Diese dennoch mit Bescheidenheit behauptet haben, sie sähen nicht ganz klar darinn; wenn man hört, wie ein eitles Weib darüber am Thee¬ oder Nachttische in den entscheidendsten Aus¬ drücken, Machtsprüche wagt, indeß sie kaum eine klare Vorstellung von der Materie hat, wovon die Rede ist. Aber der Haufen der Stutzer und Anbether bewundert dennoch mit lautem Beyfalle die feinen Kenntnisse der ge¬ lehrten Dame, und bestärkt sie dadurch in ihren unglücklichen Ansprüchen. Dann sieht sie die wichtigsten Sorgen der Hauswirthschaft, die Erziehung ihrer Kinder und die Achtung un¬ studierter Mitbürger als Kleinigkeiten an, glaubt sich berechtigt, das Joch der männlichen Herr¬ schaft abzuschütteln, verachtet alle andre Wei¬ ber, erweckt sich und ihrem Gatten Feinde, träumt ohne Unterlaß sich in idealische Welten hinein; Ihre Phantasie lebt in unzüchtiger Gemeinschaft mit der gesunden Vernunft; Es geht alles verkehrt im Hause; Die Speisen kommen kalt oder angebrannt auf den Tisch; Es werden Schulden auf Schulden gehäuft; der arme Mann muß mit durchlöcherten Strüm¬ pfen einherwandeln; Wenn er nach häusli¬
chen
Dieſe dennoch mit Beſcheidenheit behauptet haben, ſie ſaͤhen nicht ganz klar darinn; wenn man hoͤrt, wie ein eitles Weib daruͤber am Thee¬ oder Nachttiſche in den entſcheidendſten Aus¬ druͤcken, Machtſpruͤche wagt, indeß ſie kaum eine klare Vorſtellung von der Materie hat, wovon die Rede iſt. Aber der Haufen der Stutzer und Anbether bewundert dennoch mit lautem Beyfalle die feinen Kenntniſſe der ge¬ lehrten Dame, und beſtaͤrkt ſie dadurch in ihren ungluͤcklichen Anſpruͤchen. Dann ſieht ſie die wichtigſten Sorgen der Hauswirthſchaft, die Erziehung ihrer Kinder und die Achtung un¬ ſtudierter Mitbuͤrger als Kleinigkeiten an, glaubt ſich berechtigt, das Joch der maͤnnlichen Herr¬ ſchaft abzuſchuͤtteln, verachtet alle andre Wei¬ ber, erweckt ſich und ihrem Gatten Feinde, traͤumt ohne Unterlaß ſich in idealiſche Welten hinein; Ihre Phantaſie lebt in unzuͤchtiger Gemeinſchaft mit der geſunden Vernunft; Es geht alles verkehrt im Hauſe; Die Speiſen kommen kalt oder angebrannt auf den Tiſch; Es werden Schulden auf Schulden gehaͤuft; der arme Mann muß mit durchloͤcherten Struͤm¬ pfen einherwandeln; Wenn er nach haͤusli¬
chen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0226"n="196"/>
Dieſe dennoch mit Beſcheidenheit behauptet<lb/>
haben, ſie ſaͤhen nicht ganz klar darinn; wenn<lb/>
man hoͤrt, wie ein eitles Weib daruͤber am Thee¬<lb/>
oder Nachttiſche in den entſcheidendſten Aus¬<lb/>
druͤcken, Machtſpruͤche wagt, indeß ſie kaum<lb/>
eine klare Vorſtellung von der Materie hat,<lb/>
wovon die Rede iſt. Aber der Haufen der<lb/>
Stutzer und Anbether bewundert dennoch mit<lb/>
lautem Beyfalle die feinen Kenntniſſe der ge¬<lb/>
lehrten Dame, und beſtaͤrkt ſie dadurch in ihren<lb/>
ungluͤcklichen Anſpruͤchen. Dann ſieht ſie die<lb/>
wichtigſten Sorgen der Hauswirthſchaft, die<lb/>
Erziehung ihrer Kinder und die Achtung un¬<lb/>ſtudierter Mitbuͤrger als Kleinigkeiten an, glaubt<lb/>ſich berechtigt, das Joch der maͤnnlichen Herr¬<lb/>ſchaft abzuſchuͤtteln, verachtet alle andre Wei¬<lb/>
ber, erweckt ſich und ihrem Gatten Feinde,<lb/>
traͤumt ohne Unterlaß ſich in idealiſche Welten<lb/>
hinein; Ihre Phantaſie lebt in unzuͤchtiger<lb/>
Gemeinſchaft mit der geſunden Vernunft; Es<lb/>
geht alles verkehrt im Hauſe; Die Speiſen<lb/>
kommen kalt oder angebrannt auf den Tiſch;<lb/>
Es werden Schulden auf Schulden gehaͤuft;<lb/>
der arme Mann muß mit durchloͤcherten Struͤm¬<lb/>
pfen einherwandeln; Wenn er nach haͤusli¬<lb/><fwplace="bottom"type="catch">chen<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[196/0226]
Dieſe dennoch mit Beſcheidenheit behauptet
haben, ſie ſaͤhen nicht ganz klar darinn; wenn
man hoͤrt, wie ein eitles Weib daruͤber am Thee¬
oder Nachttiſche in den entſcheidendſten Aus¬
druͤcken, Machtſpruͤche wagt, indeß ſie kaum
eine klare Vorſtellung von der Materie hat,
wovon die Rede iſt. Aber der Haufen der
Stutzer und Anbether bewundert dennoch mit
lautem Beyfalle die feinen Kenntniſſe der ge¬
lehrten Dame, und beſtaͤrkt ſie dadurch in ihren
ungluͤcklichen Anſpruͤchen. Dann ſieht ſie die
wichtigſten Sorgen der Hauswirthſchaft, die
Erziehung ihrer Kinder und die Achtung un¬
ſtudierter Mitbuͤrger als Kleinigkeiten an, glaubt
ſich berechtigt, das Joch der maͤnnlichen Herr¬
ſchaft abzuſchuͤtteln, verachtet alle andre Wei¬
ber, erweckt ſich und ihrem Gatten Feinde,
traͤumt ohne Unterlaß ſich in idealiſche Welten
hinein; Ihre Phantaſie lebt in unzuͤchtiger
Gemeinſchaft mit der geſunden Vernunft; Es
geht alles verkehrt im Hauſe; Die Speiſen
kommen kalt oder angebrannt auf den Tiſch;
Es werden Schulden auf Schulden gehaͤuft;
der arme Mann muß mit durchloͤcherten Struͤm¬
pfen einherwandeln; Wenn er nach haͤusli¬
chen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/226>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.