber ein Schriftsteller gewisse Thatsachen, die Resultate viel-<lb/>
jähriger Forschungen, in einem Buche niederlegt, so ist zwar<lb/>
dieses Buch gegen den Nachdruck geschützt, die neuen That-<lb/>
sachen aber, welche gewissermassen den Kern des Buches<lb/>
ausmachen, können von Jedem weiter verbreitet und benutzt<lb/>
werden. Alex. v. Humboldt machte in seiner berühmten Reise-<lb/>
beschreibung (Voyage dans les régions équinoctiales) die Re-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0034] I. Einleitung. §. 4. Schwierigkeit der Gesetzgebung. Während bei den dinglichen Rechten der körperliche Be- sitz die Möglichkeit gibt, in beliebiger Weise auf die Sache einzuwirken und Andere von ihrer Benutzung auszuschliessen, ist bei den Producten der geistigen Arbeit die Lage des Er- zeugers eine wesentlich andere. Die natürliche Grundlage seines Rechtes besteht in der ausschliesslichen Kenntniss des Gedankens, der künstlerischen Form, oder des technischen Verfahrens, welches er erfunden hat. Allein der Gebrauch, welchen der Erfinder von diesem geistigen Besitze macht, bedingt nothwendig, dass er die Aus- schliesslichkeit seines Besitzes aufgibt. Nur in äusserst selte- nen Fällen ist der Erfinder einer Fabricationsmethode im Stande, das Geheimniss derselben zu bewahren. In den meisten Fällen muss er, um von seiner Erfindung Nutzen zu ziehen, den In- halt derselben einer grösseren Zahl von Personen bekannt ge- ben. Der Produzent einer neuen Waare, der Vervielfältiger eines Kunstwerkes und der Herausgeber einer Schrift aber kann überhaupt nur dadurch von seinem Unternehmen Nutzen ziehen, dass er die Frucht seiner geistigen Arbeit allen zu- gänglich macht. Soll gleichwohl die geistige Arbeit einen Rechtsschutz geniessen, so kann dies nur so geschehen, dass trotz der Bekanntmachung doch dem geistigen Urheber allein gestattet wird, die Früchte seiner Geistesthätigkeit zu ver- werthen und dass es jedem Andern untersagt bleibt, die bloss angeeigneten Resultate fremder Geistesthätigkeit für sich nutz- bar zu machen. Eine solche ausschliessliche Berechtigung zur Verwerthung der Resultate der geistigen Thätigkeit kann indessen nur in beschränktem Umfange gewährt werden. Bei den Schriften beschränkt sich der Rechtsschutz, welcher ihrem Urheber ge- währt werden kann, auf das Recht der ausschliesslichen Ver- vielfältigung. Es ist gesetzlich verboten, den Inhalt einer fremden Schrift ganz oder theilweise nachzudrucken. Wenn aber ein Schriftsteller gewisse Thatsachen, die Resultate viel- jähriger Forschungen, in einem Buche niederlegt, so ist zwar dieses Buch gegen den Nachdruck geschützt, die neuen That- sachen aber, welche gewissermassen den Kern des Buches ausmachen, können von Jedem weiter verbreitet und benutzt werden. Alex. v. Humboldt machte in seiner berühmten Reise- beschreibung (Voyage dans les régions équinoctiales) die Re-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/34
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/34>, abgerufen am 03.12.2024.