Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Einleitung. §. 4. Schwierigkeit der Gesetzgebung.
Form, wenn nur mit Angabe der Quelle, allgemein gestat-
tet ist.

Der Schutz der geistigen Arbeit ist also in Bezug auf die
Schriften von sehr verschiedener Wirkung, weil er sich nur auf
die Form der Darstellung, nicht auf die dargestellten Gedan-
ken selbst erstreckt. Die Werke der Dichter geniessen daher
eines fast vollständigen Schutzes, während die Arbeit der Ge-
lehrten zum grossen Theile unmittelbares Gemeingut wird.

Dieselbe Verschiedenheit zeigt sich auf dem Gebiete der
Erfindungen. Ein grosser und wichtiger Theil derselben be-
steht in rein gemeinnützigen Entdeckungen und geht in den
allgemeinen Besitz über, ohne dem Erfinder selbst irgend einen
Nutzen zu gewähren. Wenn Steinheil im Jahre 1845 fand,
dass es unnöthig sei, den electrischen Strom des Telegraphen
durch einen zweiten Draht zurück zu leiten, dass vielmehr diese
Rückleitung der Erde überlassen werden könne, so genügte
das einfache Bekanntwerden dieser Thatsache, um Jedem die
dadurch erzielten Vortheile zugänglich zu machen. Kein Pa-
tentschutz vermochte irgend Jemanden an der Benutzung die-
ser Entdeckung zu hindern, da nur eine ganz überflüssige
Vorrichtung an dem Telegraphenapparate weggelassen wurde.
Die Construction der schmiedeeisernen Gitterträger war eine
Erfindung ersten Ranges für den Brückenbau. Allein da sie
lediglich auf der freien Anwendung des Gesetzes der relativen
Festigkeit beruhte, so konnte sie von dem Erfinder nicht mono-
polisirt werden. Andere Erfindungen von grosser Tragweite
entziehen sich durch ihre practische Verwendung der Benutzung
als Eigenthum von Seiten der Erfinder. So z. B. gebraucht
jeder Arzt die Schutzpockenimpfung und das Chloroform, ohne
dass es jemals nöthig befunden wäre, eine Erlaubniss dazu bei
dem Erfinder einzuholen. Während die reichsten Ernten auf
dem Gebiete der medizinischen Pfuscherei von den Erfindern
neuer angeblicher Heilmittel gezogen werden, so hat die Erfin-
dung jener Heilmittel, welche der Menschheit die wirkliche
Befreiung von Leiden in einem früher nicht geahnten Maasse
gebracht haben, ihren Urhebern keinen Geldertrag gewährt.
Die Erfinder der Vorschuss- und Darlehnskassen, der Sicher-
heitslampen, der Leuchtthürme, Rettungsboote und Sturmsig-
nale und zahlreicher andern gemeinnützigen und öffentlichen
Einrichtungen, durch welche der Verkehr und der öffentliche

I. Einleitung. §. 4. Schwierigkeit der Gesetzgebung.
Form, wenn nur mit Angabe der Quelle, allgemein gestat-
tet ist.

Der Schutz der geistigen Arbeit ist also in Bezug auf die
Schriften von sehr verschiedener Wirkung, weil er sich nur auf
die Form der Darstellung, nicht auf die dargestellten Gedan-
ken selbst erstreckt. Die Werke der Dichter geniessen daher
eines fast vollständigen Schutzes, während die Arbeit der Ge-
lehrten zum grossen Theile unmittelbares Gemeingut wird.

Dieselbe Verschiedenheit zeigt sich auf dem Gebiete der
Erfindungen. Ein grosser und wichtiger Theil derselben be-
steht in rein gemeinnützigen Entdeckungen und geht in den
allgemeinen Besitz über, ohne dem Erfinder selbst irgend einen
Nutzen zu gewähren. Wenn Steinheil im Jahre 1845 fand,
dass es unnöthig sei, den electrischen Strom des Telegraphen
durch einen zweiten Draht zurück zu leiten, dass vielmehr diese
Rückleitung der Erde überlassen werden könne, so genügte
das einfache Bekanntwerden dieser Thatsache, um Jedem die
dadurch erzielten Vortheile zugänglich zu machen. Kein Pa-
tentschutz vermochte irgend Jemanden an der Benutzung die-
ser Entdeckung zu hindern, da nur eine ganz überflüssige
Vorrichtung an dem Telegraphenapparate weggelassen wurde.
Die Construction der schmiedeeisernen Gitterträger war eine
Erfindung ersten Ranges für den Brückenbau. Allein da sie
lediglich auf der freien Anwendung des Gesetzes der relativen
Festigkeit beruhte, so konnte sie von dem Erfinder nicht mono-
polisirt werden. Andere Erfindungen von grosser Tragweite
entziehen sich durch ihre practische Verwendung der Benutzung
als Eigenthum von Seiten der Erfinder. So z. B. gebraucht
jeder Arzt die Schutzpockenimpfung und das Chloroform, ohne
dass es jemals nöthig befunden wäre, eine Erlaubniss dazu bei
dem Erfinder einzuholen. Während die reichsten Ernten auf
dem Gebiete der medizinischen Pfuscherei von den Erfindern
neuer angeblicher Heilmittel gezogen werden, so hat die Erfin-
dung jener Heilmittel, welche der Menschheit die wirkliche
Befreiung von Leiden in einem früher nicht geahnten Maasse
gebracht haben, ihren Urhebern keinen Geldertrag gewährt.
Die Erfinder der Vorschuss- und Darlehnskassen, der Sicher-
heitslampen, der Leuchtthürme, Rettungsboote und Sturmsig-
nale und zahlreicher andern gemeinnützigen und öffentlichen
Einrichtungen, durch welche der Verkehr und der öffentliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0036" n="20"/><fw place="top" type="header">I. Einleitung. §. 4. Schwierigkeit der Gesetzgebung.</fw><lb/>
Form, wenn nur mit Angabe der Quelle, allgemein gestat-<lb/>
tet ist.</p><lb/>
            <p>Der Schutz der geistigen Arbeit ist also in Bezug auf die<lb/>
Schriften von sehr verschiedener Wirkung, weil er sich nur auf<lb/>
die Form der Darstellung, nicht auf die dargestellten Gedan-<lb/>
ken selbst erstreckt. Die Werke der Dichter geniessen daher<lb/>
eines fast vollständigen Schutzes, während die Arbeit der Ge-<lb/>
lehrten zum grossen Theile unmittelbares Gemeingut wird.</p><lb/>
            <p>Dieselbe Verschiedenheit zeigt sich auf dem Gebiete der<lb/>
Erfindungen. Ein grosser und wichtiger Theil derselben be-<lb/>
steht in rein gemeinnützigen Entdeckungen und geht in den<lb/>
allgemeinen Besitz über, ohne dem Erfinder selbst irgend einen<lb/>
Nutzen zu gewähren. Wenn Steinheil im Jahre 1845 fand,<lb/>
dass es unnöthig sei, den electrischen Strom des Telegraphen<lb/>
durch einen zweiten Draht zurück zu leiten, dass vielmehr diese<lb/>
Rückleitung der Erde überlassen werden könne, so genügte<lb/>
das einfache Bekanntwerden dieser Thatsache, um Jedem die<lb/>
dadurch erzielten Vortheile zugänglich zu machen. Kein Pa-<lb/>
tentschutz vermochte irgend Jemanden an der Benutzung die-<lb/>
ser Entdeckung zu hindern, da nur eine ganz überflüssige<lb/>
Vorrichtung an dem Telegraphenapparate weggelassen wurde.<lb/>
Die Construction der schmiedeeisernen Gitterträger war eine<lb/>
Erfindung ersten Ranges für den Brückenbau. Allein da sie<lb/>
lediglich auf der freien Anwendung des Gesetzes der relativen<lb/>
Festigkeit beruhte, so konnte sie von dem Erfinder nicht mono-<lb/>
polisirt werden. Andere Erfindungen von grosser Tragweite<lb/>
entziehen sich durch ihre practische Verwendung der Benutzung<lb/>
als Eigenthum von Seiten der Erfinder. So z. B. gebraucht<lb/>
jeder Arzt die Schutzpockenimpfung und das Chloroform, ohne<lb/>
dass es jemals nöthig befunden wäre, eine Erlaubniss dazu bei<lb/>
dem Erfinder einzuholen. Während die reichsten Ernten auf<lb/>
dem Gebiete der medizinischen Pfuscherei von den Erfindern<lb/>
neuer angeblicher Heilmittel gezogen werden, so hat die Erfin-<lb/>
dung jener Heilmittel, welche der Menschheit die wirkliche<lb/>
Befreiung von Leiden in einem früher nicht geahnten Maasse<lb/>
gebracht haben, ihren Urhebern keinen Geldertrag gewährt.<lb/>
Die Erfinder der Vorschuss- und Darlehnskassen, der Sicher-<lb/>
heitslampen, der Leuchtthürme, Rettungsboote und Sturmsig-<lb/>
nale und zahlreicher andern gemeinnützigen und öffentlichen<lb/>
Einrichtungen, durch welche der Verkehr und der öffentliche<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0036] I. Einleitung. §. 4. Schwierigkeit der Gesetzgebung. Form, wenn nur mit Angabe der Quelle, allgemein gestat- tet ist. Der Schutz der geistigen Arbeit ist also in Bezug auf die Schriften von sehr verschiedener Wirkung, weil er sich nur auf die Form der Darstellung, nicht auf die dargestellten Gedan- ken selbst erstreckt. Die Werke der Dichter geniessen daher eines fast vollständigen Schutzes, während die Arbeit der Ge- lehrten zum grossen Theile unmittelbares Gemeingut wird. Dieselbe Verschiedenheit zeigt sich auf dem Gebiete der Erfindungen. Ein grosser und wichtiger Theil derselben be- steht in rein gemeinnützigen Entdeckungen und geht in den allgemeinen Besitz über, ohne dem Erfinder selbst irgend einen Nutzen zu gewähren. Wenn Steinheil im Jahre 1845 fand, dass es unnöthig sei, den electrischen Strom des Telegraphen durch einen zweiten Draht zurück zu leiten, dass vielmehr diese Rückleitung der Erde überlassen werden könne, so genügte das einfache Bekanntwerden dieser Thatsache, um Jedem die dadurch erzielten Vortheile zugänglich zu machen. Kein Pa- tentschutz vermochte irgend Jemanden an der Benutzung die- ser Entdeckung zu hindern, da nur eine ganz überflüssige Vorrichtung an dem Telegraphenapparate weggelassen wurde. Die Construction der schmiedeeisernen Gitterträger war eine Erfindung ersten Ranges für den Brückenbau. Allein da sie lediglich auf der freien Anwendung des Gesetzes der relativen Festigkeit beruhte, so konnte sie von dem Erfinder nicht mono- polisirt werden. Andere Erfindungen von grosser Tragweite entziehen sich durch ihre practische Verwendung der Benutzung als Eigenthum von Seiten der Erfinder. So z. B. gebraucht jeder Arzt die Schutzpockenimpfung und das Chloroform, ohne dass es jemals nöthig befunden wäre, eine Erlaubniss dazu bei dem Erfinder einzuholen. Während die reichsten Ernten auf dem Gebiete der medizinischen Pfuscherei von den Erfindern neuer angeblicher Heilmittel gezogen werden, so hat die Erfin- dung jener Heilmittel, welche der Menschheit die wirkliche Befreiung von Leiden in einem früher nicht geahnten Maasse gebracht haben, ihren Urhebern keinen Geldertrag gewährt. Die Erfinder der Vorschuss- und Darlehnskassen, der Sicher- heitslampen, der Leuchtthürme, Rettungsboote und Sturmsig- nale und zahlreicher andern gemeinnützigen und öffentlichen Einrichtungen, durch welche der Verkehr und der öffentliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/36
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/36>, abgerufen am 21.11.2024.