dem Tage unsre Achtung für ihn wächst! -- Wenn er Verstand hat, so wird er schon sehn, ob Du der Mann bist, den er in der Folge täu¬ schen kann -- Man werfe ihm nie, auch nicht auf die entfernteste Weise, seine ehemaligen Ver¬ irrungen vor; sondern scheine nur Augen für seine jetzige Aufführung zu haben! Allein es geht nicht so schnell mit Ablegung von Lastern, die uns schon zu einrr Art von Habitüde gewor¬ den sind; Also darf uns ein kleiner Rückfall nicht befremden, und obgleich man dann die Stärke seines Vortrags und der angewendeten Mittel zur Besserung verdoppeln muß; so soll man doch nicht muthlos werden, noch dem Rück¬ kehrenden den Muth benehmen. Lasset uns endlich, zur Ehre der Menschheit und zu Erwe¬ ckung unsers Eifers, glauben, daß niemand in der Welt so tief gefallen, so von Grund aus verdorben seyn könne, daß ihm nicht, bey red¬ licher, eifriger Anwendung der besten Mittel, noch zu helfen wäre! Und Ihr, die Ihr in der großen Welt lebet, und so bereitwillig seyd, ei¬ nen Mann oder ein Weib, die durch irgend eine zweydeutige oder schlechte Handlung sich ernie¬ drigt, oder auch wohl nur etwa lächerlich ge¬
macht
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dem Tage unſre Achtung fuͤr ihn waͤchſt! — Wenn er Verſtand hat, ſo wird er ſchon ſehn, ob Du der Mann biſt, den er in der Folge taͤu¬ ſchen kann — Man werfe ihm nie, auch nicht auf die entfernteſte Weiſe, ſeine ehemaligen Ver¬ irrungen vor; ſondern ſcheine nur Augen fuͤr ſeine jetzige Auffuͤhrung zu haben! Allein es geht nicht ſo ſchnell mit Ablegung von Laſtern, die uns ſchon zu einrr Art von Habituͤde gewor¬ den ſind; Alſo darf uns ein kleiner Ruͤckfall nicht befremden, und obgleich man dann die Staͤrke ſeines Vortrags und der angewendeten Mittel zur Beſſerung verdoppeln muß; ſo ſoll man doch nicht muthlos werden, noch dem Ruͤck¬ kehrenden den Muth benehmen. Laſſet uns endlich, zur Ehre der Menſchheit und zu Erwe¬ ckung unſers Eifers, glauben, daß niemand in der Welt ſo tief gefallen, ſo von Grund aus verdorben ſeyn koͤnne, daß ihm nicht, bey red¬ licher, eifriger Anwendung der beſten Mittel, noch zu helfen waͤre! Und Ihr, die Ihr in der großen Welt lebet, und ſo bereitwillig ſeyd, ei¬ nen Mann oder ein Weib, die durch irgend eine zweydeutige oder ſchlechte Handlung ſich ernie¬ drigt, oder auch wohl nur etwa laͤcherlich ge¬
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dem Tage unſre Achtung fuͤr ihn waͤchſt! —
Wenn er Verſtand hat, ſo wird er ſchon ſehn,
ob Du der Mann biſt, den er in der Folge taͤu¬
ſchen kann — Man werfe ihm nie, auch nicht
auf die entfernteſte Weiſe, ſeine ehemaligen Ver¬
irrungen vor; ſondern ſcheine nur Augen fuͤr
ſeine jetzige Auffuͤhrung zu haben! Allein es
geht nicht ſo ſchnell mit Ablegung von Laſtern,
die uns ſchon zu einrr Art von Habituͤde gewor¬
den ſind; Alſo darf uns ein kleiner Ruͤckfall
nicht befremden, und obgleich man dann die
Staͤrke ſeines Vortrags und der angewendeten
Mittel zur Beſſerung verdoppeln muß; ſo ſoll
man doch nicht muthlos werden, noch dem Ruͤck¬
kehrenden den Muth benehmen. Laſſet uns
endlich, zur Ehre der Menſchheit und zu Erwe¬
ckung unſers Eifers, glauben, daß niemand in
der Welt ſo tief gefallen, ſo von Grund aus
verdorben ſeyn koͤnne, daß ihm nicht, bey red¬
licher, eifriger Anwendung der beſten Mittel,
noch zu helfen waͤre! Und Ihr, die Ihr in der
großen Welt lebet, und ſo bereitwillig ſeyd, ei¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/221>, abgerufen am 21.11.2024.
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