und wenn der Sitz des Uebels im Gemüthe ist, sie durch weise gewählte Zerstreuungen auf an¬ dre Gedanken zu bringen suchen.
Auch giebt es Menschen, die dadurch In¬ teresse zu erwecken glauben, daß sie sich kränklich stellen. Das ist eine thörichte Schwäche! Auf unmännliche, marzipanene Stutzer vielleicht, nicht aber auf verständige Menschen, kann gei¬ stige und cörperliche Gebrechlichkeit besonders vortheilhaft würken, und nur in einem Zeitalter von allgemeiner Entnervung darf man auf den Gedanken gerathen, durch Klagen über Mangel an Prästanz, so wie durch blöde Augen, Blä¬ hungen und schwache Werkzeuge, sich von einer artigen Seite zeigen zu wollen. Man suche solche Leute von ihrer Albernheit zurück zu führen, sie zu überzeugen, daß es besser sey Bewunderung, als Mitleiden zu erregen, und daß nichts so all¬ gemein vortheilhafte Eindrücke mache, als der Anblick eines Wesens, das, an Leib und Seele gesund, in seiner vollen Kraft, zur Ehre der Schöpfung dasteht!
Endlich in Unpäßlichkeiten, wo der Geist viel über den Cörper vermag, wo Seelen-Leiden
das
und wenn der Sitz des Uebels im Gemuͤthe iſt, ſie durch weiſe gewaͤhlte Zerſtreuungen auf an¬ dre Gedanken zu bringen ſuchen.
Auch giebt es Menſchen, die dadurch In¬ tereſſe zu erwecken glauben, daß ſie ſich kraͤnklich ſtellen. Das iſt eine thoͤrichte Schwaͤche! Auf unmaͤnnliche, marzipanene Stutzer vielleicht, nicht aber auf verſtaͤndige Menſchen, kann gei¬ ſtige und coͤrperliche Gebrechlichkeit beſonders vortheilhaft wuͤrken, und nur in einem Zeitalter von allgemeiner Entnervung darf man auf den Gedanken gerathen, durch Klagen uͤber Mangel an Praͤſtanz, ſo wie durch bloͤde Augen, Blaͤ¬ hungen und ſchwache Werkzeuge, ſich von einer artigen Seite zeigen zu wollen. Man ſuche ſolche Leute von ihrer Albernheit zuruͤck zu fuͤhren, ſie zu uͤberzeugen, daß es beſſer ſey Bewunderung, als Mitleiden zu erregen, und daß nichts ſo all¬ gemein vortheilhafte Eindruͤcke mache, als der Anblick eines Weſens, das, an Leib und Seele geſund, in ſeiner vollen Kraft, zur Ehre der Schoͤpfung daſteht!
Endlich in Unpaͤßlichkeiten, wo der Geiſt viel uͤber den Coͤrper vermag, wo Seelen-Leiden
das
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und wenn der Sitz des Uebels im Gemuͤthe iſt,
ſie durch weiſe gewaͤhlte Zerſtreuungen auf an¬
dre Gedanken zu bringen ſuchen.
Auch giebt es Menſchen, die dadurch In¬
tereſſe zu erwecken glauben, daß ſie ſich kraͤnklich
ſtellen. Das iſt eine thoͤrichte Schwaͤche! Auf
unmaͤnnliche, marzipanene Stutzer vielleicht,
nicht aber auf verſtaͤndige Menſchen, kann gei¬
ſtige und coͤrperliche Gebrechlichkeit beſonders
vortheilhaft wuͤrken, und nur in einem Zeitalter
von allgemeiner Entnervung darf man auf den
Gedanken gerathen, durch Klagen uͤber Mangel
an Praͤſtanz, ſo wie durch bloͤde Augen, Blaͤ¬
hungen und ſchwache Werkzeuge, ſich von einer
artigen Seite zeigen zu wollen. Man ſuche ſolche
Leute von ihrer Albernheit zuruͤck zu fuͤhren, ſie
zu uͤberzeugen, daß es beſſer ſey Bewunderung,
als Mitleiden zu erregen, und daß nichts ſo all¬
gemein vortheilhafte Eindruͤcke mache, als der
Anblick eines Weſens, das, an Leib und Seele
geſund, in ſeiner vollen Kraft, zur Ehre der
Schoͤpfung daſteht!
Endlich in Unpaͤßlichkeiten, wo der Geiſt
viel uͤber den Coͤrper vermag, wo Seelen-Leiden
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/209>, abgerufen am 24.11.2024.
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