nicht in gleichem Grade, aber doch alle ohne Unterschied zugleich unnütz und gefährlich. Unnütz sind sie zuerst, weil man in unserm Zeitalter keine Art von wichtigem Unterrichte in Geheimnisse einzuhüllen braucht. Die christliche Religion ist so klar und befriedigend, daß sie nicht, wie die Volks-Religionen der al¬ ten Heiden, einer geheimen Auslegung, einer doppelten Lehrart bedarf, und in den Wissen¬ schaften werden die neuesten Entdeckungen zum Wohl der Welt öffentlich bekannt gemacht, müs¬ sen und sollen öffentlich bekannt gemacht wer¬ den, damit sie jeder Sachverständige prüfen und bewahrheiten könne. In den einzelnen Län¬ dern hingegen, wo noch Finsterniß und Aber¬ glauben herrschen, muß man den kommenden Tag erwarten. Man darf da nichts übereilen; Man verdirbt oft mehr als man gutmacht, wenn man die Zwischenstufen überspringen will; Es hat gar keinen Nutzen, daß einzelne Menschen die Periode der Aufklärung zu beschleunigen trachten; auch können sie das nicht, und wenn sie es können; so ist es Pflicht dies öffentlich zu thun, um desto mehr Pflicht, damit andre ver¬ nünftige Männer in dem nemlichen Lande und
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nicht in gleichem Grade, aber doch alle ohne Unterſchied zugleich unnuͤtz und gefaͤhrlich. Unnuͤtz ſind ſie zuerſt, weil man in unſerm Zeitalter keine Art von wichtigem Unterrichte in Geheimniſſe einzuhuͤllen braucht. Die chriſtliche Religion iſt ſo klar und befriedigend, daß ſie nicht, wie die Volks-Religionen der al¬ ten Heiden, einer geheimen Auslegung, einer doppelten Lehrart bedarf, und in den Wiſſen¬ ſchaften werden die neueſten Entdeckungen zum Wohl der Welt oͤffentlich bekannt gemacht, muͤſ¬ ſen und ſollen oͤffentlich bekannt gemacht wer¬ den, damit ſie jeder Sachverſtaͤndige pruͤfen und bewahrheiten koͤnne. In den einzelnen Laͤn¬ dern hingegen, wo noch Finſterniß und Aber¬ glauben herrſchen, muß man den kommenden Tag erwarten. Man darf da nichts uͤbereilen; Man verdirbt oft mehr als man gutmacht, wenn man die Zwiſchenſtufen uͤberſpringen will; Es hat gar keinen Nutzen, daß einzelne Menſchen die Periode der Aufklaͤrung zu beſchleunigen trachten; auch koͤnnen ſie das nicht, und wenn ſie es koͤnnen; ſo iſt es Pflicht dies oͤffentlich zu thun, um deſto mehr Pflicht, damit andre ver¬ nuͤnftige Maͤnner in dem nemlichen Lande und
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nicht in gleichem Grade, aber doch alle ohne
Unterſchied zugleich unnuͤtz und gefaͤhrlich.
Unnuͤtz ſind ſie zuerſt, weil man in unſerm
Zeitalter keine Art von wichtigem Unterrichte
in Geheimniſſe einzuhuͤllen braucht. Die
chriſtliche Religion iſt ſo klar und befriedigend,
daß ſie nicht, wie die Volks-Religionen der al¬
ten Heiden, einer geheimen Auslegung, einer
doppelten Lehrart bedarf, und in den Wiſſen¬
ſchaften werden die neueſten Entdeckungen zum
Wohl der Welt oͤffentlich bekannt gemacht, muͤſ¬
ſen und ſollen oͤffentlich bekannt gemacht wer¬
den, damit ſie jeder Sachverſtaͤndige pruͤfen und
bewahrheiten koͤnne. In den einzelnen Laͤn¬
dern hingegen, wo noch Finſterniß und Aber¬
glauben herrſchen, muß man den kommenden
Tag erwarten. Man darf da nichts uͤbereilen;
Man verdirbt oft mehr als man gutmacht, wenn
man die Zwiſchenſtufen uͤberſpringen will; Es
hat gar keinen Nutzen, daß einzelne Menſchen
die Periode der Aufklaͤrung zu beſchleunigen
trachten; auch koͤnnen ſie das nicht, und wenn
ſie es koͤnnen; ſo iſt es Pflicht dies oͤffentlich zu
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/189>, abgerufen am 27.11.2024.
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