muß. Hochmuth hingegen brüstet sich mit Vor¬ zügen, die er nicht hat, bildet sich auf Dinge etwas ein, die gar keinen Werth haben. Hoch¬ muth ist es, der den Pinsel von sechzehn Ahnen aufbläht, daß er die Verdienste seiner Vorfah¬ ren-- die oft nicht einmal seine ächten Vorfah¬ ren sind, und oft nicht einmal Verdienste gehabt haben -- daß er diese sich anrechnet, als wenn Tugenden zu dem Inventario eines alten Schlos¬ ses gehörten! Hochmuth ist es, der den reichen Bürger so grob, so steif, so ungesellig macht. Und wahrlich! dieser pöbelhafte Hochmuth ist, da er mehrentheils von Mangel an Lebensart und ungeschickten Manieren begleitet wird, wo möglich, noch empöhrender als der des Adels. Hochmuth ist es, der den Künstler mir so viel Zuversicht zu Talenten erfüllt, die, sollten sie auch von niemand anerkannt werden, ihn dennoch in Gedanken über alle Erdensöhne hinaussetzen. Er wird, wenn niemand ihn bewundert, eher auf die Geschmacklosigkeit der ganzen Welt schim¬ pfen, als auf den natürlichen Gedanken gera¬ then, daß es wohl mit seiner Kunst nicht so ganz richtig aussehn müsse.
Wenn
muß. Hochmuth hingegen bruͤſtet ſich mit Vor¬ zuͤgen, die er nicht hat, bildet ſich auf Dinge etwas ein, die gar keinen Werth haben. Hoch¬ muth iſt es, der den Pinſel von ſechzehn Ahnen aufblaͤht, daß er die Verdienſte ſeiner Vorfah¬ ren— die oft nicht einmal ſeine aͤchten Vorfah¬ ren ſind, und oft nicht einmal Verdienſte gehabt haben — daß er dieſe ſich anrechnet, als wenn Tugenden zu dem Inventario eines alten Schloſ¬ ſes gehoͤrten! Hochmuth iſt es, der den reichen Buͤrger ſo grob, ſo ſteif, ſo ungeſellig macht. Und wahrlich! dieſer poͤbelhafte Hochmuth iſt, da er mehrentheils von Mangel an Lebensart und ungeſchickten Manieren begleitet wird, wo moͤglich, noch empoͤhrender als der des Adels. Hochmuth iſt es, der den Kuͤnſtler mir ſo viel Zuverſicht zu Talenten erfuͤllt, die, ſollten ſie auch von niemand anerkannt werden, ihn dennoch in Gedanken uͤber alle Erdenſoͤhne hinausſetzen. Er wird, wenn niemand ihn bewundert, eher auf die Geſchmackloſigkeit der ganzen Welt ſchim¬ pfen, als auf den natuͤrlichen Gedanken gera¬ then, daß es wohl mit ſeiner Kunſt nicht ſo ganz richtig ausſehn muͤſſe.
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etwas ein, die gar keinen Werth haben. Hoch¬
muth iſt es, der den Pinſel von ſechzehn Ahnen
aufblaͤht, daß er die Verdienſte ſeiner Vorfah¬
ren— die oft nicht einmal ſeine aͤchten Vorfah¬
ren ſind, und oft nicht einmal Verdienſte gehabt
haben — daß er dieſe ſich anrechnet, als wenn
Tugenden zu dem Inventario eines alten Schloſ¬
ſes gehoͤrten! Hochmuth iſt es, der den reichen
Buͤrger ſo grob, ſo ſteif, ſo ungeſellig macht.
Und wahrlich! dieſer poͤbelhafte Hochmuth iſt,
da er mehrentheils von Mangel an Lebensart
und ungeſchickten Manieren begleitet wird, wo
moͤglich, noch empoͤhrender als der des Adels.
Hochmuth iſt es, der den Kuͤnſtler mir ſo viel
Zuverſicht zu Talenten erfuͤllt, die, ſollten ſie
auch von niemand anerkannt werden, ihn dennoch
in Gedanken uͤber alle Erdenſoͤhne hinausſetzen.
Er wird, wenn niemand ihn bewundert, eher
auf die Geſchmackloſigkeit der ganzen Welt ſchim¬
pfen, als auf den natuͤrlichen Gedanken gera¬
then, daß es wohl mit ſeiner Kunſt nicht ſo
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/230>, abgerufen am 21.11.2024.
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