Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

VIII. Nachdruck. §. 36. Begriff.
durch die unbefugte Veröffentlichung eines Privatbriefes eine
Ehrenkränkung verübt wird, so fallen diese Rechtsverletzungen
nicht unter die Kategorie des Nachdruckes. Zum Begriffe des
Nachdruckes ist vielmehr erforderlich, dass an dem unbefugt
vervielfältigten Werke ein geistiges Eigenthum besteht, welches
durch diese unbefugte Handlung verletzt wird. Ist also die
unbefugt veröffentlichte Schrift nicht als ein Gegenstand ver-
mögensrechtlicher Nutzung zu betrachten, so fällt mit der Vor-
aussetzung eines geistigen Eigenthumes auch der Begriff des
Nachdruckes fort 1). Dagegen ist es im umgekehrten Falle
nicht nothwendig, dass die Schrift schon vor dem unbefugten
Abdruck Gegenstand der vermögensrechtlichen Nutzung durch
Vervielfältigung geworden oder doch dazu bestimmt gewesen
sei. Der unbefugte Abdruck der Privatbriefe Lord Chesterfields
an seinen Sohn (oben S. 324) war ein unzweifelhafter Nach-
druck, weil das Werk gerade durch die unbefugte Verbreitung
selbst als ein Gegenstand der vermögensrechtlichen Nutzung
ausgewiesen worden war.

1) Ebenso ist es kein Nachdruck, wenn Jemand ein gemeinfreies
Bild wider den Willen des Besitzers abzeichnet und in Kupfer sticht.
Diese unbefugte Handlung wird vielmehr nach Verschiedenheit der Fälle
als eine Verletzung des Leihvertrages, oder als ein damnum iniuria
datum
betrachtet und verfolgt werden müssen, da der Besitzer des
Bildes, wenn auch kein ausschliessendes Recht der Vervielfältigung, so
doch ein rechtliches Interesse an dem alleinigen Besitze seines Kunst-
werkes hat, welches durch die unbefugte Vervielfältigung gekränkt wird.
Dieses rechtliche Interesse haben die Pariser Gerichtshöfe in dem
von Gambastide (Traite des contrefacons p. 381) angeführten Rechts-
falle verkannt. Dr. Automarchi hatte die Todtenmaske Napoleons dem
Bildhauer Massimo geliehen, um sie in Marmor auszuführen. Massimo
hatte Gypsabgüsse davon gemacht und verkauft. Die Klage des Dr.
Automarchi wegen dieser unbefugten Vervielfältigung wurde abgewiesen
-- mit Unrecht, da derselbe zwar nicht in seinem geistigen Eigenthume,
jedoch in seinem rechtlichen Interesse als alleiniger Besitzer der ab-
geformten Maske und in seinen vertragsmässigen Ansprüchen durch die
vertragswidrige Benutzung des dargeliehenen Gegenstandes gekränkt
war. -- Dagegen würde Automarchi offenbar nicht befugt gewesen sein,
einem Dritten, der in gutem Glauben die Copie seiner Todtenmaske
von Massimo erworben hatte, den Gebrauch und die weitere Verviel-
fältigung derselben zu untersagen und hierdurch wird der Unterschied
seines Rechtes von dem gegen jeden Inhaber und Verbreiter des Nach-
druckes verfolgbaren geistigen Eigenthume anschaulich.

VIII. Nachdruck. §. 36. Begriff.
durch die unbefugte Veröffentlichung eines Privatbriefes eine
Ehrenkränkung verübt wird, so fallen diese Rechtsverletzungen
nicht unter die Kategorie des Nachdruckes. Zum Begriffe des
Nachdruckes ist vielmehr erforderlich, dass an dem unbefugt
vervielfältigten Werke ein geistiges Eigenthum besteht, welches
durch diese unbefugte Handlung verletzt wird. Ist also die
unbefugt veröffentlichte Schrift nicht als ein Gegenstand ver-
mögensrechtlicher Nutzung zu betrachten, so fällt mit der Vor-
aussetzung eines geistigen Eigenthumes auch der Begriff des
Nachdruckes fort 1). Dagegen ist es im umgekehrten Falle
nicht nothwendig, dass die Schrift schon vor dem unbefugten
Abdruck Gegenstand der vermögensrechtlichen Nutzung durch
Vervielfältigung geworden oder doch dazu bestimmt gewesen
sei. Der unbefugte Abdruck der Privatbriefe Lord Chesterfields
an seinen Sohn (oben S. 324) war ein unzweifelhafter Nach-
druck, weil das Werk gerade durch die unbefugte Verbreitung
selbst als ein Gegenstand der vermögensrechtlichen Nutzung
ausgewiesen worden war.

1) Ebenso ist es kein Nachdruck, wenn Jemand ein gemeinfreies
Bild wider den Willen des Besitzers abzeichnet und in Kupfer sticht.
Diese unbefugte Handlung wird vielmehr nach Verschiedenheit der Fälle
als eine Verletzung des Leihvertrages, oder als ein damnum iniuria
datum
betrachtet und verfolgt werden müssen, da der Besitzer des
Bildes, wenn auch kein ausschliessendes Recht der Vervielfältigung, so
doch ein rechtliches Interesse an dem alleinigen Besitze seines Kunst-
werkes hat, welches durch die unbefugte Vervielfältigung gekränkt wird.
Dieses rechtliche Interesse haben die Pariser Gerichtshöfe in dem
von Gambastide (Traité des contrefaçons p. 381) angeführten Rechts-
falle verkannt. Dr. Automarchi hatte die Todtenmaske Napoleons dem
Bildhauer Massimo geliehen, um sie in Marmor auszuführen. Massimo
hatte Gypsabgüsse davon gemacht und verkauft. Die Klage des Dr.
Automarchi wegen dieser unbefugten Vervielfältigung wurde abgewiesen
— mit Unrecht, da derselbe zwar nicht in seinem geistigen Eigenthume,
jedoch in seinem rechtlichen Interesse als alleiniger Besitzer der ab-
geformten Maske und in seinen vertragsmässigen Ansprüchen durch die
vertragswidrige Benutzung des dargeliehenen Gegenstandes gekränkt
war. — Dagegen würde Automarchi offenbar nicht befugt gewesen sein,
einem Dritten, der in gutem Glauben die Copie seiner Todtenmaske
von Massimo erworben hatte, den Gebrauch und die weitere Verviel-
fältigung derselben zu untersagen und hierdurch wird der Unterschied
seines Rechtes von dem gegen jeden Inhaber und Verbreiter des Nach-
druckes verfolgbaren geistigen Eigenthume anschaulich.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0390" n="374"/><fw place="top" type="header">VIII. Nachdruck. §. 36. Begriff.</fw><lb/>
durch die unbefugte Veröffentlichung eines Privatbriefes eine<lb/>
Ehrenkränkung verübt wird, so fallen diese Rechtsverletzungen<lb/>
nicht unter die Kategorie des Nachdruckes. Zum Begriffe des<lb/>
Nachdruckes ist vielmehr erforderlich, dass an dem unbefugt<lb/>
vervielfältigten Werke ein geistiges Eigenthum besteht, welches<lb/>
durch diese unbefugte Handlung verletzt wird. Ist also die<lb/>
unbefugt veröffentlichte Schrift nicht als ein Gegenstand ver-<lb/>
mögensrechtlicher Nutzung zu betrachten, so fällt mit der Vor-<lb/>
aussetzung eines geistigen Eigenthumes auch der Begriff des<lb/>
Nachdruckes fort <note place="foot" n="1)">Ebenso ist es kein Nachdruck, wenn Jemand ein gemeinfreies<lb/>
Bild wider den Willen des Besitzers abzeichnet und in Kupfer sticht.<lb/>
Diese unbefugte Handlung wird vielmehr nach Verschiedenheit der Fälle<lb/>
als eine Verletzung des Leihvertrages, oder als ein <hi rendition="#i">damnum iniuria<lb/>
datum</hi> betrachtet und verfolgt werden müssen, da der Besitzer des<lb/>
Bildes, wenn auch kein ausschliessendes Recht der Vervielfältigung, so<lb/>
doch ein rechtliches Interesse an dem alleinigen Besitze seines Kunst-<lb/>
werkes hat, welches durch die unbefugte Vervielfältigung gekränkt wird.<lb/>
Dieses rechtliche Interesse haben die Pariser Gerichtshöfe in dem<lb/>
von Gambastide (Traité des contrefaçons p. 381) angeführten Rechts-<lb/>
falle verkannt. Dr. Automarchi hatte die Todtenmaske Napoleons dem<lb/>
Bildhauer Massimo geliehen, um sie in Marmor auszuführen. Massimo<lb/>
hatte Gypsabgüsse davon gemacht und verkauft. Die Klage des Dr.<lb/>
Automarchi wegen dieser unbefugten Vervielfältigung wurde abgewiesen<lb/>
&#x2014; mit Unrecht, da derselbe zwar nicht in seinem geistigen Eigenthume,<lb/>
jedoch in seinem rechtlichen Interesse als alleiniger Besitzer der ab-<lb/>
geformten Maske und in seinen vertragsmässigen Ansprüchen durch die<lb/>
vertragswidrige Benutzung des dargeliehenen Gegenstandes gekränkt<lb/>
war. &#x2014; Dagegen würde Automarchi offenbar nicht befugt gewesen sein,<lb/>
einem Dritten, der in gutem Glauben die Copie seiner Todtenmaske<lb/>
von Massimo erworben hatte, den Gebrauch und die weitere Verviel-<lb/>
fältigung derselben zu untersagen und hierdurch wird der Unterschied<lb/>
seines Rechtes von dem gegen jeden Inhaber und Verbreiter des Nach-<lb/>
druckes verfolgbaren geistigen Eigenthume anschaulich.</note>. Dagegen ist es im umgekehrten Falle<lb/>
nicht nothwendig, dass die Schrift schon vor dem unbefugten<lb/>
Abdruck Gegenstand der vermögensrechtlichen Nutzung durch<lb/>
Vervielfältigung geworden oder doch dazu bestimmt gewesen<lb/>
sei. Der unbefugte Abdruck der Privatbriefe Lord Chesterfields<lb/>
an seinen Sohn (oben S. 324) war ein unzweifelhafter Nach-<lb/>
druck, weil das Werk gerade durch die unbefugte Verbreitung<lb/>
selbst als ein Gegenstand der vermögensrechtlichen Nutzung<lb/>
ausgewiesen worden war.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[374/0390] VIII. Nachdruck. §. 36. Begriff. durch die unbefugte Veröffentlichung eines Privatbriefes eine Ehrenkränkung verübt wird, so fallen diese Rechtsverletzungen nicht unter die Kategorie des Nachdruckes. Zum Begriffe des Nachdruckes ist vielmehr erforderlich, dass an dem unbefugt vervielfältigten Werke ein geistiges Eigenthum besteht, welches durch diese unbefugte Handlung verletzt wird. Ist also die unbefugt veröffentlichte Schrift nicht als ein Gegenstand ver- mögensrechtlicher Nutzung zu betrachten, so fällt mit der Vor- aussetzung eines geistigen Eigenthumes auch der Begriff des Nachdruckes fort 1). Dagegen ist es im umgekehrten Falle nicht nothwendig, dass die Schrift schon vor dem unbefugten Abdruck Gegenstand der vermögensrechtlichen Nutzung durch Vervielfältigung geworden oder doch dazu bestimmt gewesen sei. Der unbefugte Abdruck der Privatbriefe Lord Chesterfields an seinen Sohn (oben S. 324) war ein unzweifelhafter Nach- druck, weil das Werk gerade durch die unbefugte Verbreitung selbst als ein Gegenstand der vermögensrechtlichen Nutzung ausgewiesen worden war. 1) Ebenso ist es kein Nachdruck, wenn Jemand ein gemeinfreies Bild wider den Willen des Besitzers abzeichnet und in Kupfer sticht. Diese unbefugte Handlung wird vielmehr nach Verschiedenheit der Fälle als eine Verletzung des Leihvertrages, oder als ein damnum iniuria datum betrachtet und verfolgt werden müssen, da der Besitzer des Bildes, wenn auch kein ausschliessendes Recht der Vervielfältigung, so doch ein rechtliches Interesse an dem alleinigen Besitze seines Kunst- werkes hat, welches durch die unbefugte Vervielfältigung gekränkt wird. Dieses rechtliche Interesse haben die Pariser Gerichtshöfe in dem von Gambastide (Traité des contrefaçons p. 381) angeführten Rechts- falle verkannt. Dr. Automarchi hatte die Todtenmaske Napoleons dem Bildhauer Massimo geliehen, um sie in Marmor auszuführen. Massimo hatte Gypsabgüsse davon gemacht und verkauft. Die Klage des Dr. Automarchi wegen dieser unbefugten Vervielfältigung wurde abgewiesen — mit Unrecht, da derselbe zwar nicht in seinem geistigen Eigenthume, jedoch in seinem rechtlichen Interesse als alleiniger Besitzer der ab- geformten Maske und in seinen vertragsmässigen Ansprüchen durch die vertragswidrige Benutzung des dargeliehenen Gegenstandes gekränkt war. — Dagegen würde Automarchi offenbar nicht befugt gewesen sein, einem Dritten, der in gutem Glauben die Copie seiner Todtenmaske von Massimo erworben hatte, den Gebrauch und die weitere Verviel- fältigung derselben zu untersagen und hierdurch wird der Unterschied seines Rechtes von dem gegen jeden Inhaber und Verbreiter des Nach- druckes verfolgbaren geistigen Eigenthume anschaulich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/390
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/390>, abgerufen am 21.11.2024.