Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

ben scheint! Man werde nicht misvergnügt,
wenn ein Kranker zuweilen auffahrend, böser
Laune, oder zänkisch wird! Wir fühlen nicht,
wie ihm zu Sinne ist, und wie seine zerrüttete
Maschine auf seinen Geist würkt.

Man mache nicht, besonders bey einem
Kranken von sehr empfindlicher, weicher Ge¬
müthsart, sein Leiden durch Wehklagen und
ängstliches Bezeigen noch schwerer!

Man rede nicht von Dingen, die ihm,
selbst wenn er gesund wäre, unangenehm seyn
würden, nicht von häuslichen Verlegenheiten,
vom Tode, noch von Vergnügungen, an wel¬
chen er nicht Theil nehmen kann!

Leute, die blos in der Einbildung krank
sind, muß man zwar nicht verspotten, noch zu
überzeugen suchen, daß ihnen nichts fehlt, denn
das macht ganz verkehrte Würkung auf sie; aber
man soll sie auch nicht in ihrer Thorheit bestär¬
ken, sondern, wenn vernünftige Vorstellungen
nichts helfen, nur gar keine Theilnahme zeigen,
ihre Klagen mit Stillschweigen beantworten,

und

ben ſcheint! Man werde nicht misvergnuͤgt,
wenn ein Kranker zuweilen auffahrend, boͤſer
Laune, oder zaͤnkiſch wird! Wir fuͤhlen nicht,
wie ihm zu Sinne iſt, und wie ſeine zerruͤttete
Maſchine auf ſeinen Geiſt wuͤrkt.

Man mache nicht, beſonders bey einem
Kranken von ſehr empfindlicher, weicher Ge¬
muͤthsart, ſein Leiden durch Wehklagen und
aͤngſtliches Bezeigen noch ſchwerer!

Man rede nicht von Dingen, die ihm,
ſelbſt wenn er geſund waͤre, unangenehm ſeyn
wuͤrden, nicht von haͤuslichen Verlegenheiten,
vom Tode, noch von Vergnuͤgungen, an wel¬
chen er nicht Theil nehmen kann!

Leute, die blos in der Einbildung krank
ſind, muß man zwar nicht verſpotten, noch zu
uͤberzeugen ſuchen, daß ihnen nichts fehlt, denn
das macht ganz verkehrte Wuͤrkung auf ſie; aber
man ſoll ſie auch nicht in ihrer Thorheit beſtaͤr¬
ken, ſondern, wenn vernuͤnftige Vorſtellungen
nichts helfen, nur gar keine Theilnahme zeigen,
ihre Klagen mit Stillſchweigen beantworten,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0208" n="186"/>
ben &#x017F;cheint! Man werde nicht misvergnu&#x0364;gt,<lb/>
wenn ein Kranker zuweilen auffahrend, bo&#x0364;&#x017F;er<lb/>
Laune, oder za&#x0364;nki&#x017F;ch wird! Wir fu&#x0364;hlen nicht,<lb/>
wie ihm zu Sinne i&#x017F;t, und wie &#x017F;eine zerru&#x0364;ttete<lb/>
Ma&#x017F;chine auf &#x017F;einen Gei&#x017F;t wu&#x0364;rkt.</p><lb/>
            <p>Man mache nicht, be&#x017F;onders bey einem<lb/>
Kranken von &#x017F;ehr empfindlicher, weicher Ge¬<lb/>
mu&#x0364;thsart, &#x017F;ein Leiden durch Wehklagen und<lb/>
a&#x0364;ng&#x017F;tliches Bezeigen noch &#x017F;chwerer!</p><lb/>
            <p>Man rede nicht von Dingen, die ihm,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wenn er ge&#x017F;und wa&#x0364;re, unangenehm &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;rden, nicht von ha&#x0364;uslichen Verlegenheiten,<lb/>
vom Tode, noch von Vergnu&#x0364;gungen, an wel¬<lb/>
chen er nicht Theil nehmen kann!</p><lb/>
            <p>Leute, die blos in der Einbildung krank<lb/>
&#x017F;ind, muß man zwar nicht ver&#x017F;potten, noch zu<lb/>
u&#x0364;berzeugen &#x017F;uchen, daß ihnen nichts fehlt, denn<lb/>
das macht ganz verkehrte Wu&#x0364;rkung auf &#x017F;ie; aber<lb/>
man &#x017F;oll &#x017F;ie auch nicht in ihrer Thorheit be&#x017F;ta&#x0364;<lb/>
ken, &#x017F;ondern, wenn vernu&#x0364;nftige Vor&#x017F;tellungen<lb/>
nichts helfen, nur gar keine Theilnahme zeigen,<lb/>
ihre Klagen mit Still&#x017F;chweigen beantworten,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0208] ben ſcheint! Man werde nicht misvergnuͤgt, wenn ein Kranker zuweilen auffahrend, boͤſer Laune, oder zaͤnkiſch wird! Wir fuͤhlen nicht, wie ihm zu Sinne iſt, und wie ſeine zerruͤttete Maſchine auf ſeinen Geiſt wuͤrkt. Man mache nicht, beſonders bey einem Kranken von ſehr empfindlicher, weicher Ge¬ muͤthsart, ſein Leiden durch Wehklagen und aͤngſtliches Bezeigen noch ſchwerer! Man rede nicht von Dingen, die ihm, ſelbſt wenn er geſund waͤre, unangenehm ſeyn wuͤrden, nicht von haͤuslichen Verlegenheiten, vom Tode, noch von Vergnuͤgungen, an wel¬ chen er nicht Theil nehmen kann! Leute, die blos in der Einbildung krank ſind, muß man zwar nicht verſpotten, noch zu uͤberzeugen ſuchen, daß ihnen nichts fehlt, denn das macht ganz verkehrte Wuͤrkung auf ſie; aber man ſoll ſie auch nicht in ihrer Thorheit beſtaͤr¬ ken, ſondern, wenn vernuͤnftige Vorſtellungen nichts helfen, nur gar keine Theilnahme zeigen, ihre Klagen mit Stillſchweigen beantworten, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/208
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/208>, abgerufen am 21.11.2024.