Oft aber tritt der Fall ein, daß man in Gesellschaften geräth, wo es schwer ist, etwas vorzubringen, das Interesse erweckte. Wenn ein verständiger Mann von leeren, elenden Menschen umgeben ist; die für gar nichts von besserer Art Sinn haben, ey nun! so ist es seine Schuld nicht, wenn er nicht verstanden wird. Er tröste sich also damit, daß er von Dingen geredet hat, die billig interessieren müssten.
22.
Gegenwart des Geistes ist ein seltenes Geschenk des Himmels, und macht, daß wir im Umgange in sehr vortheilhaftem Lichte er¬ scheinen. Dieser Vorzug nun lässt sich freylich nicht durch Kunst erlangen; allein man kann an sich arbeiten, daß, wenn er uns fehlt, wir wenigstens nicht durch Uebereilung uns und Andre in Verlegenheit setzen. Sehr lebhafte Temperamente haben hierauf vorzüglich zu ach¬ ten. Ich rathe daher, wenn eine unerwartete Frage, ein ungewöhnlicher Gegenstand, oder irgend etwas anders uns überrascht, nur eine Minute still zu schweigen und der Ueberlegung
Zeit
E 2
Oft aber tritt der Fall ein, daß man in Geſellſchaften geraͤth, wo es ſchwer iſt, etwas vorzubringen, das Intereſſe erweckte. Wenn ein verſtaͤndiger Mann von leeren, elenden Menſchen umgeben iſt; die fuͤr gar nichts von beſſerer Art Sinn haben, ey nun! ſo iſt es ſeine Schuld nicht, wenn er nicht verſtanden wird. Er troͤſte ſich alſo damit, daß er von Dingen geredet hat, die billig intereſſieren muͤſſten.
22.
Gegenwart des Geiſtes iſt ein ſeltenes Geſchenk des Himmels, und macht, daß wir im Umgange in ſehr vortheilhaftem Lichte er¬ ſcheinen. Dieſer Vorzug nun laͤſſt ſich freylich nicht durch Kunſt erlangen; allein man kann an ſich arbeiten, daß, wenn er uns fehlt, wir wenigſtens nicht durch Uebereilung uns und Andre in Verlegenheit ſetzen. Sehr lebhafte Temperamente haben hierauf vorzuͤglich zu ach¬ ten. Ich rathe daher, wenn eine unerwartete Frage, ein ungewoͤhnlicher Gegenſtand, oder irgend etwas anders uns uͤberraſcht, nur eine Minute ſtill zu ſchweigen und der Ueberlegung
Zeit
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Oft aber tritt der Fall ein, daß man in
Geſellſchaften geraͤth, wo es ſchwer iſt, etwas
vorzubringen, das Intereſſe erweckte. Wenn
ein verſtaͤndiger Mann von leeren, elenden
Menſchen umgeben iſt; die fuͤr gar nichts von
beſſerer Art Sinn haben, ey nun! ſo iſt es
ſeine Schuld nicht, wenn er nicht verſtanden
wird. Er troͤſte ſich alſo damit, daß er von
Dingen geredet hat, die billig intereſſieren
muͤſſten.
22.
Gegenwart des Geiſtes iſt ein ſeltenes
Geſchenk des Himmels, und macht, daß wir
im Umgange in ſehr vortheilhaftem Lichte er¬
ſcheinen. Dieſer Vorzug nun laͤſſt ſich freylich
nicht durch Kunſt erlangen; allein man kann
an ſich arbeiten, daß, wenn er uns fehlt, wir
wenigſtens nicht durch Uebereilung uns und
Andre in Verlegenheit ſetzen. Sehr lebhafte
Temperamente haben hierauf vorzuͤglich zu ach¬
ten. Ich rathe daher, wenn eine unerwartete
Frage, ein ungewoͤhnlicher Gegenſtand, oder
irgend etwas anders uns uͤberraſcht, nur eine
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/97>, abgerufen am 16.02.2025.
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