Mann, der immer auf andrer Leute Kosten oder auf Kosten der Wahrheit die Gesellschaft vergnügen will, und man hat Recht dazu, denn der gefühlvolle, verständige Mensch muß Nachsicht haben mit den Schwächen Andrer; Er weiß, welchen großen Schaden oft ein ein¬ ziges, wenngleich nicht böse gemeintes Wört¬ gen anrichten kann, auch sehnt er sich nach gründlicherer und nützlicherer Unterhaltung; ihn ekelt vor leerer Persifflage. Gar zu leicht aber gewöhnt man sich in der sogenannten großen Welt diesen elenden Ton an; Man kann nicht genug davor warnen.
Uebrigens aber mögte ich auch nicht gern alle Satyre für unerlaubt erklären, noch leug¬ nen, daß manche Thorheiten und Unzweck¬ mäßigkeiten, im weniger vertraueten Um¬ gange, am besten durch eine feine, nicht be¬ leidigende, nicht zu deutlich auf einzelne Per¬ sonen anspielende Persifflage bekämpft werden können. Endlich bin ich auch weit entfernt, zu fordern, man solle alles loben und alle offen¬ bahre Fehler entschuldigen, vielmehr habe ich nie den Leuten getrauet, die so merklich affecti¬ ren, alles mit dem Mantel der christlichen Liebe
be¬
Mann, der immer auf andrer Leute Koſten oder auf Koſten der Wahrheit die Geſellſchaft vergnuͤgen will, und man hat Recht dazu, denn der gefuͤhlvolle, verſtaͤndige Menſch muß Nachſicht haben mit den Schwaͤchen Andrer; Er weiß, welchen großen Schaden oft ein ein¬ ziges, wenngleich nicht boͤſe gemeintes Woͤrt¬ gen anrichten kann, auch ſehnt er ſich nach gruͤndlicherer und nuͤtzlicherer Unterhaltung; ihn ekelt vor leerer Perſifflage. Gar zu leicht aber gewoͤhnt man ſich in der ſogenannten großen Welt dieſen elenden Ton an; Man kann nicht genug davor warnen.
Uebrigens aber moͤgte ich auch nicht gern alle Satyre fuͤr unerlaubt erklaͤren, noch leug¬ nen, daß manche Thorheiten und Unzweck¬ maͤßigkeiten, im weniger vertraueten Um¬ gange, am beſten durch eine feine, nicht be¬ leidigende, nicht zu deutlich auf einzelne Per¬ ſonen anſpielende Perſifflage bekaͤmpft werden koͤnnen. Endlich bin ich auch weit entfernt, zu fordern, man ſolle alles loben und alle offen¬ bahre Fehler entſchuldigen, vielmehr habe ich nie den Leuten getrauet, die ſo merklich affecti¬ ren, alles mit dem Mantel der chriſtlichen Liebe
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Mann, der immer auf andrer Leute Koſten
oder auf Koſten der Wahrheit die Geſellſchaft
vergnuͤgen will, und man hat Recht dazu,
denn der gefuͤhlvolle, verſtaͤndige Menſch muß
Nachſicht haben mit den Schwaͤchen Andrer;
Er weiß, welchen großen Schaden oft ein ein¬
ziges, wenngleich nicht boͤſe gemeintes Woͤrt¬
gen anrichten kann, auch ſehnt er ſich nach
gruͤndlicherer und nuͤtzlicherer Unterhaltung;
ihn ekelt vor leerer Perſifflage. Gar zu leicht
aber gewoͤhnt man ſich in der ſogenannten
großen Welt dieſen elenden Ton an; Man
kann nicht genug davor warnen.
Uebrigens aber moͤgte ich auch nicht gern
alle Satyre fuͤr unerlaubt erklaͤren, noch leug¬
nen, daß manche Thorheiten und Unzweck¬
maͤßigkeiten, im weniger vertraueten Um¬
gange, am beſten durch eine feine, nicht be¬
leidigende, nicht zu deutlich auf einzelne Per¬
ſonen anſpielende Perſifflage bekaͤmpft werden
koͤnnen. Endlich bin ich auch weit entfernt,
zu fordern, man ſolle alles loben und alle offen¬
bahre Fehler entſchuldigen, vielmehr habe ich
nie den Leuten getrauet, die ſo merklich affecti¬
ren, alles mit dem Mantel der chriſtlichen Liebe
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/94>, abgerufen am 21.11.2024.
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