IX. Verfolgung des Nachdrucks. §. 45. Prozess (Fortsetzung).
an dem erwähnten Gesangbuche unabhängig von dem 1783 erloschenen Privilegium ein Verlagsrecht nach den damals gel- tenden Regeln des gemeinen Rechtes bestanden habe, ob dieses Verlagsrecht demnächst durch die Vorschriften des Allg. Land- rechts geschützt worden sei und bis zum Erlasse des Gesetzes vom 11. Juni 1837 fortbestanden habe.
Der Appellationsrichter hatte diese Fragen verneint. Das Obertribunal vernichtete indess seine Entscheidung und verur- theilte die Erben B. zur Confiscation der nachgedruckten Exem- plare und zur Entschädigung der Schusterschen Buchhandlung. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt:
Es könne nicht als ein unbestrittener Grundsatz des vorland- rechtlichen gemeinen Rechtes anerkannt werden, dass Verlagsrechte nur durch Specialprivilegium gegen Nachdruck geschützt werden könnten. Vielmehr sei von einer grossen Zahl von Juristen die Strafbarkeit des Nachdrucks auch der unprivilegirten Bücher be- hauptet. Demnach müsse die Vorschrift des §. IX des Publica- tionspatentes zum Allg. Landrecht Anwendung finden, wonach bei allen Controversen über die Auslegung der früheren Gesetze die- jenige Meinung den Vorzug haben solle, welche mit den Vorschrif- ten des Allg. Landrechts übereinstimmt. Das Allg. Landrecht aber lege in den §§. 1021. 1022 Th. I Tit. 11 dem Buchhändler an den nach seiner Idee hergestellten Werken ein ursprüngliches Verlags- recht bei, welches durch keine Fristbestimmung und durch keine Einschränkung zu Gunsten des Autors beschränkt werde. Daher habe an dem Schusterschen Gesangbuche trotz des Erlöschens des Privilegiums noch beim Erlasse des Gesetzes vom 11. Juni 1837 ein Verlagsrecht bestanden, welches nach §. 35 dieses Gesetzes und nach den Gesetzen vom 5. Juli 1844 und vom 26 Januar 1857 jedenfalls noch bis zum Jahre 1859, in welchem der Nachdruck erfolgte, in Kraft erhalten worden sei.
Das Resultat dieser Schlussfolgerung ist überraschend, da zur Zeit der Ertheilung und des Erlöschens jenes Privilegiums von 1731 gewiss Niemand daran dachte, dass der Verlagshand- lung unabhängig von demselben ein ewiges und unbeschränktes Verlagsrecht zustehe, wie ihr solches nachträglich beigelegt wird. Es liesse sich auch gegen die Beweisführung des Ober- tribunales einwenden, dass die ganz singulairen Rechte, welche das Allg. Landrecht in den §§. 1021. 1022 und 1029 cit. dem blossen Verleger ganz unabhängig von der Existenz eines Au-
IX. Verfolgung des Nachdrucks. §. 45. Prozess (Fortsetzung).
an dem erwähnten Gesangbuche unabhängig von dem 1783 erloschenen Privilegium ein Verlagsrecht nach den damals gel- tenden Regeln des gemeinen Rechtes bestanden habe, ob dieses Verlagsrecht demnächst durch die Vorschriften des Allg. Land- rechts geschützt worden sei und bis zum Erlasse des Gesetzes vom 11. Juni 1837 fortbestanden habe.
Der Appellationsrichter hatte diese Fragen verneint. Das Obertribunal vernichtete indess seine Entscheidung und verur- theilte die Erben B. zur Confiscation der nachgedruckten Exem- plare und zur Entschädigung der Schusterschen Buchhandlung. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt:
Es könne nicht als ein unbestrittener Grundsatz des vorland- rechtlichen gemeinen Rechtes anerkannt werden, dass Verlagsrechte nur durch Specialprivilegium gegen Nachdruck geschützt werden könnten. Vielmehr sei von einer grossen Zahl von Juristen die Strafbarkeit des Nachdrucks auch der unprivilegirten Bücher be- hauptet. Demnach müsse die Vorschrift des §. IX des Publica- tionspatentes zum Allg. Landrecht Anwendung finden, wonach bei allen Controversen über die Auslegung der früheren Gesetze die- jenige Meinung den Vorzug haben solle, welche mit den Vorschrif- ten des Allg. Landrechts übereinstimmt. Das Allg. Landrecht aber lege in den §§. 1021. 1022 Th. I Tit. 11 dem Buchhändler an den nach seiner Idee hergestellten Werken ein ursprüngliches Verlags- recht bei, welches durch keine Fristbestimmung und durch keine Einschränkung zu Gunsten des Autors beschränkt werde. Daher habe an dem Schusterschen Gesangbuche trotz des Erlöschens des Privilegiums noch beim Erlasse des Gesetzes vom 11. Juni 1837 ein Verlagsrecht bestanden, welches nach §. 35 dieses Gesetzes und nach den Gesetzen vom 5. Juli 1844 und vom 26 Januar 1857 jedenfalls noch bis zum Jahre 1859, in welchem der Nachdruck erfolgte, in Kraft erhalten worden sei.
Das Resultat dieser Schlussfolgerung ist überraschend, da zur Zeit der Ertheilung und des Erlöschens jenes Privilegiums von 1731 gewiss Niemand daran dachte, dass der Verlagshand- lung unabhängig von demselben ein ewiges und unbeschränktes Verlagsrecht zustehe, wie ihr solches nachträglich beigelegt wird. Es liesse sich auch gegen die Beweisführung des Ober- tribunales einwenden, dass die ganz singulairen Rechte, welche das Allg. Landrecht in den §§. 1021. 1022 und 1029 cit. dem blossen Verleger ganz unabhängig von der Existenz eines Au-
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IX. Verfolgung des Nachdrucks. §. 45. Prozess (Fortsetzung).
an dem erwähnten Gesangbuche unabhängig von dem 1783
erloschenen Privilegium ein Verlagsrecht nach den damals gel-
tenden Regeln des gemeinen Rechtes bestanden habe, ob dieses
Verlagsrecht demnächst durch die Vorschriften des Allg. Land-
rechts geschützt worden sei und bis zum Erlasse des Gesetzes
vom 11. Juni 1837 fortbestanden habe.
Der Appellationsrichter hatte diese Fragen verneint. Das
Obertribunal vernichtete indess seine Entscheidung und verur-
theilte die Erben B. zur Confiscation der nachgedruckten Exem-
plare und zur Entschädigung der Schusterschen Buchhandlung.
In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt:
Es könne nicht als ein unbestrittener Grundsatz des vorland-
rechtlichen gemeinen Rechtes anerkannt werden, dass Verlagsrechte
nur durch Specialprivilegium gegen Nachdruck geschützt werden
könnten. Vielmehr sei von einer grossen Zahl von Juristen die
Strafbarkeit des Nachdrucks auch der unprivilegirten Bücher be-
hauptet. Demnach müsse die Vorschrift des §. IX des Publica-
tionspatentes zum Allg. Landrecht Anwendung finden, wonach bei
allen Controversen über die Auslegung der früheren Gesetze die-
jenige Meinung den Vorzug haben solle, welche mit den Vorschrif-
ten des Allg. Landrechts übereinstimmt. Das Allg. Landrecht aber
lege in den §§. 1021. 1022 Th. I Tit. 11 dem Buchhändler an den
nach seiner Idee hergestellten Werken ein ursprüngliches Verlags-
recht bei, welches durch keine Fristbestimmung und durch keine
Einschränkung zu Gunsten des Autors beschränkt werde. Daher
habe an dem Schusterschen Gesangbuche trotz des Erlöschens des
Privilegiums noch beim Erlasse des Gesetzes vom 11. Juni 1837
ein Verlagsrecht bestanden, welches nach §. 35 dieses Gesetzes und
nach den Gesetzen vom 5. Juli 1844 und vom 26 Januar 1857
jedenfalls noch bis zum Jahre 1859, in welchem der Nachdruck
erfolgte, in Kraft erhalten worden sei.
Das Resultat dieser Schlussfolgerung ist überraschend, da
zur Zeit der Ertheilung und des Erlöschens jenes Privilegiums
von 1731 gewiss Niemand daran dachte, dass der Verlagshand-
lung unabhängig von demselben ein ewiges und unbeschränktes
Verlagsrecht zustehe, wie ihr solches nachträglich beigelegt
wird. Es liesse sich auch gegen die Beweisführung des Ober-
tribunales einwenden, dass die ganz singulairen Rechte, welche
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/464>, abgerufen am 04.12.2024.
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