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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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an welchen er gerichtet ist, Nutzen oder reine
Freude gewähren könnte! Vorsichtigkeit ist im
Schreiben noch weit dringender als im Reden
zu empfehlen, und eben so wichtig ist es, mit
den Briefen, welche man erhält, behutsam
umzugehn. Man sollte es kaum glauben, was
für Verdruß, Zwist und Mißverständniß durch
Versäumung dieser Klugheits-Regel entste¬
hen könne. Ein einziges hingeschriebenes, un¬
auslöschliches Wort, ein einziges aus Unacht¬
samkeit liegen gebliebenes Papier hat manches
Menschen Ruhe und oft auf immer den Frie¬
den einer Familie zerstört.

19.

Wem es darum zu thun ist, dauerhafte
Achtung sich zu erwerben; wem daran liegt,
daß seine Unterhaltung niemand anstößig, Kei¬
nem zur Last werden; der würze nicht ohne
Unterlaß seine Gespräche mit Lästerungen,
Spott, Medisance und gewöhne sich nicht an
den auszischenden Ton von Persifflage! Das
kann wohl einigemal, und bey einer gewissen
Classe von Menschen auch öfter gefallen; aber
man flieht und verachtet doch in der Folge den

Mann,

an welchen er gerichtet iſt, Nutzen oder reine
Freude gewaͤhren koͤnnte! Vorſichtigkeit iſt im
Schreiben noch weit dringender als im Reden
zu empfehlen, und eben ſo wichtig iſt es, mit
den Briefen, welche man erhaͤlt, behutſam
umzugehn. Man ſollte es kaum glauben, was
fuͤr Verdruß, Zwiſt und Mißverſtaͤndniß durch
Verſaͤumung dieſer Klugheits-Regel entſte¬
hen koͤnne. Ein einziges hingeſchriebenes, un¬
ausloͤſchliches Wort, ein einziges aus Unacht¬
ſamkeit liegen gebliebenes Papier hat manches
Menſchen Ruhe und oft auf immer den Frie¬
den einer Familie zerſtoͤrt.

19.

Wem es darum zu thun iſt, dauerhafte
Achtung ſich zu erwerben; wem daran liegt,
daß ſeine Unterhaltung niemand anſtoͤßig, Kei¬
nem zur Laſt werden; der wuͤrze nicht ohne
Unterlaß ſeine Geſpraͤche mit Laͤſterungen,
Spott, Mediſance und gewoͤhne ſich nicht an
den ausziſchenden Ton von Perſifflage! Das
kann wohl einigemal, und bey einer gewiſſen
Claſſe von Menſchen auch oͤfter gefallen; aber
man flieht und verachtet doch in der Folge den

Mann,
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[63/0093] an welchen er gerichtet iſt, Nutzen oder reine Freude gewaͤhren koͤnnte! Vorſichtigkeit iſt im Schreiben noch weit dringender als im Reden zu empfehlen, und eben ſo wichtig iſt es, mit den Briefen, welche man erhaͤlt, behutſam umzugehn. Man ſollte es kaum glauben, was fuͤr Verdruß, Zwiſt und Mißverſtaͤndniß durch Verſaͤumung dieſer Klugheits-Regel entſte¬ hen koͤnne. Ein einziges hingeſchriebenes, un¬ ausloͤſchliches Wort, ein einziges aus Unacht¬ ſamkeit liegen gebliebenes Papier hat manches Menſchen Ruhe und oft auf immer den Frie¬ den einer Familie zerſtoͤrt. 19. Wem es darum zu thun iſt, dauerhafte Achtung ſich zu erwerben; wem daran liegt, daß ſeine Unterhaltung niemand anſtoͤßig, Kei¬ nem zur Laſt werden; der wuͤrze nicht ohne Unterlaß ſeine Geſpraͤche mit Laͤſterungen, Spott, Mediſance und gewoͤhne ſich nicht an den ausziſchenden Ton von Perſifflage! Das kann wohl einigemal, und bey einer gewiſſen Claſſe von Menſchen auch oͤfter gefallen; aber man flieht und verachtet doch in der Folge den Mann,

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/93>, abgerufen am 21.11.2024.