I. Einleitung. §. 5. Angriffe auf das geistige Eigenthum.
Das System der blossen Anmeldung rufe dagegen eine Ueberzahl von Patentgesuchen hervor, von denen die meisten nur der Reclame und dem Schwindel dienen, da es sich bei ihnen nicht um wirklich nützliche Erfindungen, sondern um gleichgültige Compositionen handle, welche wie Luxuswaaren, kosmetische Mittel u. dgl. zu ihrem Vertriebe einer starken Reclame bedürfen.
Ein anderer Missbrauch der bloss angemeldeten Patente finde zum Nachtheil der wirklichen Erfinder statt. Man melde nämlich auf's Gerathewohl angebliche Erfindungen mit möglichst unbestimmter Beschreibung an, um den später von wirklichen Erfindern auf demselben Felde gemachten Entdeckungen die Priorität streitig zu machen und Chicanen zu bereiten.1)
Das System der Publication der Patentgesuche führe ausser den grossen Kosten auch noch den Nachtheil mit sich, dass die Erfindung der ganzen Welt bekannt gegeben werde, wäh- rend der Schutz des Patentes auf die Grenzen des Staates be- schränkt bleibe, in welchem dasselbe ertheilt wird. Der Erfin- der werde also genöthigt, für den im Inlande nachgesuchten Schutz sein Geheimniss ohne Noth der ausländischen Concur- renz preis zu geben.2)
Gegen die Geheimhaltung auch der erloschenen Patente wird dagegen erinnert, dass Erfindungen, welche während des Laufes des Patentes unausgeführt geblieben sind, möglicher Weise ganz der Benutzung entzogen bleiben können.
Ueber die französischen Patenttaxen urtheilt Arago, dass sie mehr eine Besteuerung als einen Schutz der Industrie ent- halten, während Renouard dieselben für nothwendig hält, um unüberlegte Gesuche auf kindische und chimärische Projecte abzuhalten.
Alle diese Einwürfe gegen die verschiedenen Systeme der bestehenden Patentgesetze treffen offenbar nicht das Princip des geistigen Eigenthumes selbst. Jeder derselben ist vielmehr gegen die Fehler der einzelnen Systeme der Gesetzgebung ge- richtet; und es wird sich bei der näheren Untersuchung zeigen lassen, dass dieselben theils vermieden werden können, theils nicht schwer genug wiegen, um eine Forderung der Gerechtig-
1) Arago, Oeuvres completes tom 6 p. 677.
2) Preussisches Handelsarchiv. 1854. S. 177.
I. Einleitung. §. 5. Angriffe auf das geistige Eigenthum.
Das System der blossen Anmeldung rufe dagegen eine Ueberzahl von Patentgesuchen hervor, von denen die meisten nur der Reclame und dem Schwindel dienen, da es sich bei ihnen nicht um wirklich nützliche Erfindungen, sondern um gleichgültige Compositionen handle, welche wie Luxuswaaren, kosmetische Mittel u. dgl. zu ihrem Vertriebe einer starken Reclame bedürfen.
Ein anderer Missbrauch der bloss angemeldeten Patente finde zum Nachtheil der wirklichen Erfinder statt. Man melde nämlich auf’s Gerathewohl angebliche Erfindungen mit möglichst unbestimmter Beschreibung an, um den später von wirklichen Erfindern auf demselben Felde gemachten Entdeckungen die Priorität streitig zu machen und Chicanen zu bereiten.1)
Das System der Publication der Patentgesuche führe ausser den grossen Kosten auch noch den Nachtheil mit sich, dass die Erfindung der ganzen Welt bekannt gegeben werde, wäh- rend der Schutz des Patentes auf die Grenzen des Staates be- schränkt bleibe, in welchem dasselbe ertheilt wird. Der Erfin- der werde also genöthigt, für den im Inlande nachgesuchten Schutz sein Geheimniss ohne Noth der ausländischen Concur- renz preis zu geben.2)
Gegen die Geheimhaltung auch der erloschenen Patente wird dagegen erinnert, dass Erfindungen, welche während des Laufes des Patentes unausgeführt geblieben sind, möglicher Weise ganz der Benutzung entzogen bleiben können.
Ueber die französischen Patenttaxen urtheilt Arago, dass sie mehr eine Besteuerung als einen Schutz der Industrie ent- halten, während Renouard dieselben für nothwendig hält, um unüberlegte Gesuche auf kindische und chimärische Projecte abzuhalten.
Alle diese Einwürfe gegen die verschiedenen Systeme der bestehenden Patentgesetze treffen offenbar nicht das Princip des geistigen Eigenthumes selbst. Jeder derselben ist vielmehr gegen die Fehler der einzelnen Systeme der Gesetzgebung ge- richtet; und es wird sich bei der näheren Untersuchung zeigen lassen, dass dieselben theils vermieden werden können, theils nicht schwer genug wiegen, um eine Forderung der Gerechtig-
1) Arago, Oeuvres complètes tom 6 p. 677.
2) Preussisches Handelsarchiv. 1854. S. 177.
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I. Einleitung. §. 5. Angriffe auf das geistige Eigenthum.
Das System der blossen Anmeldung rufe dagegen eine
Ueberzahl von Patentgesuchen hervor, von denen die meisten
nur der Reclame und dem Schwindel dienen, da es sich bei
ihnen nicht um wirklich nützliche Erfindungen, sondern um
gleichgültige Compositionen handle, welche wie Luxuswaaren,
kosmetische Mittel u. dgl. zu ihrem Vertriebe einer starken
Reclame bedürfen.
Ein anderer Missbrauch der bloss angemeldeten Patente
finde zum Nachtheil der wirklichen Erfinder statt. Man melde
nämlich auf’s Gerathewohl angebliche Erfindungen mit möglichst
unbestimmter Beschreibung an, um den später von wirklichen
Erfindern auf demselben Felde gemachten Entdeckungen die
Priorität streitig zu machen und Chicanen zu bereiten. 1)
Das System der Publication der Patentgesuche führe ausser
den grossen Kosten auch noch den Nachtheil mit sich, dass
die Erfindung der ganzen Welt bekannt gegeben werde, wäh-
rend der Schutz des Patentes auf die Grenzen des Staates be-
schränkt bleibe, in welchem dasselbe ertheilt wird. Der Erfin-
der werde also genöthigt, für den im Inlande nachgesuchten
Schutz sein Geheimniss ohne Noth der ausländischen Concur-
renz preis zu geben. 2)
Gegen die Geheimhaltung auch der erloschenen Patente
wird dagegen erinnert, dass Erfindungen, welche während des
Laufes des Patentes unausgeführt geblieben sind, möglicher
Weise ganz der Benutzung entzogen bleiben können.
Ueber die französischen Patenttaxen urtheilt Arago, dass
sie mehr eine Besteuerung als einen Schutz der Industrie ent-
halten, während Renouard dieselben für nothwendig hält, um
unüberlegte Gesuche auf kindische und chimärische Projecte
abzuhalten.
Alle diese Einwürfe gegen die verschiedenen Systeme der
bestehenden Patentgesetze treffen offenbar nicht das Princip
des geistigen Eigenthumes selbst. Jeder derselben ist vielmehr
gegen die Fehler der einzelnen Systeme der Gesetzgebung ge-
richtet; und es wird sich bei der näheren Untersuchung zeigen
lassen, dass dieselben theils vermieden werden können, theils
nicht schwer genug wiegen, um eine Forderung der Gerechtig-
1) Arago, Oeuvres complètes tom 6 p. 677.
2) Preussisches Handelsarchiv. 1854. S. 177.
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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