uns schmausen, kann man am leichtesten dadurch verscheuchen, daß man sie, ohne ihnen etwas zu reichen, wieder fortgehn lasse; aber gegen Schmeichler, besonders gegen die von feinerer Art, soll man, seiner eigenen Moralität wegen, auf seiner Hut seyn. Sie verderben uns von Grund aus, wenn wir unser Ohr an ihren Si¬ renen-Gesang gewöhnen. Dann wollen wir ohne Unterlaß gestreichelt und gekitzelt seyn, fin¬ den die wohlthätige Stimme der Wahrheit nicht harmonisch genug, und vernachlässigen und ver¬ säumen die treuern, bessern Freunde, die uns aufmerksam auf unsre Fehler machen wollen. Um nicht so tief zu fallen, wafne man sich mit Gleichgültigkeit gegen die gefährlichen Lockungen der Schmeicheley. Man fliehe vor dem Schmeich¬ ler, wie vor dem bösen Feinde! Allein das ist nicht so leicht, als man wohl glaubt; Es giebt eine Art, Süßigkeiten zu sagen, die das Ansehn hat, als wollte man grade das Gegentheil thun. Der schlaue Schmeichler, der Deine schwache Seite studiert hat, wird, wenn er Dich für zu verständig hält, um nicht die gröbern Schlin¬ gen dieser Art für gefährlich zu erkennen, Dir nicht immer Recht geben; Er wird vielmehr
Dich
uns ſchmauſen, kann man am leichteſten dadurch verſcheuchen, daß man ſie, ohne ihnen etwas zu reichen, wieder fortgehn laſſe; aber gegen Schmeichler, beſonders gegen die von feinerer Art, ſoll man, ſeiner eigenen Moralitaͤt wegen, auf ſeiner Hut ſeyn. Sie verderben uns von Grund aus, wenn wir unſer Ohr an ihren Si¬ renen-Geſang gewoͤhnen. Dann wollen wir ohne Unterlaß geſtreichelt und gekitzelt ſeyn, fin¬ den die wohlthaͤtige Stimme der Wahrheit nicht harmoniſch genug, und vernachlaͤſſigen und ver¬ ſaͤumen die treuern, beſſern Freunde, die uns aufmerkſam auf unſre Fehler machen wollen. Um nicht ſo tief zu fallen, wafne man ſich mit Gleichguͤltigkeit gegen die gefaͤhrlichen Lockungen der Schmeicheley. Man fliehe vor dem Schmeich¬ ler, wie vor dem boͤſen Feinde! Allein das iſt nicht ſo leicht, als man wohl glaubt; Es giebt eine Art, Suͤßigkeiten zu ſagen, die das Anſehn hat, als wollte man grade das Gegentheil thun. Der ſchlaue Schmeichler, der Deine ſchwache Seite ſtudiert hat, wird, wenn er Dich fuͤr zu verſtaͤndig haͤlt, um nicht die groͤbern Schlin¬ gen dieſer Art fuͤr gefaͤhrlich zu erkennen, Dir nicht immer Recht geben; Er wird vielmehr
Dich
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uns ſchmauſen, kann man am leichteſten dadurch
verſcheuchen, daß man ſie, ohne ihnen etwas
zu reichen, wieder fortgehn laſſe; aber gegen
Schmeichler, beſonders gegen die von feinerer
Art, ſoll man, ſeiner eigenen Moralitaͤt wegen,
auf ſeiner Hut ſeyn. Sie verderben uns von
Grund aus, wenn wir unſer Ohr an ihren Si¬
renen-Geſang gewoͤhnen. Dann wollen wir
ohne Unterlaß geſtreichelt und gekitzelt ſeyn, fin¬
den die wohlthaͤtige Stimme der Wahrheit nicht
harmoniſch genug, und vernachlaͤſſigen und ver¬
ſaͤumen die treuern, beſſern Freunde, die uns
aufmerkſam auf unſre Fehler machen wollen.
Um nicht ſo tief zu fallen, wafne man ſich mit
Gleichguͤltigkeit gegen die gefaͤhrlichen Lockungen
der Schmeicheley. Man fliehe vor dem Schmeich¬
ler, wie vor dem boͤſen Feinde! Allein das iſt
nicht ſo leicht, als man wohl glaubt; Es giebt
eine Art, Suͤßigkeiten zu ſagen, die das Anſehn
hat, als wollte man grade das Gegentheil thun.
Der ſchlaue Schmeichler, der Deine ſchwache
Seite ſtudiert hat, wird, wenn er Dich fuͤr
zu verſtaͤndig haͤlt, um nicht die groͤbern Schlin¬
gen dieſer Art fuͤr gefaͤhrlich zu erkennen, Dir
nicht immer Recht geben; Er wird vielmehr
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/257>, abgerufen am 24.11.2024.
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