standtheilen; Studium des Menschen, an Leib und Seele, in seinen festen und flüssigen Thei¬ len, in seiner ganzen Composition, in seinen Ge¬ müthsbewegungen und Leidenschaften -- Was kann dann lehrreicher, tröstender, erquickender seyn, als der Umgang und die Hülfe eines sol¬ chen Mannes? Es giebt aber unter den Söh¬ nen Aesculaps auch unzählige Leute von ganz andrer Art, Leute, denen der Doctorhut das Pri¬ vilegium giebt, an armen Kranken Versuche ih¬ rer Unwissenheit zu machen; Leute, die den Cörper des Patienten als ihr Eigenthum, als ein Gefäß ansehen, in welches sie nach Willkühr allerley flüssige und trockne Materien schütten dürfen, um wahrzunehmen, welche Würkung durch den Streit dieser salzartigen, sauren und geistigen Dinge hervorgebracht wird, und wo¬ bey sie nichts wagen, als höchstens, daß -- das Gefäß zu Grunde geht. Andern fehlt es, bey der gründlichsten Kenntniß, an Beobachtungs¬ geist. Sie verwechseln die Zeichen der Krank¬ heiten, lassen sich durch falsche Berichte der Pa¬ tienten täuschen, forschen nicht kaltblütig, nicht tief, nicht fleissig genug, und verordnen dann Mittel, die gewiß helfen würden -- wenn wir
die
ſtandtheilen; Studium des Menſchen, an Leib und Seele, in ſeinen feſten und fluͤſſigen Thei¬ len, in ſeiner ganzen Compoſition, in ſeinen Ge¬ muͤthsbewegungen und Leidenſchaften — Was kann dann lehrreicher, troͤſtender, erquickender ſeyn, als der Umgang und die Huͤlfe eines ſol¬ chen Mannes? Es giebt aber unter den Soͤh¬ nen Aesculaps auch unzaͤhlige Leute von ganz andrer Art, Leute, denen der Doctorhut das Pri¬ vilegium giebt, an armen Kranken Verſuche ih¬ rer Unwiſſenheit zu machen; Leute, die den Coͤrper des Patienten als ihr Eigenthum, als ein Gefaͤß anſehen, in welches ſie nach Willkuͤhr allerley fluͤſſige und trockne Materien ſchuͤtten duͤrfen, um wahrzunehmen, welche Wuͤrkung durch den Streit dieſer ſalzartigen, ſauren und geiſtigen Dinge hervorgebracht wird, und wo¬ bey ſie nichts wagen, als hoͤchſtens, daß — das Gefaͤß zu Grunde geht. Andern fehlt es, bey der gruͤndlichſten Kenntniß, an Beobachtungs¬ geiſt. Sie verwechſeln die Zeichen der Krank¬ heiten, laſſen ſich durch falſche Berichte der Pa¬ tienten taͤuſchen, forſchen nicht kaltbluͤtig, nicht tief, nicht fleiſſig genug, und verordnen dann Mittel, die gewiß helfen wuͤrden — wenn wir
die
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ſtandtheilen; Studium des Menſchen, an Leib
und Seele, in ſeinen feſten und fluͤſſigen Thei¬
len, in ſeiner ganzen Compoſition, in ſeinen Ge¬
muͤthsbewegungen und Leidenſchaften — Was
kann dann lehrreicher, troͤſtender, erquickender
ſeyn, als der Umgang und die Huͤlfe eines ſol¬
chen Mannes? Es giebt aber unter den Soͤh¬
nen Aesculaps auch unzaͤhlige Leute von ganz
andrer Art, Leute, denen der Doctorhut das Pri¬
vilegium giebt, an armen Kranken Verſuche ih¬
rer Unwiſſenheit zu machen; Leute, die den
Coͤrper des Patienten als ihr Eigenthum, als
ein Gefaͤß anſehen, in welches ſie nach Willkuͤhr
allerley fluͤſſige und trockne Materien ſchuͤtten
duͤrfen, um wahrzunehmen, welche Wuͤrkung
durch den Streit dieſer ſalzartigen, ſauren und
geiſtigen Dinge hervorgebracht wird, und wo¬
bey ſie nichts wagen, als hoͤchſtens, daß — das
Gefaͤß zu Grunde geht. Andern fehlt es, bey
der gruͤndlichſten Kenntniß, an Beobachtungs¬
geiſt. Sie verwechſeln die Zeichen der Krank¬
heiten, laſſen ſich durch falſche Berichte der Pa¬
tienten taͤuſchen, forſchen nicht kaltbluͤtig, nicht
tief, nicht fleiſſig genug, und verordnen dann
Mittel, die gewiß helfen wuͤrden — wenn wir
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/130>, abgerufen am 21.11.2024.
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