scheinenden Beinen. Der besetzte Rock ist in den Schultern nicht so bequem, als sein treuer, alter, warmer Ueberrock; der Degen geräth jeden Augenblick zwischen die Beine; Er weiß nicht, was er mit dem kleinen Hütgen in der Hand anfangen soll; das Stehen wird ihm unerträglich sauer. -- In dieser grausamen Verfassung erscheint er im Vorzimmer. Um ihn her wimmelt ein Haufen Hofschranzen her¬ um, die, obgleich sie wahrlich sämmtlich viel¬ leicht nicht so viel werth als dieser ehrliche, nütz¬ liche Mann, und im Grunde ihrer Herzen nicht weniger als er von Langeweile geplagt sind, dennoch mit Naserümpfen und Verach¬ tung hier, wo sie in ihrem Elemente zu seyn scheinen, ihn ansehn. Er fühlt jeden Spott, übersieht sie, und muß sich dennoch von ihnen demüthigen lassen. Sie nähern sich ihm, thun mit zerstreueter, wichtiger Miene, einige Fra¬ gen an ihm, Fragen, an denen das Herz kei¬ nen Antheil nimmt, und worauf sie auch die Antworten nicht abwarten. Er glaubt Einen unter ihnen zu entdecken, der ihm theilneh¬ mender scheint, als die Uebrigen; mit Diesem fängt er ein Gespräch von Dingen an, die ihm,
viel¬
B2
ſcheinenden Beinen. Der beſetzte Rock iſt in den Schultern nicht ſo bequem, als ſein treuer, alter, warmer Ueberrock; der Degen geraͤth jeden Augenblick zwiſchen die Beine; Er weiß nicht, was er mit dem kleinen Huͤtgen in der Hand anfangen ſoll; das Stehen wird ihm unertraͤglich ſauer. — In dieſer grauſamen Verfaſſung erſcheint er im Vorzimmer. Um ihn her wimmelt ein Haufen Hofſchranzen her¬ um, die, obgleich ſie wahrlich ſaͤmmtlich viel¬ leicht nicht ſo viel werth als dieſer ehrliche, nuͤtz¬ liche Mann, und im Grunde ihrer Herzen nicht weniger als er von Langeweile geplagt ſind, dennoch mit Naſeruͤmpfen und Verach¬ tung hier, wo ſie in ihrem Elemente zu ſeyn ſcheinen, ihn anſehn. Er fuͤhlt jeden Spott, uͤberſieht ſie, und muß ſich dennoch von ihnen demuͤthigen laſſen. Sie naͤhern ſich ihm, thun mit zerſtreueter, wichtiger Miene, einige Fra¬ gen an ihm, Fragen, an denen das Herz kei¬ nen Antheil nimmt, und worauf ſie auch die Antworten nicht abwarten. Er glaubt Einen unter ihnen zu entdecken, der ihm theilneh¬ mender ſcheint, als die Uebrigen; mit Dieſem faͤngt er ein Geſpraͤch von Dingen an, die ihm,
viel¬
B2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0049"n="19"/>ſcheinenden Beinen. Der beſetzte Rock iſt in<lb/>
den Schultern nicht ſo bequem, als ſein treuer,<lb/>
alter, warmer Ueberrock; der Degen geraͤth<lb/>
jeden Augenblick zwiſchen die Beine; Er weiß<lb/>
nicht, was er mit dem kleinen Huͤtgen in der<lb/>
Hand anfangen ſoll; das Stehen wird ihm<lb/>
unertraͤglich ſauer. — In dieſer grauſamen<lb/>
Verfaſſung erſcheint er im Vorzimmer. Um<lb/>
ihn her wimmelt ein Haufen Hofſchranzen her¬<lb/>
um, die, obgleich ſie wahrlich ſaͤmmtlich viel¬<lb/>
leicht nicht ſo viel werth als dieſer ehrliche, nuͤtz¬<lb/>
liche Mann, und im Grunde ihrer Herzen<lb/>
nicht weniger als er von Langeweile geplagt<lb/>ſind, dennoch mit Naſeruͤmpfen und Verach¬<lb/>
tung hier, wo ſie in ihrem Elemente zu ſeyn<lb/>ſcheinen, ihn anſehn. Er fuͤhlt jeden Spott,<lb/>
uͤberſieht ſie, und muß ſich dennoch von ihnen<lb/>
demuͤthigen laſſen. Sie naͤhern ſich ihm, thun<lb/>
mit zerſtreueter, wichtiger Miene, einige Fra¬<lb/>
gen an ihm, Fragen, an denen das Herz kei¬<lb/>
nen Antheil nimmt, und worauf ſie auch die<lb/>
Antworten nicht abwarten. Er glaubt Einen<lb/>
unter ihnen zu entdecken, der ihm theilneh¬<lb/>
mender ſcheint, als die Uebrigen; mit Dieſem<lb/>
faͤngt er ein Geſpraͤch von Dingen an, die ihm,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B2<lb/></fw><fwplace="bottom"type="catch">viel¬<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[19/0049]
ſcheinenden Beinen. Der beſetzte Rock iſt in
den Schultern nicht ſo bequem, als ſein treuer,
alter, warmer Ueberrock; der Degen geraͤth
jeden Augenblick zwiſchen die Beine; Er weiß
nicht, was er mit dem kleinen Huͤtgen in der
Hand anfangen ſoll; das Stehen wird ihm
unertraͤglich ſauer. — In dieſer grauſamen
Verfaſſung erſcheint er im Vorzimmer. Um
ihn her wimmelt ein Haufen Hofſchranzen her¬
um, die, obgleich ſie wahrlich ſaͤmmtlich viel¬
leicht nicht ſo viel werth als dieſer ehrliche, nuͤtz¬
liche Mann, und im Grunde ihrer Herzen
nicht weniger als er von Langeweile geplagt
ſind, dennoch mit Naſeruͤmpfen und Verach¬
tung hier, wo ſie in ihrem Elemente zu ſeyn
ſcheinen, ihn anſehn. Er fuͤhlt jeden Spott,
uͤberſieht ſie, und muß ſich dennoch von ihnen
demuͤthigen laſſen. Sie naͤhern ſich ihm, thun
mit zerſtreueter, wichtiger Miene, einige Fra¬
gen an ihm, Fragen, an denen das Herz kei¬
nen Antheil nimmt, und worauf ſie auch die
Antworten nicht abwarten. Er glaubt Einen
unter ihnen zu entdecken, der ihm theilneh¬
mender ſcheint, als die Uebrigen; mit Dieſem
faͤngt er ein Geſpraͤch von Dingen an, die ihm,
viel¬
B2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/49>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.